Gottesanbeterin
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Wissenschaft

Wie das Klima die Tierwelt beeinflusst

Der Klimawandel begünstigt das Auftauchen exotischer Tiere: Spinnen, Insekten und auch Parasiten überleben zunehmend die Winter in Kärnten. Andererseits verschwinden heimische Arten für immer, wenn die Temperaturen steigen. Mit teilweise unabschätzbaren Folgen.

Vor allem Insekten und Spinnentiere aus dem Mittelmeerraum lassen sich in Kärnten nieder. Eines der jüngsten Beispiele ist die Nosferatu-Spinne. In den vergangenen Monaten wurden mehrere Exemplare dieser giftigen Jagdspinne zum Reptilienzoo Happ gebracht. Erfahrungen im Fall eines Bisses gibt es kaum.

Helga Happ rechnet damit, dass die Nosferatu-Spinne bald häufiger hier auftritt: „Jede weibliche Spinne kann einen Kokon mit mehreren hundert Eiern legen. Dass sich die Jungspinnen bei uns ansiedeln ist anzunehmen. Die Zebra- oder Wespenspinne zum Beispiel, die vor 40 Jahren bei uns eingewandert ist, zählt heute schon zu den heimischen Spinnenarten.“

Bei den Insekten könne die Gottesanbeterin mittlerweile als heimisch bezeichnet werden. Noch vor 30 Jahren war sie eine Sensation, heute ist sie weit verbreitet.

Neuankömmlinge verdrängen heimische Arten zusehends

Die Arten, die sich in Folge des Klimawandels bei uns ansiedeln, bringen das Gleichgewicht der Natur durcheinander. Davor warnt etwa Christian Komposch vom Grazer Ökoforum, der seit Jahren in Kärnten forscht.

Er sagte, die eingeschleppten Arten würden dazu führen, dass der Raum sehr eng werde: „Sie sind eine unglaublich starke Konkurrenz für die heimischen Arten und führen dazu, dass diese bedroht sind. Das heißt, dass die heimischen Arten zum Teil durch diese Neuankömmlinge sogar vom Aussterben bedroht werden. Dadurch wird der Naturhaushalt an sich Ungleichgewicht gebracht.“

So manche neue Art reist mit der Bahn oder dem Schiff und fühlt sich bald hier wohl. So könnte sich auch die giftige Schwarzen Witwe ansiedeln, sagt der Experte: „Wenn diese Art mit Containern oder im Frachtverkehr in Europa andockt hat sie gute Chancen sich bei uns festzusetzen. Dann wird diese Art bei uns in den Städten, an den Gebäuden und auf den Terrassen einnisten.“

Manche heimischen Arten würden aber auch aussterben, weil es wärmer wird, so Komposch. Das sei dramatisch, weil es sich um Arten handle, die es nur an wenigen Kältestandorten in den Karnischen Alpen oder Karawanken in Kärnten gebe. Beispiele sind etwa der Koralpen Zwerg-Weberknecht oder der Karawanken-Blindkäfer.

Wieser: Starker Wandel in allen Tiergruppen

Christian Wieser, Leiter der zoologischen Abteilung im Landesmuseum, gibt Entwarnung: Vogelspinnen im Garten vorzufinden sei – zumindest in den nächsten Jahren – eher unwahrscheinlich: „Andere Kleintiere können aber sehr wohl gefährlich sein. Es gibt immer mehr Allergiker von Stechinsekten, Ameisen oder exotische Gelsenarten, die mittlerweile schon bei uns eingetroffen sind.“

Aktuell gehe ein starker Wandel in allen Tiergruppen – vom Wolf bis zu Insekten – vor sich. Alleine bei den Schmetterlingen würde jährlich ein Dutzend neuer Arten dazukommen. „Es ist erschreckend oder erstaunlich, was da alles auftaucht. Man wird sehen, was sich halten kann und was in Zukunft heimisch wird.“

KH Studiogast Biologe Christian Wieser

Immer weniger Insekten

Darauf angesprochen, dass noch bis vor ein paar Jahren auf Autos jede Menge Insekten zu sehen gewesen sein, was jetzt jedoch nicht mehr der Fall sei, meinte Wieser, dass ein Blick auf die Umgebung reiche aus, um zu verstehen, dass in einer Mais-Monokultur keine Insektenmassen leben können. „Dort, wo es noch in Ordnung ist, also zum Beispiel entlang von Flüssen, kann das heute auch noch passieren. Im Großen und Ganzen ist ein massiver Rückgang alleine im Zusammenhang mit den Lebensräumen gegeben.“

Auch in Kärnten bestehe die Gefahr, dass neue Arten Heimische vertreiben: „Wir wissen nicht, was passiert. Manche Arten werden neu eingeschleppt und verschwinden wieder. Es gibt sehr wohl welche, die stärker sind als die Heimischen, weil sie keine direkten Gegner haben und dann Massenvermehrungen machen können, wie ein Buchsbaumzünsler oder die asiatischen Marienkäfer.“

„Es ist 20 Minuten nach zwölf“

Jedes Kind lernt in „König der Löwen“ – dass das Leben ein ewiger Kreis ist – „the circle of life“ – Vögel beispielsweise leben von Insekten als Nahrungsquelle. Könnte da ein Domino-Effekt entstehen, was das Aussterben von Tierarten betrifft? Dazu meinte Wieser: „Das Problem liege genau darin, dass alles ein fein abgestimmter Kreis ist. Jedes Steinchen oder Rad aus einem Uhrwerk, das rausbricht, hat Folgen. Wir wissen nur nicht, was passieren wird oder kann.“

Die Prognose für die Zukunft laut Wieser: „Es ist nicht fünf Minuten vor, sondern 20 Minuten nach zwölf. Es wird nicht mehr so werden wie es war. Es wird anders. Man sollte nicht den Kopf in den Sand stecken. Wir werden uns – so wie in der Tierwelt – anpassen müssen. Der Stärkere wird sich durchsetzen und bleiben und wir werden viele Verluste haben.“