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EXW-Prozess: Richterin empfahl Film

Am Mittwoch ist der Großprozess wegen möglichen Betrugs mit Kryptowährung fortgesetzt worden. Es wurde noch einmal der Hauptangeklagte einvernommen, erste Opfer werden am Donnerstag befragt. Richterin Claudia Bandion-Ortner empfahl eine Doku über einen US-Kryptowährungsbetrug, der Ähnlichkeiten mit EXW habe.

„Ich kann das nicht sagen, ich kann mich nicht genau erinnern, ich kann das nicht mehr genau rekonstruieren, ich weiß den Namen leider nicht mehr“ – diese Sätze waren am Mittwoch vom 26 Jahre alten Hauptangeklagten zu hören. Richterin Bandion-Ortner sagte, sie habe das Gefühl, er schütze alle anderen und nehme nach seinem überraschenden vollen inhaltlichen Geständnis im Dezember die alleinige Schuld auf sich. Ob das Sinn mache, fragte die Richterin.

Hauptangeklagter möchte „normalen“ Beruf

Er beteuerte erneut, wie sehr er bereue, was passiert sei. Auf die Frage der Richterin, warum er denn nicht einen normalen Beruf ausübe, antwortete der 26-Jährige: „Das habe ich mir für die Zukunft vorgenommen. Ich möchte als Angestellter in einer Marketing-Agentur arbeiten. Mit der Selbstständigkeit bin ich fertig.“ Neben seinem neuen Job möchte der Schulabbrecher auch die Abendmatura nachholen.

„Sie wissen, dass Sie als normaler Angestellter weniger verdienen werden? Sie sind einen anderen Lebensstil gewohnt“, hakte die Richterin nach. Seine Antwort: „Das ganze Geld hatte seinen Reiz, ich habe alles erlebt. Aber es ist nicht erfüllend. Im Privatjet zu sitzen und Champagner zu trinken ist es nicht wert, die Geburt der eigenen Tochter zu verpassen.“

Am Mittwoch wurde die Zeit vor der EXW-Gründung durchleuchtet, schon damals war der Angeklagte in die komplexe Welt der Kryptowährungen eingetaucht, aber noch mit einer anderen Firma.

Flüchtiger aus Brasilien wird einvernommen

Immer wieder tauchten am Verhandlungstag Namen auf, fest steht, es kommen zu den bisherigen neun Angeklagten mindestens zwei weitere dazu. Angeklagter Nummer zehn soll noch im Jänner im Gerichtssaal erscheinen – es handelt sich um einen 48-Jährigen, der EXW-Vertriebschef in Deutschland gewesen sein soll. Nächste Woche soll auch ein Flüchtiger aus Brasilien einvernommen werden. Es handelt sich um eine weitere mögliche zentrale Figur im EXW-Firmengeflecht, die sich nach dem Ende von EXW nach Brasilien abgesetzt haben soll.

Der Zweitangeklagte, der im Fall der mit EXW verknüpften Firma My First Plant Hauptbeschuldigter ist, wurde aus der U-Haft entlassen – mehr dazu in EXW-Verbindung: My First Plant in Konkurs. Bandion-Ortner erklärte, dass die Entlassung nichts mit dem Tatverdacht zu tun hätte.

Zeuge: „Die haben einen Idioten gesucht“

Als erster Zeuge sagte ein 32-jähriger Mann aus Deutschland aus. Per Videokonferenz erklärte er, dass er von dem 26-jährigen Hauptangeklagten dazu überredet worden sei, die Geschäftsführung der slowenischen EXW-Tochter zu übernehmen. „Ich hatte von Anfang an ein komisches Gefühl“, so der 32-Jährige.

Die Gründer sollen immer nur in Rätseln gesprochen haben, sodass er nie richtig verstanden habe, was das eigentliche Ziel des Unternehmens sei. „Sie haben nur einen Idioten gesucht, der dann den Kopf hinhält“, sagte der Zeuge. Und: „Ich habe mich leider zu etwas verpflichten lassen, das ich eigentlich nicht machen wollte.“ Sichtlich überrascht reagierte der Zeuge auf die Frage der Staatsanwältin, ob er denn wüsste, dass die slowenische EXW-Tochter nie fertig gegründet wurde. Seine Antwort: „Nein, das war mir nicht bekannt.“

Richterin empfiehlt Netflix-Doku

Der Prozesstag am Donnerstag steht dann ganz im Zeichen von Zeugenbefragungen. Laut Richterin Bandion-Ortner melden sich immer wieder neue Opfer. Wer nicht so firm auf dem Gebiet der Krypotwährungsbetrügereien ist, dem empfiehlt Bandion-Ortner den Film „Bitconned“ über die Causa Centra Tech auf der Streamingplattform Netflix. Da gehe es um den großen Betrugsfall von Ray Trapani in den USA, der Ähnlichkeiten zu EXW zeige.

Der Prozess

Den bisher neun Angeklagten werden gewerbsmäßig schwerer Betrug, Geldwäsche, Pyramidenspiel und kriminelle Vereinigung vorgeworfen. Sie sollen rund 40.000 Opfer um mindestens 17,6 Mio. Euro betrogen haben, die Gesamtschadenssumme könnte aber noch weit höher liegen. Der Hauptangeklagte hatte nach einer belastenden Aussage seiner Ex-Lebensgefährtin zugegeben, dass von Anfang an ein Betrug geplant war. Die Formel zur Berechnung des Kryptowährungskurses sei ein Fake gewesen. Aber nur er selbst habe von Anfang an gewusst, dass es sich um Abzocke handle, so der 26-Jährige bei seiner Aussagen im Dezember.