Aus einem Auflärungsvideo des Gewaltschutzzentrums
Gewaltschutzzentrum
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Soziales

Gewalt: Immer mehr Beziehungsdelikte

Seit 20 Jahren betreut das Gewaltschutzzentrum Kärnten Opfer von Gewalt, bisher rund 13.000 Personen. Die meisten sind von häuslicher Gewalt und Misshandlungen betroffen. Heuer wurden bereits drei Frauen getötet. Psychiater Reinhard Haller sieht hier auch ein gesellschaftliches Problem.

Seit Bestehen des Gewaltschutzzentrums gab es in Kärnten 14 Morde. Viele Jahre vergingen ohne einen Mord, heuer gab es bereits drei Tötungsdelikte. Eine hochschwangere Frau wurde erschlagen, der mutmaßliche Täter und Vater des ungeborenen Kindes sitzt in Untersuchungshaft. Eine Mutter wurde von ihrem erwachsenen Sohn erschlagen, er wurde zu 17 Jahren Haft verurteilt. In St. Veit wurde eine Frau tot aufgefunden, sie wurde zuvor Opfer von massiver Gewalt, ein Mann steht unter Verdacht.

„Im Durchschnitt der Fälle ist es eine Körperverletzung, eine schwere oder eine normale und sehr häufig kommt es auch zu einer Morddrohung. Vor allem bei Partnergewalt wird immer wieder gesagt, ich bringe dich um. Wenn ich dich nicht haben kann, wird dich kein anderer haben und so weiter“, sagte Roswitha Bucher vom Gewaltschutzzentrum.

Psychiater Reinhard Haller
ORF
Reinhard Haller sieht die Notwendigkeit, gesellschaftlich umzudenken

„Immer mehr Beziehungsdelikte“

Psychiater Reinhard Haller sprach bei der 20-Jahr-Feier des Gewaltschutzzentrums zum Thema Kränkung und ihre Rolle in Beziehungen. Er sagte, man könne einen Trend sehen, es gehe immer mehr in Richtung Beziehungsdelikte. „In Österreich spielen sich 70 Prozent der Tötungsdelikte in den eigenen vier Wänden ab. Besorgniserregend sei auch, dass die Morde immer motivloser werden.“

Es werde wegen eines Anlasses, der im Leben immer passiert, wie Streit, Eifersucht oder Trennung übermäßig reagiert, gleichsam mit der ‚Todesstrafe‘. Männer reagieren auf Kränkungen mit Gewalt, deren Macht werde unterschätzt: „Subjektiv können Kränkungen die Welt bedeuten, sie tun weh, vor allem, wenn sie von einem nahe stehenden Menschen kommen. Männer können mit Kränkungen schlechter umgehen, sie halten das Nicht Geliebt Werden nicht aus und wollen es mit Gewalt erzwingen. Frauen schlucken Kränkungen eher hinunter, dass ist psychisch auch nicht gesund. Sie können sich aber besser damit auseinandersetzen und nehmen Therapie in Anspruch. Der Mann ‚in seiner Großartigkeit‘ braucht aber keinen Therapeuten“, so Haller.

Haller während seines Vortrags
ORF
Haller hielt beim Festakt einen Vortrag

„Verbrechen entstehen in Einsamkeit“

Männerberatungen und Therapiestellen gibt es ja, doch es sei so, dass den Männern die Kränkbarkeit gesellschaftlich nicht zugestanden werde. Alles müsse cool sein, das sei eine Maske. „Es ist ein gesellschaftliches Problem, wir leben in einer Zeit der Wertschätzungsblockade. Es ist nicht mehr IN, anderen positiv zu begegnen und Menschen Lob, Anerkennung und Liebe entgegenzubringen. Jeder ist aber ein liebesbedürftiges Wesen. Man müsse sich vielleicht wieder der Emotionalität zuwenden.“

Laut Haller müsse die Gesellschaft überlegen, wie man das Aggressionspotenzial in sozial verträgliche Bahnen lenken könne, etwa in sportliche Wettkämpfe, die durchaus Elemente eines Krieges haben, aber ohne Tote und Verletzte. Die große Herausforderung sei, was man gegen die Vereinsamung des Menschen tun könne. „Die meisten Verbrechen entstehen in der Einsamkeit.“

20 Jahre Gewaltschutzzentrum

Am Donnerstag feierte feiert das Gewaltschutzzentrum Kärnten sein 20-jähriges Bestehen, gemeinsam mit vielen Partnerorganisationen und Institutionen wie dem Land Kärnten und der Polizei.

Betroffene: „Ich habe um mein Leben geschrien“

Eine junge, zweifache Mutter aus Kärnten, wurde von ihrem Mann mehrfach bedroht und schwerst verletzt. Sie erzählte dem ORF Kärnten ihre Geschichte: „Ich habe wirklich um mein Leben geschrien. Zu dem Zeitpunkt habe ich schon sämtliche Schläge mit einer Holzlatte auf den Kopf abbekommen. Diese ist mehrmals zerbrochen auf meinem Kopf. Mein damaliger Mann hat auch gegen meinen Halswirbel getreten. Der erste Nachbar, der zum Glück Zuhause war, ist dann gekommen und zog das Kind unter mir heraus“. Die beiden kleinen Töchter des Paares wurden schwer traumatisiert.

Kinder hörten auf, zu sprechen

„Ganz schlimm war, dass sie danach aufgehört haben, zu reden. Es kamen keine Wörter mehr wie ‚Mama‘, ‚Oma‘ oder ‚Opa‘, sondern nur mehr Laute und Gesten, um zu zeigen, was sie wollten. Sie sind auch in der Nacht immer wieder aufgewacht und haben geweint“, so die Betroffene. Geholfen wurde der Frau von Mitarbeiterinnen des Gewaltschutzzentrums: "Indem sie schon im Krankenhaus zu mir gekommen sind und meine ersten Termine mit mir gemacht haben. Sie berieten mich, welche Schritte und Wege ich machen kann. Sie begleiteten mich auf allen Wegen.