Würstchen Kätzchen von Hängebirke Frühling
ORF/Iris Hofmeister
ORF/Iris Hofmeister
Umwelt

Bäume errechnen Zeitpunkt für Pollenflug

Zwölf Prozent der Kärntner Bevölkerung leiden an einer Pollenallergie. Aber woher wissen Bäume eigentlich, dass es Zeit ist für den Pollenflug? Der Pollenwarndienst des Landes ist auf überraschende wissenschaftliche Erkenntnisse gestoßen. Bäume können sogar Temperaturen addieren.

Rund 70.000 Menschen in Kärnten sind von einer Pollenallergie betroffen. Weil die Aggressivität der Pollen zunimmt, sind auch immer häufiger Haustiere wie Pferde und Hunde betroffen. Bäume und Stauden wissen, wann es Zeit für den Pollenflug ist. Zumindest Hasel und Erle können addieren.

Sie zählen die Temperaturwerte zusammen, bis sie bei einer Temperatursumme von 290 Grad angelangt sind, so Helmut Zwander, der Leiter des Pollenwarndienstes: „Es hat uns selbst sehr gewundert, wie wir draufgekommen sind. Uns ist aufgefallen, dass der Blühbeginn immer anders ist – einmal früher, einmal später. Und wir haben uns gefragt, womit hängt das zusammen.“

Helmut Zwander
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Helmut Zwander

Man sei dann auf eine eigenartige Sache draufgekommen, so Zwander: „Die Hasel, Grau- und Schwarzerle zählen ab dem 1. Dezember jedes Plusgrad zusammen. Bei etwa 160, 170 Grad sind die ersten Pollenkörner in der Luft. Von der Allergologie her ist das noch nicht so relevant. Dann geht es weiter, und bei rund um 290 Grad beginnt der starke Pollenflug.“ So könne die Blüte schon im Jänner oder auch erst im März beginnen, je nach Temperatursumme.

Intelligente Bäume

Messreihen seit 1980

Rechnende Bäume sind ein faszinierendes Phänomen, das sich exakt mit der seit 1980 ununterbrochenen Messreihe des Kärntner Pollenwarndienstes belegen lässt. Wie und womit der Baum rechnet und die Temperaturen zusammenzählt, ist für die Wissenschaft aber noch ein ungelöstes Rätsel. Zwander sagte, er habe Kollegen an der Uni Graz schon gefragt, sie stehen aber auch vor einem Rätsel. „Das ist ein Geheimnis. Wo diese Zählzellen verborgen sind, wissen wir nicht.“

Bei der Birke sei es anders, die Temperaturen im Jänner oder Februar seien hier egal. „Am 1. März wird sie munter und beginnt zu zählen. Auch sie zählt die Plusgrade zusammen, bis sie bei circa 440 Grad ist. Dann beginnt sie zu blühen.“

Staubende Pollen
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Staubende Pollen

Obwohl Hasel und Erle ihr Geheimnis bisher nicht preisgaben, hilft die Zählmethode dem Pollenwarndienst dabei, seine Prognosen zu erstellen: „Wenn wir wissen, wir haben 270 Grad erreicht und die nächsten Tage ist schönes Wetter vorhergesagt, dann wissen wir, der Haselflug wird massiv beginnen. Dann können wir die Betroffenen informieren.“

Blühende Birke
ORF/Petra Haas
Birke

Messstation auf dem Krankenhausdach

Auf dem Dach des Klinikums Klagenfurt befindet sich seit 1980 eine Pollenfalle, hier wird gemessen, wie viele Pollen in der Luft sind, so Zwander: „Die Messstation hat einen Ansaugschlitz, über den sie pro Minute zehn Liter Luft einsaugt. Hinter dem Ansaugschlitz ist eine Trommel mit einem Messstreifen, der sich mit zwei Millimetern pro Stunde bewegt. Pro Tag sind es 48 Millimeter. Auf dem Messstreifen liegt der Pollen. Dieser Messstreifen wird dann in Tagesabschnitte zerschnitten, daraus wird ein mikroskopisches Dauerpräparat gemacht und unter dem Mikroskop ausgezählt. Bei 400-facher Vergrößerung kann man die einzelnen Pollen unterscheiden.“

Messstation auf dem Dach des Klinikums
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Messgerät auf dem Dach des Klinikums

Pollen fliegen immer früher

Der Pollenflug beginnt seit 1990 immer früher. Schon ab Mitte Jänner wird mit der Messung begonnen: „Als der Pollenwarndienst 1980 begonnen hat, habe ich im Februar nicht gemessen, da wurde die Falle im März aufgestellt. Es war im Februar einfach kein Pollenflug. Um 1995 hat sich das dann schon in den Februar verlagert, jetzt wird es immer früher.“

Auf südseitigen Hängen wie dem Magdalensberg beginne der Pollenflug sogar schon um die Weihnachtsfeiertage, so Zwander. Schon Anfang Jänner könne es so viele Pollen in der Luft geben, dass die Allergiker schon erste Beschwerden bekommen.

Ambrosia Pflanze
R. K. Eberwein
Ragweed oder Ambrosia macht Allergikern das Leben schwer

Früherer und längerer Pollenflug

Der Pollenflug dauert auch länger an. Bei eingeschleppten Pflanzen wie Ragweed oder Traubenkraut dauert der Pollenflug bis in den September. Der Hitzestress vergrößert auch das allergene Potenzial der Pollen. Bäume, denen es an ihrem Standort schlecht geht, scheinen auch mehr allergene Pollen zu produzieren.

Zwander sagte, wie der Klimastress die allergene Wirkung veränderte, sei eine spannende Frage. Das werde in den nächsten Jahren immer wichtiger für die Medizin, denn die Allergien nähmen deutlich zu, die Anzahl der betroffenen Menschen steige, so Zwander.

Habitus der Gräser und Pollenwolke
Helmut Zwander
Gräser

Spezielle Eiweiße in den Pollen sind mit ausschlaggebend für allergische Reaktionen. Man wisse, dass in den Jahren, in denen es einen geringeren Pollenflug gebe, die allergenen Eiweißmoleküle in einem höheren Maß im Pollen vorhanden seien, so Zwander, wobei schon ab 50 Pollenkörnern pro Kubikmeter Luft die Beschwerden beginnen.