Regenwald mit Wasserfall
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Umwelt

Indigene Völker in Brasilien leiden unter CoV

Neben Unruhen und Korruption wird Brasilien auch vom Coronavirus heimgesucht. Johann Kandler vom Klimabündnis Österreich lebte 20 Jahre lang dort. Einer seiner Freunde, Poani Higino Tenório vom Volk der Tuyuca, starb an Covid-19. Dieser war auch in Kärnten zu Gast und berichtete, wie die indigenen Völker in Brasilien leben.

Von den schwierigen Verhältnissen und der CoV-Krise in Brasilien besonders betroffen sind sozial schlecht gestellte Menschen und auch die indigene Bevölkerung. Johann Kandler, der jetzt in Osttirol lebt, arbeitete 20 Jahre lang in Brasilien, elf davon im Amazonasgebiet. Seit 1993 ist er im Klimabündnis Österreich für die Partnerschaft mit indigenen Völkern am Rio Negro zuständig. Bei den regelmäßigen Kontakten hat er viele Freundschaften geschlossen. Der nun verstorbene Freund besuchte Kärnten im Jahr 1995. Bei Veranstaltungen berichtete Poani Higino Tenório, wie sein Volk seit tausenden Jahren am Oberen Rio Negro mit dem Regenwald im Einklang lebt.

Poani Higino Tenório  von den Tuyuca
Raoni Valle
Klimaschützer Poani Higino Tenório starb an Covid-19

Verbesserungen für Indigene erreicht

Die Zusammenarbeit mit dem Klimabündnis Österreich brachte bereits kurze Zeit danach wesentliche Verbesserungen für das Volk der Tuyuca und 22 weitere Völker, die in der Region leben, so Kandler: „Durch die Unterstützung aus Österreich ist es gelungen, 135.000 Quadratkilometer Regenwald als indigene Schutzgebiete anzuerkennen. Damit hatten die Tuyuca die Möglichkeit, nach ihrer Tradition zu leben." Außerdem begannen sie damals, ihre Sprache, die bis dahin nicht schriftlich existierte, aufzuschreiben. Sie erarbeiteten Grammatikregeln und Wörterbücher.

So konnten die Kinder in ihrer Muttersprache alphabetisiert werden. Es wurden auch Schulmaterialien zusammengestellt, so Kandler. Darin sei das traditionelle Wissen über den Regenwald, die Tiere und Pflanzen, indigene Medizin und auch Legenden niedergeschrieben. So entwickelten die Tuyuca und auch Nachbarvölker ganz neues Selbstbewusstsein. Dies war die Grundlage dafür, dass wirtschaftliche Projekte realisiert werden konnten: „Zum Beispiel Fischzuchtprojekte zur Versorgung der einheimischen Bevölkerung in der Region.“

Kaum medizinische Versorgung

Die politischen Veränderungen im letzten Jahr und die Coronavirus-Krise machen den indigenen Völkern momentan besonders zu schaffen, so Kandler. „Für die indigenen Völker im Amazonasgebiet ist die Situation schwierig und wird immer schwieriger, denn langsam dringt das Virus in die letzten Dorfgemeinschaften in den Tiefen des Regenwaldes vor. In diesen Regionen, die hunderte Kilometer von größeren Orten entfernt sind, gibt es größtenteils keine medizinische Versorgung.“

Irmgard Ceesay mit Johann Kandler
Chrisitan Samlhofer
Irmgard Ceesay mit Johann Kandler

Regenwald-Pflanzen gegen CoV

Die Tuyuca sind größtenteils auf sich selbst gestellt. Manche indigenen Völker, wie zum Beispiel jene im Rio Negro Gebiet, kommen jedoch etwas besser mit der Viruserkrankung zurecht. Dort ist die Sterblichkeitsrate etwas geringer als in anderen Regionen Brasiliens. Einen Grund habe man wissenschaftlich nicht feststellen können, so Kandler. Man vermute aber, dass es traditionelle Kräuter aus dem Regenwald seien, mit denen sich die Menschen behandeln.

Immer mehr Goldgräber dringen außerdem in die abgelegenen Dörfer der indigenen Völker ein. In der derzeitigen Wirtschaftskrise stieg der Goldpreis deutlich. Die hohe Arbeitslosigkeit, die durch die Coronavirus-Pandemie verursacht wird, zwinge viele junge Menschen zu diesem gefährlichen Geschäft: „Und damit sind auch indigene Völker angesteckt worden, zum Beispiel im Norden bei den Yanomami ist die Zahl der Goldgräber auf über 20.000 angestiegen.“ In diesen Regionen leben Völker, die bisher noch keinen Kontakt mit der Außenwelt hatten. „Für sie ist das Risiko besonders groß.“

Atemwegserkrankungen durch Brandrodung

Jetzt kommt noch ein Problem dazu: Es beginnt die Zeit der Brandrodungen. Während bereits letztes Jahr im Vergleich zu den Jahren davor die Rodungen um 80 Prozent zunahmen, wird für heuer eine weitere Steigerung vermutet, sagte Kandler: „Im vergangene Jahr waren es 10.000 Quadratkilometer, die gerodet wurden. Heuer rechnet man mit noch mehr, das hat gewaltige Auswirkungen auf das Weltklima, aber vor allem auf die einheimische Bevölkerung.“

Johann Kandler
Johann Kandler
Johann Kandler kennt Land und Leute in Brasilien

Während der Brandrodungszeit sei jedes Jahr vermehrt mit Atemwegserkankungen zu rechnen. Schon im letzten Jahr hätten diese Erkrankungen in den betroffenen Gebieten um 50 Prozent zugenommen, so Kandler. In der Zeit der Rodungen soll es auch immer wieder zu Landraub kommen: „Viele Großgrundbesitzer und Abenteurer, fast eine Art Mafia, organisieren sich für diese Rodungen und eignen sich Land an. Die Regierung unterstützt sie dabei.“

Banken finanzieren Brandrodungen

Außerdem hofft die Agrarindustrie, dass sie wieder gute Geschäfte machen kann. Denn der Soja-, Rindfleisch-, Hühnerfleisch- und Holz-Export aus dem Amazonasgebiet nahm in den letzten Jahren zu. Daher gebe es Interesse von internationalen Agrobusiness-Unternehmen, in Amazonien zu investieren, darunter auch Fleischverarbeiter, so Kandler. Sie bekommen von amerikanischen und europäischen Banken und Investmentfonds das Kapital, das nötig ist, und das ist mit ein Grund für die Zunahme der teuren Rodungen.