Sonnendurchfluteter Regenwald
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Umwelt

Traditionelle Landwirtschaft im Regenwald

Johann Kandler ist vor 20 Jahren in den Amazonas Regenwald gegangen, um den indigenen Völkern die moderne Landwirtschaft nahe zu bringen. Dort hat er dann allerdings gelernt, dass die traditionelle Form der Waldbewirtschaftung nicht nur umweltschonender, sondern auch produktiver ist.

Die Brände im Amazonas Anfang September erschütterten die Welt. Zirka 25 Prozent des Regenwaldes sind durch Brandrodungen und Baumschlag zerstört. Wie Satellitenbilder zeigten, tobte das Feuer mit 33.000 Brandherden. Zwei Drittel des Regenwaldes gehört zu Brasilien, wo Johann Kandler 20 Jahre lange lebte.

1973 kam er in dieses Gebiet, um den indigenen Völkern die moderne, westliche Landwirtschaft näher zu bringen. Die Ureinwohner betreiben dort eine sehr schonende Landwirtschaft, mit nur geringen Rodungen und Mischkulturen. Die westliche Landwirtschaft mit großflächigen Rodungen und Monokulturen zerstört hingegen das Ökosystem dieses artenreichen Regenwaldes.

Regenwald mit Wasserfall
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Johann Kandler: „Die Distanzen sind beeindruckend. Wir haben z.B. verschiedene Familien und Dörfer besucht und mussten stunden- oder tagelang durch den Wald marschieren. Wir waren mit Pferden, teilweise mit Booten unterwegs.“

Indigene Völker haben sich der Natur angepasst

Nicht nur die Distanzen sind für Amazonasexperte Kandler beeindruckend, sondern auch, wie sich die Menschen an den Regenwald und die Natur anpassen, den Wald nützen und die Art, wie sie ihre kleinen Felder anlegen. „Es passiert sehr intelligent, indem sie bei den Rodungen vorsichtig arbeiten und auch beim Abbrennen dieser gerodeten Flächen vorsichtig umgehen, damit zu große Hitze vermieden wird und die Samen nicht abgetötet werden. Dann pflanzen sie sofort Kulturen aus, es sind Kürbisarten, die sich sehr rasch entwickeln und den Boden gegen die Sonneneinstrahlung und heftige Regenfälle schützen.“

Außerdem werden noch Mais, Maniok, Reis und lokale Gemüsesorten angebaut. Somit ist dann ein Feld der Ureinwohner nicht wie bei uns horizontal angelegt, sondern vertikal, das heißt es gibt mehrere Stockwerke. „Dann, nach ein bis zwei Jahren, beginnen sie mehr Obst etwa Bananen hinein zu pflanzen. Denn nach wenigen Jahren sind die Nährstoffe im Boden erschöpft.“

Vertikale Mischkulturen 15 Jahre nutzbar

Diese Mischkulturen können bis zu 15 Jahre genutzt werden. Die riesigen Felder der Großgrundbesitzer im Regenwald Amazonas können nur bis zu acht Jahre Ertrag abwerfen. Das Problem der Weißen seit der Kolonialzeit war, dass sie den Regenwald nicht verstanden haben und mit großen Vorurteilen gegenüber der heimischen Bevölkerung vorgegangen sind und deren Wissen und Erfahrung und Kultur nicht akzeptiert haben.“

Problematisch dabei sind die schweren Geräte, aber auch die großflächigen Rodungen. Johann Kandler: "Weil sie dann die Fläche abbrennen und die Asche, die bei den indigenen Kleinbauern eigentlich der Dünger ist, bei den großflächigen Rodungen durch den Wind abgetragen wird. Damit erschöpfen sich die Böden viel rascher.“

Regenwald mit Wiese
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Die Natur kennt keine Monokultur

Die Weißen legen statt Mischkulturen immer Monokulturen an, sagt Johann Kandler. „Die Mischkulturen sind das Beispiel der Natur, das sie uns gibt. Die Natur kennt keine Monokulturen. Die Pflanzengemeinschaften, die in der Natur existieren, kooperieren ja miteinander.“

Gerade von dieser Pflanzenvielfalt ist Johann Kandler besonders begeistert. „Als ich die ersten Male dort unterwegs war, habe ich bei mir gedacht: der Regenwald ist uninteressant, es sieht alles gleich aus. Aber als ich mit den Einheimischen unterwegs war und auf den Feldern mitgearbeitet habe, und sie uns während der Gehzeiten erklärt haben: das ist jener Baum, der ist gut um Pfähle für das Haus damit zu machen, weil er fast nicht im Boden fault. Der andere Baum ist gut für Holzkohle, zum Kochen – usw.“

Bis zu 400 verschiedene Baumarten

Studien hätten dann gezeigt, dass auf einem Hektar Regenwald bis zu 400 verschiedene Baumarten wachsen. Manche Bäume haben ein Alter von bis zu 500 Jahren und mehr. „Dann haben wir auch gelernt, dass sich der Regenwald in bis zu sieben Etagen aufbaut, die von den Einheimischen unterschieden werden“, erzählt Amazonas-Experte Johann Kandler. In diesen Stockwerken wachsen unterschiedliche Pflanzen, die im Nährstoffkreislauf zusammenarbeiten. Das ist auch wichtig, damit das Ökosystem überhaupt funktionieren kann.

Johann Kandler: "Nachdem im Boden keine Nährstoffe vorhanden sind, hat die Natur es so eingerichtet, dass alle Nährstoffe die noch in den Pflanzen und Tieren vorhanden ist, im System erhalten bleiben und zirkulieren. Deswegen hat man dann auch wissenschaftlich festgestellt, was die Einheimischen schon längst gewusst haben: Dass man Kreisläufe nicht stören darf sondern sie pflegen muss, damit sie erhalten bleiben. Deswegen gibt es ja die Mischkultur auf ihren Feldern.“

Experte lernte viel von den indigenen Völkern

Obwohl Johann Kandler ursprünglich kam, um die indigenen Völker bei der Landwirtschaft zu beraten, lernte er dann vieles von ihnen: "Sie waren sehr höflich und haben gemeint, das sei alles sehr interessant – haben aber nicht gewusst, was ich von ihnen will. Während ich immer mehr Portugiesisch gelernt habe, bin ich draufgekommen, wie intelligent sie Landwirtschaft betreiben und habe dann auch begonnen zu rechnen und festgestellt, dass sie mit ihrer – ‚primitiven‘ Landwirtschaft – wenn man alles zusammenzählt im Laufe der Jahre – viel mehr produzieren, als diese intensive Landwirtschaft, die man ihnen näher bringen wollte.“

Bis zu 15 Gemüse- und Obstsorten anbaubar

Auf einem Feld der Ureinwohner werden zwischen zehn und 15 verschiedene Gemüse- und Obstsorten angebaut. Dazu kommt, dass die indigenen Völker mit der Natur viel schonender umgehen, meint der Amazonasexperte: "Das habe ich auch von ihnen gelernt. Etwa, wie tief und lang die Schnitte bei den Kautschukbäumen sein dürfen, wieviel Saft pro Jahr entnommen werden darf, damit der Baum nicht abstirbt.“

Außerdem haben wissenschaftliche Studien gezeigt, dass auf einem Hektar Regenwald, wenn man ihn stehen lässt, „mehr wirtschaftlich produziert werden kann, als wenn man ihn rodet um dort z.B. Rinder extensiv heranzieht. Das war dann das schlagende Argument, nur die Regierung und die Großgrundbesitzer haben das nie akzeptiert. Es hat sich aber wirklich gezeigt, dass die traditionelle Form der Waldbewirtschaftung viel mehr bringt, den Wald erhhält und die Biodiversität steigert.“