Angeklagter vor Gericht
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Chronik

Mord an Schwangerer: „Bin unschuldig“

Der Mordprozess rund um eine hochschwangere Frau in Paternion hat am Donnerstag im Landesgericht Klagenfurt begonnen. Ihr ehemaliger Geliebter steht vor Gericht. Er bekannte sich vor den Geschworenen „nicht schuldig“. Das Medieninteresse ist enorm.

Bewacht von zwei Justizbeamten und begleitet von Blitzlichtgewitter wurde der Angeklagte am Donnerstag in den Gerichtssaal geführt. Der 36 Jahre alte Kärntner ist wegen Mordes an seiner hochschwangeren Geliebten angeklagt, aber auch wegen Schwangerschaftsabbruchs ohne Einwilligung der Betroffenen. Der Angeklagte, der seit August 2019 in Untersuchungshaft ist, bestreitet die Vorwürfe. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Auch zu Beginn der Verhandlung sagte der 36-Jährige vor den Geschworenen: „Ich bin nicht schuldig“.

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Großes Interesse beim Prozess
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Trotz beschränkter Personenanzahl im Saal war das Interesse enorm
Leere Bänke im Gerichtssaal
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Die Geschworenen mussten – wegen CoV – auf den Publikumsplätzen sitzen
Kameramann im Gerichtssaal
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Auch der ORF berichtet von dem aufsehenerregenden Prozess
Reporterin im Gespräch mit Anwalt im Gerichtssaal
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Journalisten aus Deutschland waren zu dem Prozess angereist
Angeklagter vor Gericht
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Der Angeklagte wurde mit Handschellen vorgeführt
Anwälte des Angeklagten
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Doppelverteidigung für den Angeklagten: Christiane Lanschützer und Manfred Arbacher-Stöger
Prozessauftakt Schwangerenmord
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Dem 36-Jährigen wird der Mord an seiner Ex-Geliebten zur Last gelegt
Gerichtsprozess Auftakt
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Richter Christian Liebhauser-Karl (Mitte) leitet den Geschworenenprozess

Der Angeklagte sagte in seiner Einvernahme wörtlich: „Auf mich wird nur eingedroschen – ich sitze heute da als Unschuldiger – und seit zehn Monaten in U-Haft ohne Grund.“

Alle Plätze vor Beginn der Verhandlung vergeben

Schon vor Prozessbeginn drängten sich viele Journalisten in den großen Schwurgerichtssaal des Landesgerichtes Klagenfurt. Das Medieninteresse ist enorm, auch deutsche Medien waren vertreten. Aus Sicherheitsgründen wegen der Coronavirus-Pandemie dürfen nur 30 Personen im großen Schwurgerichtssaal des Landesgerichtes während der Verhandlung anwesend sein. Alle Plätze waren bereits vor Beginn vergeben.

Kameramann im Gerichtssaal
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Auch der ORF berichtet von dem Prozess, der für zwei Tage anberaumt ist

Staatsanwältin: „Lügenkonstrukt“

Staatsanwältin Tanja Wohlgemuth zeichnete in ihrem Eröffnungsplädoyer detailliert die Beziehung zwischen dem Angeklagten und dem Mordopfer nach. So hatte sich zwischen den beiden eine Affäre entwickelt – die 31-Jährige war alleinerziehende Mutter von drei Kindern, der 36-Jährige verheirateter Familienvater. Als seine Geliebte schwanger wurde, habe er sie zu einem Schwangerschaftsabbruch gedrängt, sagte Wohlgemuth: „Er hat ihr auch eine Einmalbezahlung angeboten.“

Es sei auch nicht die erste Geliebte gewesen, die der Mann gehabt habe. Als eine Kollegin von ihm dem Angeklagten mitteilte, dass sie schwanger sei und wollte, dass sich der Angeklagte zu ihr bekennt, habe der Angeklagte schlimmste Drohungen ausgestoßen: Er werde die Frau und ihren Ehemann zerstören, er werde richtig durchdrehen und es sei ihm egal, wenn er dafür „sitzen“ gehe. „Schon damals begann das Lügenkonstrukt des Angeklagten zu schwanken“, sagte Wohlgemuth, der 36-Jährige wollte die Affäre geheim halten.

Turbulente Affäre mit Arbeitskollegin

Die ehemalige Freundin des Angeklagten, den sie in der Firma kennengelernt hatte, wollte nicht in Anwesenheit des Angeklagten reden und brach immer wieder in Tränen aus. Am Anfang sei die Beziehung schön gewesen, man sei „auf einer Wellenlänge“ gewesen. Begonnen hatte das Verhältnis im Mai 2018, im Juli 2019 sei die Affäre beendet gewesen.

Zu diesem Zeitpunkt sei sie von ihm schwanger gewesen, sagte die Frau. Als sie ihm dies mitgeteilt hätte, habe er gleichgültig reagiert. Richter Christian Liebhauser-Karl erklärte ihr, der Angeklagte habe ausgesagt, sie hätte gelogen und sei gar nicht schwanger gewesen. Diesen Vorwurf wies sie empört zurück, mit so etwas würde sie niemals „einen Schmäh machen“. Im August habe sie dann das Kind verloren, sie habe einen Blutsturz gehabt und sei danach zu ihrer Gynäkologin gegangen.

Abfällig über Ehefrau geredet

Die Zeugin berichtete, der Angeklagte habe teilweise sehr abfällig über seine Ehefrau geredet. Er habe gesagt, seine Frau sei ein Krebsgeschwür, er würde seine Frau am liebsten schlachten, das könne er aber nicht. Sie sei für ihn sexuell nicht mehr interessant. „Ich war schockiert, dass er so etwas über seine Frau sagt“, meinte sie. Trotzdem habe sie die Beziehung nicht beendet, „ich war so gefangen von ihm, dass ich ihm alles geglaubt habe“. Sie habe alles durch die rosarote Brille gesehen und sich selber nicht mehr gekannt. Als sie dann schwanger gewesen sei, habe sie eine Entscheidung von ihm verlangt: „Ich wollte mich nicht monatelang von ihm hinhalten und erpressen lassen“.

Auch ein Mithäftling des Angeklagten wurde als Zeuge vorgeführt, er sitzt wegen schweren Raubes im Gefängnis. Ihm habe der ehemalige Schiedsrichter erzählt, dass die ermordete hochschwangere Frau „nichts anderes als den Tod verdient habe“, und dass er auch noch auf sie drauf gestiegen sei, diese Aussage tätigte der Häftling unter Wahrheitspflicht. Die Staatsanwaltschaft wertete dieses Zitat als indirektes Geständnis.

Mutter des Opfers: Alles für’s Baby bereit

Befragt wurde auch die Mutter des Opfers. Sie erzählte, ihre Tochter habe gesagt, dass es ihr ganz wichtig sei, dass in der Geburtsurkunde ein Kindesvater stehe, denn jedes Kind habe ein Recht darauf, zu wissen, wer der Vater ist. Die Tochter habe sich sehr auf das Kind gefreut: „Sie hat für das Baby alles gerichtet, es war Nahrung da, Windeln, ein Gitterbett und ein Kinderwagen. Es war alles angerichtet, es brauchte nur noch zu kommen.“ Auf die Frage, wie der Vater auf die Schwangerschaft reagiert habe, hätte die Tochter gesagt: schlecht.

Der Vater des Opfers sagte, er habe ein enges Verhältnis zu seiner Tochter gehabt. Er habe gewusst, dass sie von einem verheirateten Mann schwanger war. Sie habe ihm auch gesagt, dass der Kindsvater eine Abtreibung haben wollte. Als sie dies abgelehnt habe, hätte er ihr angeboten, ihr eine einmalige Zahlung von 18.000 Euro zu leisten, wenn der Kindesvater nicht genannt werde.

Zweite Affäre führte zu Eskalation

Dass seine zweite Affäre, das spätere Mordopfer, ihr Kind bekommen wollte, brachte die Lage zum Eskalieren, so Staatsanwältin Wohlgemuth. Nach einem Fußballspiel am 16. August, bei dem er als Schiedsrichter im Einsatz gewesen war, setzte sich der Angeklagte ins Auto und fuhr anstatt nach Hause nach Klagenfurt in die Oberkärntner Ortschaft Feffernitz, wo seine Geliebte wohnte.

„In der Wohnung tötete er die Hochschwangere in Anwesenheit ihrer schlafenden Kinder“, so Wohlgemuth weiter. Er habe auf sie eingeschlagen und sie an Kopf und Brustkorb verletzt. „Danach zerrt er sein Opfer in die Badewanne und befüllt sie mit Wasser, um Spuren zu vernichten“, so Wohlgemuth weiter, „noch während das Wasser rinnt, läuft er zu seinem Auto.“

Das Mehrparteienwohnhaus, in dem die Frau getötet wurde
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In diesem Haus wurde die Tat verübt

Schuhe passen zu Spuren am Tatort

Die Staatsanwältin verwies auf eine Reihe von Beweisergebnissen, die den Angeklagten belasten würden. So habe er kurz nach der Tatzeit einen Anruf entgegengenommen, der Anruf wurde über einen Funkmasten nahe des Tatortes aufgebaut. Zwei Zeugen hätten eine Personenbeschreibung abgegeben, die auf den Angeklagten passe. Auf einem T-Shirt des Mannes wurde eine DNA-Spur des Mordopfers gefunden.

Außerdem wurden im Müll vor der Klagenfurter Wohnung des Angeklagten Schuhe gefunden, die zu Spuren am Tatort passen würden und dem Angeklagten zugeordnet werden. Außerdem hätte der Mann, der seit August 2019 in Untersuchungshaft sitzt, gegenüber einem Mithäftling die Tat gestanden.

Anwälte des Angeklagten
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Der Angeklagte wird von zwei Anwälten vertreten: Christine Lanschützer und Manfred Arbacher-Stöger

Anwalt: „Schwein, aber kein Mörder“

„Nur weil er in der Gegend gewesen ist, ist er noch lange kein Mörder“, replizierte Manfred Arbacher-Stöger, der Verteidiger des Angeklagten, auf den Eröffnungsvortrag der Staatsanwältin. Die Beweislage sei ganz und gar nicht so klar, wie sie es dargestellt habe. So würden die Täterbeschreibungen der Augenzeugen nicht zu seinem Mandanten passen. Er verwies außerdem auf eine DNA-Spur, die beim Mordopfer gefunden wurde. Diese würde weder zu einem der Ersthelfer noch zu dem Angeklagten passen.

„Dass er in der Ehe ein Schwein war – da ist er hundertprozentig schuldig. Das reiche aber nicht für eine Verurteilung wegen Mordes“, meinte der Verteidiger des 36-Jährigen. Auch die Nachrichten, die der Mann an seine erste Affäre geschickt hatte, seien keine Beweise: „Zwischen einer Drohung und einem Mord – da liegen Welten, wenn nicht Galaxien dazwischen.“

Was ist am 17. Juni passiert?

Das Opfer, eine 31 Jahre alte mehrfache Mutter, war in der Nacht auf den 17. August in Paternion, Bezirk Villach Land, getötet worden. Nachbarn der Frau hatten die Polizei gerufen, nachdem sie Lärm aus der Wohnung der Familie gehört und kurz danach einen Mann weglaufen gesehen hatten. Die Beamten fanden die Frau tot in ihrer Badewanne. Zwei Tage später wurde der damals 35-Jährige in Untersuchungshaft genommen.

Ehefrau verweigerte Aussage

Die Ehefrau des Mannes macht heute von ihrem Recht Gebrauch, die Aussage vor Gericht zu verweigern. Der Prozess am Landesgericht unter Vorsitz von Richter Christian Liebhauser-Karl wurde auf Freitag vertagt. Da werden weitere Zeugen vernommen und die Sachverständigengutachten erörtert. Das Urteil wird für Freitag erwartet.