Betäubter Hirsch Klausi beim Besendern
Günter Hofer-Moser
Günter Hofer-Moser
Wissenschaft

Hirsch Klausi auf Wanderschaft

Im Zuge eines Forschungsprojekts im Drautal ist das Wild im Winter nicht mehr gefüttert worden. Zur großen Überraschung blieb das große Rotwildsterben aus. Hirsch Klausi ist in zwei Jahren tausend Kilometer unterwegs gewesen.

Ausgehend vom Forstgut Foscari im Drautal bekam Wildbiologe Horst Leitner den Auftrag, die Veränderungen durch das Ausbleiben der Wildfütterung zu dokumentieren. Dafür wurden die Wege einzelner Tiere über am Hals angebrachte Sender verfolgt. Hirsch Klausi zum Beispiel sticht dabei durch seine Wanderschaft im Gebiet der Kreuzeckgruppe besonders hervor.

Die Wanderroute von Hirsch Klausi von März 2018 bis Jänner 2020
Büro für Wildökologie und Forstwirtschaft
Klausis Leben als Weg-Zeit-Diagramm. Wie sich zeigt, kommt der Hirsch ganz schön viel herum. Die Striche auf der Landkarte markieren den Weg

Forschungsprojekt wurde österreichweit rezipiert

Leitner: „Die Berichterstattung war ja wirklich so weitgreifend, dass es in Österreich fast keinen Jäger mehr gibt, der nicht von dem Projekt gehört hat. Das Projekt wird unterschiedlich interpretiert und aufgefasst, der Großteil der Kärntner Jäger kennt die Situation vor Ort und weiß, dass Rotwild auch ungefüttert ganz gut durch den Winter kommen kann. In anderen Regionen Österreichs ist das Verständnis zum Teil nicht so gegeben.“ Das sei zum Beispiel nördlich der Alpen der Fall, „wo es vielleicht noch ganz andere Winter gibt und mehr Schnee liegt und man sich nicht vorstellen kann, dass Rotwild ungefüttert leben kann und keine Schäden macht“.

Klausi auf Wanderschaft

Eine Animation zeigt die Wanderung von Hirsch Klausi
Wildökologie

Trotzdem wollen immer mehr Jäger und Förster wissen, was in ihren Revieren passiert, es gibt weitere Aufträge. Das nächste Forschungsprojekt führt auf Gerlitzen und Mirnock und ist auf drei Jahre ausgerichtet, so Leitner: „Die Familie Ahammer hat ein Förderprojekt beantragt. Es wird mit Geld der ländlichen Entwicklung gefördert, Initiator war der Bezirksjägermeister Wolfgang Oswald. Wir machen die fachliche Betreuung.“ Das Projekt soll Erkenntnisse zum Wildbestand, zur Schadenssituation, aber auch zum Lebensraum des Rotwildes bringen. Es geht diesmal um ein noch größeres Beobachtungsgebiet als um jenes am Weissensee. „Insgesamt sind sieben Gemeinden mit 32.000 Hektar und 60 Jagdgebiete sowie 1.000 Grundeigentümer betroffen.“

Betäubter Hirsch Klausi beim Besendern
Günter Hofer-Moser
Dem betäubten Hirsch wird der Sender angelegt – kurz darauf ist er schon wieder putzmunter und kann seine Wanderschaft fortsetzen

Rotwild wird gelockt, gefangen und besendert

Erneut soll durch die Bewegung des Rotwildes etwas über den Lebensraum der Tiere in Erfahrung gebracht werden. Doch erst einmal heißt es, 20 Tiere zu fangen: „Gerade im heurigen Winter – ein Winter ohne Schnee – ist das gar nicht so leicht. Der Plan sieht vor, das Rotwild zu fangen. Es gibt Fallen dafür: Das ist ein Bretterverschlag, der sichtdicht und ungefähr raumgroß ist, wo wir versuchen, das Rotwild mit Futter hineinzulocken. Aber wenn rundherum kein Schnee liegt, ist das gar nicht so einfach“, so Leitner – weil es eben rundherum genug Futter gibt. Dennoch sei es bereits gelungen, zwei Tiere zu fangen und zu besendern.

Lebensraum Wald birgt noch viele Geheimnisse

Ziel ist es, den „Lebensraum Wald“ kennenzulernen, so Leitner. Auch wenn der Wald einem vertraut scheine, berge er noch viele Geheimnisse. „Nicht alle Jäger sind hundertprozentig dabei, wir konnten aber viele Reviere für das Projekt begeistern, und auch die Gemeinden unterstützen uns. Das Ziel ist ja, einen gesunden Wald und einen gesunden Wildbestand zu erhalten. Der Wald ist durch die Berichterstattung wieder sehr im Fokus. Wir kommen wieder drauf, wie wichtig ein gesunder Wald ist, damit wir in den Alpen gut leben können.“

Hirsch Klausi ist im Internet beobachtbar

Ein gutes Beispiel für das Verhalten des Rotwildes liefert Hirsch Klausi. Er ist ein Junghirsch, etwa zwei Jahre alt und hat in Penk im Mölltal einen Sender um den Hals bekommen. Sein Weg durch die Kreuzeckgruppe bis nach Osttirol und ins Obere Drautal ist im Internet gut zu verfolgen – man kann quasi mit dem Hirsch mitreisen. Seinen Namen hat er von Nationalparkranger Klaus Eisank – der Nationalpark ist ja auch Auftraggeber des Monitorings.

Hirsch Klausi
Jürgen Schwarzl
Hirsch Klausi wurde immer wieder von Jägern beobachtet

„Man sucht sich Namen für die Tiere aus, weil das für die Präsentation um einiges leichter ist“, so Forstwirt und Wildökologe Severin Walcher. Er widmet sich Klausis Beobachtung. Im Mölltal wurde der Hirsch mit Hilfe des Jagdvereins St. Hubertus Penk gefangen, betäubt und besendert. Seit März 2018 „sendet“ Klausi seine Position. Man hatte zuerst vermutet, er werde nach Mallnitz ins Seebachtal wandern. Doch Klausi hat offenbar seinen eigenen Kopf, „es zog ihn im Sommer in ein kühles Seitental des Mölltales – die Teuchl – danach bewegte er sich entlang der Bergkuppen und äst dort das frische Almgras“.

Hirschbrunft erfolgt auf kleinem Gebiet

Man sieht im Internet, wohin es den Hirsch treibt, manchmal verschwindet er allerdings in einem Funkloch, er wird quasi in der Kreuzeckgruppe „unsichtbar“. Auch im Herbst 2018 war Klausi umtriebig und wanderte viele Kilometer westwärts. „Er ist von seinem Sommereinstand aus der Inneren Teuchl über den ganzen Bergrücken der Kreuzeckgruppe bis raus nach Zwickenberg gezogen, um dort an der Hirschbrunft teilzunehmen.“

Hirsch Klausi
Jürgen Schwarzl
Hirsch Klausi mit gelbem Sender um den Hals

Der Hirsch hat einige Brunftplätze abgesucht, ist dann aber in einem relativ kleinen Gebiet geblieben. Im Winter 2018/2019 wurden die Striche auf der Landkarte – und damit Klausis Wegrouten – wieder deutlich kürzer. Für Severin Walcher nur logisch: „Er ist nicht zum Besenderungsstandort in Penk zurückgezogen, sondern hat sich auf die Südseite über Rangersdorf in den Wald gestellt. Er hat sich in 1.600 Meter Seehöhe einschneien lassen, was Rotwild gerne macht, und ist dann im Frühjahr wieder leicht talwärts gezogen.“

Hirsch legte 1.000 Kilometer binnen zwei Jahren zurück

1.000 Kilometer legt Klausi in fast zwei Jahren zurück – ein junges mobiles Tier also. Wildökologe Walcher: „Er legt fünf Kilometer pro Nacht zurück.“ Sein jetziger Lebensraum liegt bei Berg im Drautal. „Der Schneefall hat ihn vermutlich überrascht und nach Berg im Drautal runtergedrückt. Im Moment steht er schattseitig – weil er dort mehr Ruhe genießt als sonnenseitig, wo der Tourismus doch eine große Rolle spielt.“

Am Beispiel Klausi hat sich gezeigt, welche weiten Strecken ein Hirsch in kurzer Zeit zurücklegen kann. Wildökologe Walcher: „Es zeigt auch, dass man ein Gebiet hat wie die Kreuzeckgruppe, die nicht zersiedelt ist, wo es keine Straßen gibt, dass dieses Gebiet vom Rotwild doch relativ großflächig ausgenutzt wird. Sein Revier umfasst 30.000 Hektar. Er hat sich mittlerweile durch 45 Jagdreviere bewegt.“