Tempo 70 wird gefordert
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„Aufgezeigt“: Kampf um Tempo 70

Im September ist es in Timenitz zu einem Horrorunfall gekommen. Ein Auto flog durch die Luft, streift eine Mutter und ihr Baby, zerschmettert einen Pool und landete im Nachbargarten. Genau an der Unfallstelle kämpfen die Anrainer seit Jahren um Tempo 70, derzeit sind 100 Km/h erlaubt.

Das Aufgezeigt-Team traf sich mit Udo Miesenböck im Garten seines Hauses in Timenitz (Gemeinde Magdalensberg) neben den beiden hellbraunen Zaunelementen, die nach dem Unfall aufgebaut wurden. „Es hat das Auto ausgehoben, den Zaun und den Pfosten hat es weggerissen. Die Familie befand sich innerhalb des Bereichs. Als das Auto mit dem Wasser im Pool in Berührung gekommen ist, hat es sich aufgestellt. Dann hat es noch eine Thuje und Betonsockel weggerissen, bevor es zum Liegen gekommen ist. Fürchterlich“, sagte Miesenböck.

Blick vom ehemaligen Pool in Richtung Straße
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Udo Miesenböck zeigt Aufgezeigt-Redakteurin Gudrun Maria Leb in welcher Höhe das Auto an der in der Wiese sitzenden Familie vorbei in den Pool flog

Frau und Kind verletzt

Für die junge Familie war das ein Schock. Sohn Samuel, seine Freundin und das Baby waren am Pool. „Meine Freundin und mein Kind sind mit dem Rücken zum Zaun gesessen. Meine Freundin hat das Kind beschützt, was sie genau getroffen hat, kann ich nicht sagen, das habe ich nicht gesehen. Wir sind dann mit dem Rettungsauto ins Krankenhaus gefahren, da haben sie bei der Kleinen eine leichte Gehirnerschütterung festgestellt. Sie musste die Nacht in der Intensivstation verbringen“, so Samuel Dullnig.

Seine Freundin wurde mit einer schweren Gehirnerschütterung in einem anderen Flügel des Klinikums untergebracht. „Den beiden geht es besser, sie sind wieder erholt. Es geht bergauf“, so Dullnig. Noch immer sind Spuren des Unfalls deutlich zu sehen. Der Schaden sei gedeckt, sagte die Haftpflichtversicherung der Unfalllenkerin zu. Auch, wenn der Unfall jetzt drei Monate her ist, es bleiben gemischte Gefühle, sagte Udo Miesenböck. "Wir haben das Problem, dass wir uns in dem Teil des Gartens eigentlich nicht mehr aufhalten trauen. Man hat immer ein ungutes Gefühl und das nagt schon.

Anrainer
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Anrainer Udo Miesenböck: Noch immer gemischte Gefühle

Lange Forderungen nach Tempo-70

Schon vor dem Unfall forderte Udo Miesenböck immer wieder Tempo 70 für die Timenitzer Landesstraße. Es war auch nicht der erste Unfall vor seiner Haustüre. „Es hat auch zwei andere Unfälle gegeben, wo einer bei einem 80. Geburtstag im Nachbargarten reingeschossen ist und einen Fahranfänger hat es auf der Straße zu einem Baum gedreht“. Weitere zwei Unfälle mit Verletzten passierten in diesem Bereich in den letzten 15 Jahren, bestätigte Bürgermeister Andreas Scherwitzl (SPÖ).

Tempo 70 wird hier schon ewig eingefordert, auch vom Bürgermeister. „Hier sind mehrere Wohnobjekte, die müssen geschützt werden. Daher ist es angebracht, in so einem Gefährdungsbereich eine 70 Km/h-Geschwindigkeitsbeschränkung anzubringen. Wir haben die Forderung erneuert, es hat die verkehrsrechtliche Verhandlung gegeben, die Argumente sind die gleichen geblieben. Sichtsituation ist gegeben, Straßenbreite ist gegeben, daher wäre eine Beschränkung nicht angebracht.“

Bürgermeister
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Auch Bürgermeister Andreas Scherwitzl (SPÖ) fordert für dieses Straßenstück eine 70 km/h-Beschränkung

Bürgermeister: „Weiter bohren“

Scherwitzl will weiter „bohren“, wie er sagte. "Man darf aber jetzt als Bürgermeister nicht zum „Querulanten" werden, aber wir werden neue Anträge stellen und die Situation weiter beobachten. Es geht aber nicht, dass wir jedes Monat einen Antrag stellen, weil dann erklärt mich die Behörde irgendwann für verrückt“, so Scherwitzl. Das Problem dabei, die Timenitzer Straße ist eine Landesstraße und da kann sich der Bürgermeister zwar ein Tempo-Limit wünschen, durchsetzen kann er es aber nicht.

Dieser Betonsteher wurde ausgerissen
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Der Betonsockel wurde durch die Wucht des Unfalls abgerissen

Leitner: Reduzierung nicht gerechtfertigt

„Aufgezeigt“ fragte bei der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt Land nach. „Unmittelbar nach dem Unfall am 1. September hat es einen Ortsaugenschein gegeben. Daran haben unter anderem ein Verkehrstechnischer Amtssachverständiger, der dezidiert in seinen Ausführungen gesagt hat, dass eine Reduzierung der 100-Km/h-Begrenzung fachlich nicht gerechtfertigt ist“, so Bezirkshauptmann Johannes Leitner.

Insgesamt geschahen mit dem aktuellen Vorfall fünf Unfälle in diesem Bereich . Reicht das nicht dafür aus, ein Tempo-Limit zu überlegen? „Nach den Vorgaben sagt man, dass ca. zwei bis drei Unfälle innerhalb von zwei bis drei Jahren zu einer Unfallhäufigkeit führen. Das ist hier nicht der Fall. Das heißt, dass diese Stelle nicht als erhöhte Gefahrenstelle zählt“, so Leitner.

Anwalt
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Die Stelle gilt nicht als erhöhte Gefahrenstelle sagte Bezirkshauptmann Johannes Leitner

Viele Prüfungsparameter

Es gibt viele Parameter, die von den Verkehrssachverständigen geprüft werden müssen, sagte Leitner. „Da gelten die Sichtverhältnisse, es gelten die Fahrbahnbedingungen. Kann man dort überhaupt erhöhte Geschwindigkeiten fahren. Es gilt die Nähe der Anrainer zur Straße, es geht auch um die Einsichtbarkeit auf die Straße. Es gilt den Verkehrsfluss zu beurteilen und die Unfallhäufigkeit. Auch Lärm und Emissionen. Letztendlich fußen alle diese Elemente in einem Gutachten, nach dem wir als Behörde vorzugehen haben“. Man mache sich die Entscheidung auf gar keinen Fall leicht.

Blick auf das gefährdete Haus
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Ein neues Gefahrenzeichen soll auf Ausfahrten hinweisen

Leitschiene und größere Gefahrenzeichen

Die Anrainer haben im Verfahren keine Parteienstellung, also nichts mitzureden, und sie müssen die Entscheidung der Behörde akzeptieren. Es gibt schlichtweg kein Rechtsmittel dagegen. Trotzdem nehme man die Anrainer sehr ernst, so Leitner. „Sie müssen sich vorstellen, da kommt ein Auto durch die Hecke, streift einen Pool, landet im Garten, verletzt Menschen. Das ist ganz etwas Schreckliches und das ist unsere Aufgabe als Behörde, das auch ernst zu nehmen. Jedoch müssen wir sachlich und fachlich erkennen und nicht aus Emotionen heraus, weil wir verschiedene Gesichtspunkte zu prüfen haben“, so Leitner.

Sendungshinweis:

„Aufgezeigt“ in Radio Kärnten, 26.11.2019

„Es bleibt aufgrund des Gutachtens bei Tempo-100 in diesem Bereich. Es wurde eine Leitschiene vorgeschlagen, die wurde auch sofort errichtet. Es werden demnächst auch noch größere Gefahrenzeichen angebracht“, so Leitner. Bei diesen Zeichen handelt es sich um ein „Achtung Ausfahrten“-Schild, das einige hundert Meter vor der Unfallstelle steht. Für Anrainer Udo Miesenböck ist das nicht genug. „Nicht gut, weil ich bin mir sicher, dass Tempo-70 sehr viel bringen würde. Der 100er ist einfach zu viel. Wenn man die 100 km/h nicht einhält, dann sieht man eh, was passiert“.