Pappelwald Pioppeta
Pixabay/Luca Gironi
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Nutzholz aus Pappeln: Fluch oder Segen?

In unseren Breiten werden Neophyten, also eingeschleppte Pflanzen, die sich massiv ausbreiten und heimische Arten verdrängen, bekämpft. In der italienischen Region Friaul Julisch Venetien hingegen gibt es großflächige Pappel-Plantagen. Deren Auswirkungen auf das Erdreich seien laut Experten langfristig schwer einschätzbar.

Um Udine und südlich davon, in der unteren friulanischen Tiefebene, der bassa friulana, sind sie häufig anzutreffen: Baumreihen, die aussehen wie auf dem Reißbrett geplant – die Stämme ragen kerzengerade, wie Zinnsoldaten – einer neben dem anderen, meterhoch in den Himmel. Es handelt sich dabei um Pappeln.

„Pioppicoltura“ wird der gezielte Anbau der Bäume auf Italienisch genannt. Seit Jahren wird er von der Region Friaul Julisch Venetien gefördert. Das weiche Holz der Pappeln wird in erster Linie zur Energiegewinnung genutzt. Aber auch Zündhölzer, Einwegbesteck, Spanplatten, Pellets und Hackschnitzel werden daraus gemacht.

Experte: Umweltgedanke oft zweitrangig

Der gut durchfeuchtete, lehmige Boden dieser Gegend lässt die dünnstämmigen Pappeln rasch in die Höhe schnellen. 15 bis 20 Jahre brauchen sie, bis sie „erntereif“ sind. Im Vergleich zu anderen Baumarten eine relativ kurze Zeitspanne. Viele Grundstücksbesitzer hoffen aus diesem Grund auf große Erträge – mit wenig Aufwand und seltenem Krankheitsbefall, sagt Helmut Zwander. Vom Naturwissenschaftlichen Verein für Kärnten. Der Umweltgedanke werde dabei oft hintan gestellt.

„Hybridschwarm“ mit unsicheren Zukunftsprognosen

Eine richtige Artbestimmung sei bei diesen Pappelalleen schwierig, so der Experte. Im Fachjargon ist von einem sogenannten „Hybridschwarm“ die Rede: „Prinzipiell hat es damit angefangen, dass man vor einigen Jahrzehnten aus Amerika eine Pappelart nach Europa importiert hat. Diese Deltoidpappel hat sich mit der in Friaul und auch in Kärnten heimischen Schwarzpappel vermischt. Es entstanden Hybridschwärme. Man hat sehr schnell gesehen, dass diese Hybriden sehr viel raschwüchsiger sind und sehr gute Eigenschaften haben. Sie wachsen besonders gut, wenn der Pollen – also der Vater – von einer Schwarzpappel kommt und die Mutter die amerikanische Pappel ist.“

Sendungshinweis:

„Radio Kärnten Mittagsjournal“, 20.10.19

Die dabei entstandenen Hybridpappeln werden heutzutage vorwiegend in Friaul Julisch Venetien angepflanzt. Für die Vermehrung können laut Zwander Stecklinge verwendet werden: „Wenn ich einmal eine sehr gute Pappelhybride habe muss ich sie nicht über die Früchte vermehren, sondern ich kann einfach Stecklinge machen. Die Eigenschaften gehen dann zu hundert Prozent von der Mutterpflanze auf die Kinder über.“ Man sage dazu auch „Klone“, weil sie genetisch eigentlich zu hundert Prozent einheitlich seien. „Deswegen sehen sie auch völlig gleich aus. Alle sind circa gleich groß und nach einigen Jahren auch gleich dick. Man kann sagen, sie sind so wie eineiige Zwillinge“, so der Experte.

Von Botanikern werden die großen Pappelbestände allerdings nicht unbedingt mit großer Freude gesehen, sagt Zwander: „Natürlich ist die Pappel in Friaul nicht zu Hause. Sie ist ein Neophyt kann man sagen. Sie neigt auch zur Ausbreitung. Sie ist teilweise invasiv. Sie bleibt nicht in den Plantagen und erobert auch andere Areale. Wie das in Zukunft weiter gehen wird das weiß keiner.“

Überlebensgrundlage für Tiere fehlt

In Kärnten gebe es noch keine vergleichbar großen Hybridschwärme an Pappeln wie in der Nachbarregion, so Zwander. Das liege mitunter daran, dass sie ein etwas milderes Klima mit wenig Wind bevorzuge.

Ein reiner Pappelwald biete heimischen Tierarten allerdings wenig Grundlage zum Überleben, gibt Zwander zu bedenken: „Ein Pappelwald oder eine Plantage ist für das Ökosystem und die Biodiversität nichts anderes als eine Monokultur, wie bei uns Mais oder Soja. Von der Ökologie her wir das nicht mit großer Freude gesehen.“

Für Zwander liegt der Vergleich mit dem tropischen Regenwald nahe: „Wir wollen den Kaffee haben, wir wollen den Orangensaft haben, wir wollen die Aluminiumdosen haben und zugleich wollen wir haben, dass niemand den Urwald rodet. Das ist natürlich bei der Pappel ganz das Gleiche. Die Leute brauchen Pellets und Hackschnitzel; es werden Spanplatten daraus gemacht, auch Paletten und Steigen werden aus Pappelholz gemacht. Das ist die Kehrseite der Medaille."

Langzeitfolgen schwer absehbar

Außerdem sei nicht absehbar, welche Langzeitfolgen solche Plantagen für das Erdreich mit sich bringen, sagt Zwander: Die Pappel gehört – neben der Weide – zur Familie der Weidengewächse. Ihre Ausbreitung könne – langfristig gesehen – mitunter fatale Folgen haben: „Sowohl die Weide, als auch die Pappel erzeugen in allen Teilen Salicylsäure, die wir von der Acetylsalicylsäure kennen, die in vielen Medikamenten enthalten ist. Natürlich wird die Salicylsäure über die Wurzeln im Boden abgeschieden. Es ist momentan noch ein großes Fragezeichen, was das für den Boden bedeutet, wenn dort Salicylsäure angereichert wird.“

Auch chemische Mittel zur Unkrautvernichtung, sogenannte Herbizide, kämen häufig zum Einsatz, sagt Zwander: "Wenn das nicht der Fall ist gibt es dort Massenwucherungen von irgendwelchen Brombeerarten, die sich anscheinend gut unter den Pappeln zurecht finden können. Wenn dort lauter Brombeersträucher sind – wie soll dann geschlägert werden? Da kommt man ja kaum durch. Da muss man dann auch wieder zuerst mit irgendwelchen Geräten die Brombeeren entfernen.“

Aus botanischer Sicht wäre auch in Friaul ein typischer Mischwald mit Eschen, Ahorn, Linden, Ulmen, sowie Vogel- und Kornelkirsche sinnvoller und würde der dort heimischen Tierwelt eine wichtige Nahrungsgrundlage und Lebensraum bieten, sagt Zwander.