Verkohlter Fensterrahmen
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Aufgezeigt: Versicherungsstreit nach Brand

Nach dem Vollbrand ihres Hauses vor zweieinhalb Jahren streitet Yulia Haybäck noch immer mit ihrer Versicherung. Bis heute ist der 600.000 Euro-Schaden nicht endabgerechnet. Vor Gericht wird um 100.000 Euro gestritten.

Partyköchin Yulia Haybäck ist nach dem Vollbrand ihres Hauses vor zweieinhalb Jahren in Köstenberg völlig entmutigt. Grund dafür ist die VAV-Versicherung, die den Brandschaden bis heute nicht endabgerechnet hat. Laut Yulia Haybäck sind noch rund 100.000 Euro offen, sie klagte dies auch ein. Der Prozess zieht sich hin, auf Vergleichsangebote ist die VAV nicht eingestiegen.

Partyköchin Yulia Haybäck in ihrer Küche beim Kochen
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Yulia Haybäck in ihrer neuen Küche

Neurodermitis-Schübe und schlaflose Nächte

Nur wenn Haybäck kocht, vergisst sie den Ärger mit der Versicherung. Ihr Mann, Andreas Kavalirek, liefert alles, was für das Verfahren notwendig ist und versteht nicht, warum die VAV keinem Vergleich zustimmt. Er sagt, er habe kein Vertrauen mehr zu einer Versicherung. Seine Frau sagt, sie wünsche niemandem, soetwas erleben zu müssen: "Ich glaube niemand kann sich vorstellen, wie viele schlaflose Nächte und nervliche Anspannung das bedeute und wie viel Angst übrig bleibe. Tatsächlich leidet Yulia Haybäck an heftigen Neurodermitis-Schüben.

Zunächst schätzte der VAV Sachverständige den Brandschaden zu niedrig ein. Yulia Haybäck beauftragte dann Reinhard Jesenitschnig, einen Versicherungsexperten, der sofort einen zweiten Sachverständigen holte. Die VAV-Versicherung erkannte dann den korrigierten Gebäudeschaden an und bezahlte ihn auch weitgehend aus – nicht aber den Inhaltsschaden, also Möbel, Hausrat, Bekleidung, Bücher, Bilder usw.

Teile des durch den Brand beschädigten Hauses
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Noch nicht renovierter Teil des Hauses

Versicherung beruft sich auf Zeitwert

Laut Jesenitschnig sei damals seitens der Versicherung die Höhe dieses Schadens nicht festgestellt worden, „obwohl sie rechtlich dazu verpflichtet wäre.“ Das Ehepaar erstellte vom gesamten Inhalt des Hauses eine Liste. Demnach beträgt der Schaden mehr als 210.000 Euro. Die Haushaltsversicherung war aber zu niedrig und deckt maximal 133.000 Euro davon.

Sendungshinweis:

„Aufgezeigt“, 18. Juni 2019

Deshalb erhebt VAV die Inhaltsschaden gar nicht, sie lässt aber auch die Liste des Ehepaares nicht gelten und berechnet die Entschädigung, also den Zeitwert, einfach anhand der maximalen Versicherungssumme. 60 Prozent Entschädigung von 133.000 Euro errechnet die VAV und bezahlt 80.000 Euro.

Andreas Kavalirek und Yulia Haybäck
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Andreas Kavalirek und Yulia Haybäck

Versicherungsexperte: „Noch nie soetwas erlebt“

Andreas Kavalirek und Yulia Haybäck verstehen das nicht. Sie sagen, wenn man etwas zum Beispiel um eine Million Euro versichern lässt und einen Schaden von 500 Euro habe, der Zeitwert aber von der Million errechnet werde, sei dies erfreulich. Mit einem Schaden pro Jahr müsse man nicht mehr arbeiten gehen.

Haybäck findet diesen Ansatz total abstrus. Auch der Versicherungsexperte Reinhard Jesenitschnig sagt, er habe eine Zeitwert-Berechnung dieser Art noch nie zuvor erlebt: „Das ist völlig unhaltbar. Es werden die eigenen Bedingungen dieser Versicherung vom eigenen Referenten völlig falsch interpretiert.“ Das strikte Zurückziehen auf rechtlich falsche Standpunkte und eine anschließende fehlende Rekation seien für ihn komplett unverständlich: „Ich habe das in 40 Jahren Berufsleben nie erlebt.“

Die VAV weigert sich auch noch, die Kosten für die Ersatzwohnung des Ehepaares zu übernehmen. Das Haus war ja monatelang nicht bewohnbar. Deshalb klagte Yulia Haybäck die VAV.

Besprechung im Haus von Partyköchin Yulia Haybäck
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Das Ehepaar Kavalirek-Haybäck mit Versicherungsexperten Reinhard Jesenitschnig und Gudrun Maria Leb

Kritik an „unrichtiger Bedingungsauslegung“

Die Versicherung errechnete 80.000 Euro für den Inhaltsschaden – 60 Prozent der maximalen Versicherungssumme. Frau Haybäcks Rechtsanwalt, Peter Kasper, ist spezialisiert auf Versicherungen. Er sieht das problematisch, denn ursprünglich wurde davon ausgegangen, dass die Zeitwertentschädigung nur von der Versicherungshöchstsumme zu zahlen wäre. Dazu hätte die Versicherung von Anfang an den tatsächlichen Schaden feststellen, davon den Zeitwert berechnen und dann diese Summe sofort zur Auszahlung bringen müssen. „Das ist eben nicht geschehen“, kritisiert Kasper.

Es handle sich um eine unrichtige Bedingungsauslegung, nicht um einen Rechtsverstoß: „Wir sprechen nicht von einem Gesetz, sondern von Versicherungsbedingungen. Der Grundsatz von Treue und Glauben sei im Versicherungsrecht innewohnend. Er besagt, dass der Versicherer den Schaden vollständig festzustellen hat. Genau das ist hier nicht passiert.“

Haus von Partyköchin Yulia Haybäck von außen
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Das Haus von Adreas Kavalierek und Yulia Haybäck

Klägerin reichte Mappe mit Rechnungen nach

Bei der Verhandlung vor Gericht signalisierte die VAV Vergleichsbereitschaft, wenn Yulia Haybäck Rechnungen über 133.000 Euro vorlege, also über die Versicherungshöchstsumme. Ist das rechtens, fragt die „Aufgezeigt“- Redaktion Anwalt Peter Kasper: „Das ist ist unrichtige Rechtsansicht der VAV-Versicherung. Richtigerweise hätte sie den Gesamtschaden richtig feststellen müssen und dann wären 60 Prozent von diesem Schaden aus der Zeitwertentschädigung sofort fällig gewesen.“ Trotzdem legte Yulia Haybäck inzwischen eine Mappe voll Rechnungen bei Gericht vor.

Gudrun Maria Leb und Versicherungsexperte Reinhard Jesenitschnig
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Gudrun Maria Leb im Gespräch mit Anwalt Peter Kasper

Versicherung: Nachweise werden geprüft

Auf Nachfrage bei der VAV, warum sich die Auszahlung bis heute immer wieder verzögert habe, teilte diese schriftlich mit: „Den Vorwurf der Verzögerung weisen wir ganz entscheiden zurück. Es ist Aufgabe der Versicherung, Schäden korrekt abzuwickeln und Ansprüche sorgfältig zu überprüfen. Dazu braucht es Nachweise, wie etwa Rechnungsbelege. Diese wurden von unserer Versicherungsnehmerin nicht erbracht, sondern es wurde Klage gegen uns eingereicht. Im Zuge des Verfahrens wiederum wurde unsere Versicherungsnehmerin vom Gericht aufgefordert, Nachweise zu bringen, was schlussendlich auch passiert ist. Wir sind aktuell dabei, diese Nachweise zu prüfen.“

Auf die Frage, ob die VAV vielleicht zu einem lösungsorientierten Vergleich bereit wäre, schreibt die VAV: „Vergleichsgespräche machen aus unserer Sicht keinen Sinn, da eben die genaue Höhe des Schadens noch nicht feststeht. Diese wird im laufenden Gerichtsverfahren final ermittelt werden, weshalb wir zu weiteren Details des Falles nicht Stellung nehmen möchten.“

Buchcover „Was Versicherungen verschweigen“
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Buchcover „Was Versicherungen verschweigen“ von Reinhard Jesenitschnig

Eventuell noch heuer Vergleich vor Gericht

Das „Aufgezeigt“-Team bedauerte, dass kein Gespräch mit der VAV zustande kommt und auch keine Lösung in Sicht ist. Denn das Verfahren am Handelsgericht in Wien kann lange dauern. Mit etwas gutem Willen gibt es einen Vergleich vor Gericht, damit Yulia Haybäck endlich abschließen kann.

Am Dienstagnachmittag kommt der Versicherungsexperte Reinhard Jesenitschnig ab 15.00 Uhr ins Radio Kärnten-Studio. Er hat ein Buch mit dem Titel „Was Versicherungen verschweigen“ geschrieben. Auch Peter Kasper vom Juridicom wird ins Studio kommen. Die VAV sagte ihre Teilnahme ab.