Rathaus Klagenfurt im Vordergrund der Lindwurm
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Politik

Spitzelaffäre: E-Mail-Konten geöffnet

Wohl weitaus größer als angenommen dürfte die Spitzelaffäre im Klagenfurter Rathaus sein. Wie Vizebürgermeister Philipp Liesnig (SPÖ) Freitagfrüh in einer Pressekonferenz sagte, wurde nicht nur sein E-Mail-Account ohne sein Wissen geöffnet, sondern es wurden sämtliche Accounts im Rathaus ohne Wissen der Betroffenen untersucht.

Von Februar bis Anfang April wurden die E-Mail-Konten sämtlicher Mitarbeiter und politischer Mandatarinnen und Mandatare mittels künstlicher Intelligenz auf Kontakte mit bestimmen Mailadressen hin untersucht. Dabei ging es immer um die Gehalts- und Überstundenzahlungen an Magistratsdirektor Peter Jost und weitere Mitarbeitende von Stadt und Politbüros.

Liesnig: „Täter-Opfer-Umkehr“

Drei E-Mails von Liesnigs Account wurden ausgewertet und der Staatsanwaltschaft auf einem USB-Stick übergeben: „Wie es sich für mich darstellt, ist diese ganze Causa eine Täter-Opfer-Umkehr. So etwas kann sich nur ergeben, wenn ein rechtlicher und moralischer Kompass völlig fehlt und man versucht, zum eigenen Vorteil andere Menschen zu diskreditieren. Für mich sind das Stasi-Methoden. Unliebsame Journalisten, Politiker werden mit allen Mitteln verfolgt und bekämpft. Man versucht, diese Personen mundtot zu machen und letztendlich zu vernichten.“

Im Auftrag der Magistratsdirektion

Durchgeführt wurde diese Durchsuchung von einer Consulting-Firma, die offenbar von der Magistratsdirektion damit beauftragt wurde, alle E-Mail-Konten mit der Endung „@klagenfurt.at“ zu scannen. Das ging vorbei an sämtlichen Gremien der Stadt, obwohl für die Kosten von 63.000 Euro ein Stadtsenatsbeschluss notwendig gewesen wäre, wie Liesnig in der Pressekonferenz sagte.

In einer eiligst einberufenen Pressekonferenz wies Bürgermeister Christian Scheider (TK) sämtliche Vorwürfe zurück. Nachdem der Datenabfluss, also die Informationen über Gehälter und Überstundenzahlungen an die Öffentlichkeit, festgestellt wurde, habe ihn die Magistratsdirektion aufgefordert zu handeln, sagte Scheider. Man habe eine Anwaltskanzlei und die Consulting-Firma beauftragt, die Sache aufzuklären. Laut Bürgermeister war die Datenschutzbeauftragte der Stadt – sie ist auch Josts Assistentin – in den Prozess involviert, ebenso die stadteigene IT-Abteilung. Die Datenschutzbeauftragte habe Abfragen der externen IT-Forensiker genehmigt bzw. abgelehnt, wenn diese zu weit gingen.

Bürgermeister: Habe keine Detailinformationen bekommen

Er selbst habe keine näheren Informationen dazu, sagte Scheider: „Alles ist unter Aufsicht der Datenschutzbeauftragten der Stadt Klagenfurt passiert, nach Einholung schriftlicher Verschwiegenheitsvereinbarungen. Also ich habe nie irgendwelche Detailinformationen bekommen, was im Einzelnen gemacht wurde. Es wurde von allen bestätigt, dass jetzt im Detail mit dem Bürgermeister keine Kontaktnahme erfolgt ist.“ Er wisse nur, dass die Staatsanwaltschaft nach wie vor ermittle.

Dass Magistratsdirektor Jost die Datenuntersuchung federführend in Auftrag gegeben habe, erzeuge keine schiefe Optik, sagte Scheiders Anwalt Christian Puswald, „im Gegenteil“. Und dass die 63.000 Euro, die die Consulting-Firma verrechnet habe, im Stadtsenat kein Thema gewesen seien, liege daran, dass das Angebot zunächst unter der Grenze von 50.000 Euro gelegen sei, sagte Scheider.

Reaktionen

Die Klagenfurter ÖVP forderte einen Sondergemeinderat, um, wie es in der Aussendung heißt, die Spitzel- und Datenschutzaffäre umfassend aufzuklären.

Scharfe Kritik kam am Freitag von der Klagenfurter FPÖ: „Wenn das alles so stimmt, ist das wohl einer der größten je in Österreich aufgeschlagenen Datenschutzskandale“, sagte Klubobmann Andreas Skorianz. „Was immer die Motivation für die Aktion war, man kann nicht ein mögliches Fehlverhalten durch eine gesetzwidrige Handlung im Wildweststil aufklären versuchen.“ Im Magistrat sei das Rechtsbewusstsein „offensichtlich sehr dünn“.

NEOS-Gemeinderatsklubobmann Janos Juvan sprach in einer Aussendung von einem „unfassbaren Skandal“. Es sei klar, dass der „Magistratsdirektor in all das eingebunden war“, nun stelle sich die Frage, welche Rolle Bürgermeister Scheider gespielt hat. „Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder er hat mit der Sache direkt zu tun und ist tief verstrickt oder wusste davon nichts. Dann muss man ganz klar festhalten: Scheider hat die Kontrolle über das Rathaus endgültig komplett verloren.“

Und die Kärntner Grünen-Sprecherin Olga Voglauer meinte am Freitag, der „Datenschutzskandal“ gehöre lückenlos aufgeklärt. Darüber hinaus sei die Außenwirkung der Stadt Klagenfurt „wieder einmal desaströs. Der gesamte Amtsapparat von Scheider versinkt in dubiosen Skandalen.“ Die Grünen fordern die Amtsenthebung von Jost.