Angeklagte vor Gericht
APA/GERT EGGENBERGER
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Gericht

Großprozess wegen Anlagebetrugs gestartet

Ein Prozess wegen Anlagebetrugs im großen Stil hat am Mittwoch am Landesgericht Klagenfurt begonnen. Die acht Angeklagten sollen die „EXW Gruppe“ gegründet haben, mit der mehr als 40.000 Opfer um mehr als 14 Millionen Euro gebracht wurden. Das Verfahren könnte eines der größten werden, die es in Kärnten jemals gab.

Die Anklageschrift umfasst rund 300 Seiten, beantragt wurden rund 150 Zeuginnen und Zeugen. Staatsanwältin Caroline Czedik-Eysenberg betonte im Anklagevortrag die bewusste Täuschung der Opfer mit dem Bereicherungsvorsatz. Im Juni 2019 habe ein Treffen in Mallorca stattgefunden, bei dem in betrügerischer Absicht die Firma EXW gegründet wurde, mit dem Ziel „den Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen“, so Czedik-Eysenberg.

Die Beschuldigten sollen mehrere Unternehmen samt Bankverbindungen und Kryptowallets gegründet haben, hieß es von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Sie hätten den Anlegern hohe Rendite über Immobilienprojekte, den Handel mit Kryptowährung und eine eigens geschaffene Kryptowährung namens „EXW-Token“ versprochen.

Den angeworbenen Investoren wurden tägliche Gewinne in Höhe von 0,32 Prozent in Aussicht gestellt. „Aufs Jahr gerechnet wäre das ein Gewinn von 221 Prozent“, so die Staatsanwältin. Zum Vorwurf, dass der zugesicherte Gewinn ein völlig unrealistisches Versprechen war, stellte Czedik-Eysenberg die rhetorische Frage: „Die Gelder blieben teilweise wochenlang auf den Konten liegen, wie hätte da eine so hohe tägliche Rendite erzielt werden sollen?“

Vorwurf: Pyramidenspiel aufgezogen

Anstatt in die behaupteten Projekte zu investieren, hätten die Beschuldigten die Investorengelder jedoch von einem Konto aufs nächste überwiesen, um den Verbleib zu verschleiern. Ein Computerprogramm habe den Opfern einen vermeintlichen Gewinn vorgetäuscht, dieser wurde von einem Algorithmus mit 0,3 Prozent pro Tag berechnet.

Angeklagte vor Gericht
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Angeklagte vor Gericht

Die Auszahlungsfähigkeit und -willigkeit vonseiten EXW sei nur vorgetäuscht worden. Czedik-Eysenberg bestätigte zwar, dass es Renditen-Auszahlungen an einzelne Kunden gegeben hätte, allerdings wäre für diese Auszahlungen Geld von anderen Kunden verwendet worden. Die vielen Opfer wären durch aggressive Werbung im Internet und über einen Telegram-Kanal angeworben worden.

Außerdem hätten sie ein Pyramidensystem geschaffen, über das neue Kunden angeworben worden seien. Es wurden glamouröse Events im In- und Ausland um mehrere hunderttausend Euro veranstaltet, um neue Opfer für die „sicheren Investitionen“ anzulocken. Mit dem Geld der Opfer hätten die Angeklagten aber vor allem ihren äußerst luxuriösen Lebensstil finanziert, so der Vorwurf. Nach solchen Events seien die Angeklagten mit Sporttaschen voller Geld ins Flugzeug – teilweise ins Privatflugzeug – gestiegen. Die Opfer stammen vor allem aus dem deutschen Sprachraum und aus dem europäischen Ausland.

Zwei Männer auf der Flucht

Die betrügerische Absicht würde sich auch an zahlreichen gegründeten Scheinunternehmen zeigen, so die Anklägerin. Diese hätten keine Tätigkeit ausgeübt und nur der Entgegennahme von Geldern auf internationaler Ebene gedient. Die Staatsanwältin nannte die Anklage einen „Teilanklage“. Es laufen weitere Ermittlungen, die Schadenshöhe könnte noch weit höher liegen. Zeugen zufolge soll er sich auf 80 bis 100 Mio. Euro belaufen. Zwei Verdächtige seien noch auf der Flucht, ein weiterer kürzlich in Brasilien festgenommen worden, so die Staatsanwältin. Er soll demnächst ausgeliefert werden. Außerdem sprach Czedik-Eysenberg die Verbindung zu einem anderen Betrugsfall – die Causa „My first plant“ – an.

Die Anklägerin kam auch auf Probleme für die Ermittler zu sprechen – von schleppenden Rechtshilfeverfahren bei Kontenöffnungen im Ausland, gelöschten Datenträgern und Opfern, die nicht aussagen wollen, weil sie selbst Finanzstrafverfahren am Hals haben. Angesichts der enormen Anzahl von Geschädigten seien diese überhaupt nur mit Fragebögen per E-Mail einvernommen worden.

26-jähriger Klagenfurter Hauptangeklagter

Hauptangeklagter ist ein 26-jähriger Klagenfurter. Im dunkelblauen Anzug saß er am Mittwoch vor Richterin Claudia Bandion-Ortner. In Videos, die die Staatsanwältin einspielen ließ, zeigte er sich als eine Art Messias, der vor seinen Anlegern auf Gala-Veranstaltungen sprach und sagte „Wir haben die Lösungen, die es bis dato nicht gab.“ Umsatz sei gleich Gewinn bei EXW, versprach er im gold-schwarzen Hemd. Bei seiner Festnahme im Oktober gab er noch vor, Autist zu sein. Sein Handy setzte er auf Werkseinstellungen zurück, noch bevor die Ermittler darauf zugreifen konnten. Auch die sichergestellten Computer waren alle unbrauchbar.

So bleiben die Zeugenaussagen, die die acht Angeklagten schwer belasten. Aber auch gegenseitig zeigten die Angeklagten einander an. Mit dem Klagenfurter müssen sich vier weitere Kärntner im Alter von 25 bis 48 Jahren, ein 31-jähriger und ein 26-jähriger Tiroler sowie ein 28-jähriger Kroate verantworten.

Befragung des Hauptangeklagten am Donnerstag

Es geht um die Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Betruges und der Geldwäscherei, sowie das Vergehen des Ketten- und Pyramidenspiels und der kriminellen Vereinigung. Bei einer Verurteilung drohen bis zu zehn Jahre Haft. 14 Millionen Schaden sind vorerst angeklagt. Die Staatsanwältin sagte aber in ihrem Eröffnungsplädoyer, dass der Schaden wohl während der Verhandlung weiter steigen werde. 80 bis 100 Millionen Euro könnten es werden.

Nach den Plädoyers vertagte Richterin Claudia Bandion-Ortner den Prozess. Am Donnerstag soll der Hauptangeklagte befragt werden. Für den weiteren Prozessverlauf sind wöchentliche Verhandlungen geplant. Bandion-Ortner zufolge soll im November mit den Zeugenbefragungen begonnen werden. Der Prozess dürfte sich aufgrund der vielen Zeugen – etwa 150 waren zunächst geplant – und der Komplexität der Firmengeflechte über Monate ziehen.