Archivaufnahme Christine Lavant
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Kultur

Briefwechsel einer großen Liebe

50 Jahre nach dem Tod der Kärntner Literatin Christine Lavant hat der Germanist Klaus Amann eine Biografie mit Briefen und Texten herausgebracht. Der erhaltene Briefwechsel mit dem Maler Werner Berg in „Ich bin maßlos in allem“ lässt nun erstmals die Geschichte einer großen Liebe nachlesen.

520 Briefe von Christine Lavant und rund 260 Briefe von Werner Berg sind erhalten. Eine gekürzte Auswahl wird jetzt vom Wallstein Verlag erstmals veröffentlicht. Zwei Drittel des Buches bestehen aus Texten von Christine Lavant, die bisher noch unbekannt waren. Von Werner Berg dürfte jedoch ein Gutteil der Briefe fehlen, vermutet Klaus Amann: „Die einzige Möglichkeit, ihre Biografie darzustellen, ist, sie erzählen zu lassen. Und in den vertrauten Briefpartnerinnen und Briefpartnern, die sie hat, immer abwechselnd, so vier, fünf Jahre lang, tut sie ja eigentlich nichts anderes, als von sich zu erzählen. Von ihrem Befinden, von ihren Hoffnungen, Gefühlen, erzählt auch, dass sie ein einziges Mal in Istanbul war, bei einer Lesung.“

Lieblose Ehe mit Kunstmaler

1939 hatte Christine Lavant im Alter von 24 Jahren den um 36 Jahre älteren, eher erfolglosen Kunstmaler Josef Habernig geheiratet. Das gemeinsame Leben fand in einer zwölf Quadratmeter großen Dachkammer statt. Vor allem in den späteren Briefen findet Christine Lavant sehr deutliche Worte für das Verhalten ihres Ehemanns. Sie schreibt am 4. Januar 1952 an Werner Berg: „Ich werde, wenn du mich wirklich fallen lässt, ganz allein sein. Für den Menschen, mit dem zu leben ich gezwungen bin, bin ich kein Mensch mehr. Das hat er mir kalt und gehässig erklärt mit dem Beisatz, dass er, wenn ich von ihm weggehe, einen Skandal macht, wie er noch nie da war.“

Klaus Amann im Interview
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Klaus Amann

Nicht nur Christine Lavant war verheiratet, sondern auch Werner Berg. Er hatte mit seiner Frau Mauki fünf Kinder, so Amann: „Wir dürfen nicht vergessen, bis zum Jahr 1975 war Ehebruch ein strafrechtliches Delikt. Und sie hat wahrscheinlich auch Angst gehabt, dass hier in den Briefen Indizien gefunden werden könnten, zumal ihr Ehemann mit Klage gedroht hat. Ihm war dieses Liebesverhältnis, das es gab zwischen Christine Lavant und Werner Berg, das nicht nur ein Liebesverhältnis war, sondern auch eine künstlerische Zusammenarbeit, ein Dorn im Auge.“

1950 bei Literaturtagen kennengelernt

Der Maler und die Schriftstellerin lernten einander im November 1950 bei den St. Veiter Literaturtagen kennen. Bald schrieb Werner Berg an Christine Lavant: „Vom ersten Anblick ihrer Person aber haben mich Schönheit, Seelenkraft und Größe nicht anders getroffen wie der Blitz einst Saulus von Damaskus.“

Bald ist klar, dass Werner Berg Christine Lavant malen will. Sie freut sich zwar sehr, schreibt aber am 22.11.1950 von sich als einem „armseligen Weiblein“ und einem „komischen Einfall“. Bald kommen sich diese beiden Menschen näher und ihre Liebesbriefe gehören zu dem Schönsten, das in den letzten Jahren veröffentlicht wurde. Werner Berg bringt es Anfang Jänner auf den Punkt: „Das Unsrige ist beispiellos.“

„Sie wollte das Leben genießen“

Amann sagte, Lavant sei jemand gewesen, der leben wollte und es auch genießen: „Dieser Spruch, ‚ich bin maßlos in allem‘, den Spruch gibt es in den Briefen zwei, drei Mal, auch unterschiedlichen Briefpartnerinnen gegenüber, der trifft es eigentlich ganz gut. Das habe ich sehr, sehr sympathisch gefunden, weil es das Bild ändert, das wir von ihr haben.“

Foto von Christine Lavant von Ernst Peter Prokop
Ernst Peter Prokop
Foto von Christine Lavant

Christine Lavant war in ihrem ganzen Schreiben maßlos. Sie konnte in drei Wochen ein ganzes Buch fast ohne Korrekturen schreiben. Sie war natürlich auch in ihrer großen Liebe zu Werner Berg maßlos. Sie schreibt am 6. März 1953: „Ich liebe dich mehr, als ich je einen Menschen geliebt hab. Ich gehöre dir mit Leib und Seele. Aber ob du mich behältst, liegt einzig bei dir.“

Berg malte soviel wie nie zuvor

Für beide hat diese schwierige Liebe aber auch eine große künstlerische Bedeutung, sagte Amann: „Sowohl für Werner Berg, er hat in dieser Zeit mehr gemalt als davor und danach. Und Christine Lavant hat ihre schönsten Liebesgedichte, die bisher unbekannt waren und die erst aus den Briefen von Werner Berg bekannt wurden, weil sie sie in einem Exemplar ihren Briefen an ihn beigelegt hat. Das alles gäbe es nicht, wenn es diese Liebe nicht gegeben hätte.“

1955 verübt Werner Berg einen Suizidversuch und die Beziehung mit Christine Lavant wird von seiner Frau Mauki beendet. Danach entstehen kaum noch Gedichte. Wie Lavant schrieb ist bis heute unerklärlich. Es war ihr nur in einem bestimmten Zustand möglich, fast einer Trance. Christine Lavant hatte nur eine geringe Schulbildung und brachte sich alles, was sie über Literatur wusste und konnte, selbst bei.

Keine politischen Äußerungen

Sie war also im klassischen Sinn nicht so gebildet wie Rudolf Bayr. In seinem Brief an Christine Lavant steht: „Gefehlt jedoch war es, unseres Erachtens die Gedichte ‚Die unvollendete Liebe‘ zu drucken. Sie sind Rilke, zehnter Aufguss.“ Lavant antwortete nicht auf diese Kritik. Das übernahmen der Schriftsteller Emil Lorenz und Werner Berg. Politische Äußerungen gibt es jedoch bis auf eine Ausnahme nicht. 1963 schreibt sie an die jüdische Schriftstellerin Gertrude Rakowski, dass sie „Schuld und Scham und Erbarmen wegen der Verfolgung der Juden“ empfindet.

„Ich bin maßlos in allem“: Klaus Amann, Brigitte Strasser, Christine Lavant, mit sehr schöner Fotoauswahl erschien, wie auch die vierbändige Werkausgabe, im Wallstein Verlag. Klaus Amann: Bis 2014 Professor für Neuere Deutsche Literatur, Gründer und langjähriger Leiter des Robert-Musil-Instituts für Literaturforschung der Universität Klagenfurt sowie des Kärntner Literaturarchivs.