Ein Mann im Rollstuhl
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CHRONIK

Menschen mit Behinderung werden oft nicht eingestellt

Durch die Pandemie und die Teuerung ist das Leben für Menschen mit Behinderung noch einmal schwieriger geworden. Viele von ihnen leben am Existenzminimum. Der Gesetzgeber verpflichtet zwar Betriebe dazu, Menschen mit Behinderung einzustellen, aber zwei Drittel erfüllen diese Pflicht nicht. Sie müssen daher Strafgelder zahlen.

Betriebe ab 25 Mitarbeitern sind in Österreich vom Gesetz her verpflichtet, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. In Kärnten würde dies 1.074 Unternehmen betreffen. Aber nur ein knappes Drittel – rund 350 – erfüllt diese Vorgaben. Die anderen zahlen stattdessen Strafe, die sogenannte Ausgleichstaxe. Pro Monat sind dabei zwischen 276 und 411 Euro für jeden nicht eingestellten Mitarbeiter mit Behinderung zu bezahlen – je nach Größe des Betriebes.

„Diese Situation ist nicht optimal, aber im Vergleich zu den letzten Jahren gibt es einen Fortschritt. Trotzdem darf man nicht außer Acht lassen, dass ein Drittel der arbeitssuchenden Menschen gesundheitliche Einschränkungen oder Behinderungen aufweist. Für diese Zielgruppe braucht es weitere Maßnahmen“, sagt Kärntens Behindertenanwältin Isabella Scheiflinger.

Romana Zablatnig hilft den Kindern beim Anziehen
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Romana Zablatnik liebt ihre Arbeit im Kindergarten Gallizien

Positives Beispiel: Romana Zablatnik

Ein positives Beispiel für gelungene Integration ist Romana Zablatnik. Die 32-Jährige, die unter einer mentalen Beeinträchtigung leidet, arbeitet seit Jahren im Kindergarten in Gallizien. Sie packt überall an, wo sie gebraucht wird – in der Küche, bei der Vorbereitung der Jause, putzt und hilft den Kindern beim Anziehen. „Ich komme sehr gerne zur Arbeit. Mir gefällt es, mit Menschen zu reden und zu lachen. Sie reden auch mit mir gerne. Das gefällt mir sehr gut“, erzählt Zablatnik. Mit der Arbeit verdient sie ihr eigenes Geld. Was längst nicht für alle Menschen mit Behinderung selbstverständlich ist.

Romana Zablatnig im ORF Interview
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Romana Zablatnik im ORF-Interview

Der Lohn: 25 Euro pro Monat

Nach wie vor gebe es in Kärnten etwa 1800 Personen in den Werkstätten von Behinderten-Organisationen, „die keinen Lohn, sondern ein Taschengeld für ihre Tätigkeit erhalten“, erklärt Behindertenanwältin Isabella Scheiflinger. Und das ohne eigene Kranken- oder Pensionsversicherung. „Das ist nicht UN-rechtskonform. Es handelt sich um Menschen, die auch den ganzen Tag arbeiten – im Garten, in der Küche, in der Kreativwerkstätte oder im Kunstbereich. Sie bekommen beispielsweise 25 Euro pro Monat für ihre Tätigkeit.“ Hier sei die Politik gefordert, das zu ändern, sagt die Behindertenanwältin – sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene.

Es gebe aber auch erfreuliche Nachrichten: So konnten etwa 200 Personen mit Lernschwierigkeiten über das Chancengleichheitsgesetz an einem inklusiven Arbeitsplatz vermittelt werden. Sie bekommen einen Lohn statt Taschengeld und haben ein arbeitsrechtliches Dienstverhältnis – mit denselben Rechten und Pflichten wie jeder andere Arbeitnehmer auch.

Tag der Menschen mit Behinderung

Anlässlich des Tages der Menschen mit Behinderung berichtet „Kärnten heute“ über die zum Teil schwierigen Lebensbedingungen. „Kärnten Heute“ zeigt auch ein gelungenes Beispiel von Integration in den Arbeitsmarkt.

Land investierte 130 Millionen Euro

Anlässlich des internationalen Tages der Menschen mit Behinderung informiert auch das Land Kärnten über seine Initiativen für mehr Chancengleichheit. Man habe in diesem Jahr dafür 130 Millionen Euro investiert. So seien etwa die Assistenzstunden in den Bereichen Familie, Freizeit, Wohnen und persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderung verdoppelt worden, heißt es aus dem Sozialreferat von Landesrätin Beate Prettner (SPÖ).

Zudem wurden die Kostenbeiträge aus dem Unterhalt bei vollintern geförderten Klienten abgeschafft. "Bisher wurden laut Gesetz 80 Prozent des Unterhalts als Kostenbeitrag einbehalten, nur die restlichen 20 Prozent verblieben als Taschengeld. Das wird nun im Gesetz gänzlich anders geregelt – nun verbleiben 100 Prozent bei der Familie“, informiert Prettner.

Erhöhung des Taschengeldes geplant

Zudem soll sich durch eine Gesetzesnovelle die finanzielle Situation von beeinträchtigten Menschen mit Erwerbseinkommen verbessern, die in Einrichtungen des Landes untergebracht sind. Es sieht unter anderem eine Erhöhung des Taschengeldes vor. Zeitgleich soll sich der Anteil verringern, den die Betroffenen für die Wohnleistung an das Land abtreten.

Im gemeinnützigen Wohnbau sollen künftig sogenannte Stützpunktwohnungen angeboten werden – dort können Klienten mit erhöhtem Förderbedarf rund um die Uhr betreut werden. Anfang 2023 soll das neue Chancengleichheitsgesetz in Kraft treten.

Politische Reaktion: Team Kärnten

Das Team Kärnten (TK) begrüßt das neue Gesetz. „Es sieht signifikante Verbesserungen für Menschen mit Behinderung vor“, sagt TK-Chef Gerhard Köfer. Er fordert aber, dass die Novelle noch vor der Landtagswahl 2023 beschlossen wird: „Ansonsten droht, dass die wichtigen Änderungen viel zu spät umgesetzt werden.“ Eine Beschlussfassung sei laut Köfer spätestens im Februar 2023 im Landtag notwendig.