Maske in Venedig
Pierluigi Lucietto
Pierluigi Lucietto

Der wahre Karneval in Venedig

Die Dante Alighieri Gesellschaft Spittal ist mit knapp 1.200 Mitgliedern das größte Dante Komitee Österreichs. Im Mittelpunkt steht die Vermittlung der italienischen Sprache und Kultur. Obmann Gert Thalhammer verrät einiges über Geschichte und Hintergrund des Carnevale in Venezia und begrüßte besondere Gäste aus Italien im Schloss Porcia.

Gert Thalhammer ist seit 41 Jahren Präsident der Dante Alighieri Gesellschaft und widmete sein Leben der Freundschaft mit Italien. Er schätzt, dass er schon an die 500 Mal nach Venedig reiste. Seine ersten Reisen führten ihn als Student nach Venedig, als er als Reisebegleiter arbeitete. Im Laufe seines Lebens entwickelten sich die Stadt und ihre Lagune für ihn zur „Sehnsuchtsgegend“ in Italien.

Gert Thalhammer mit Pierluigi und  Letizia Lucietto
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Gert Thalhammer mit seinen Freunden und Gästen Pierluigi und Letizia Lucietto im Schloss Porcia. Letizia trägt ein maßgeschneidertes Kleid nach einem Vorbild aus dem 17. Jahrhundert.

Seit 1059 darf verrückt gespielt werden

Der geschichtliche Reichtum fasziniert ihn besonders. So erfuhr er, dass es auch Zeiten gab, wo in Venedig das ganze Jahr über Carneval gefeiert wurde: „Der Carneval beginnt unter dem Dogen Vitale Falier 1094, der mit einem Dekret dem Volk erlaubt, einmal im Jahr verrückt spielen zu können. Ganz nach dem lateinischen Wort: semel anno licet insanire. Einmal im Jahr ist es erlaubt, zu spinnen und verrückt zu spielen. So wird der Carneval eingeführt. Zuerst sechs Wochen, dann ein halbes Jahr. Mittlerweile beginnt er in Venedig am 7. Jänner und endet am Faschingsdienstag.“

Gert Thalhammer
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Gert Thalhammer vermittelt seine Liebe zu Italien und der italienischen Kultur

Der Begriff Carnevale ist von der Fastenzeit geprägt, so Thalhammer: „Carne levare – das Fleisch wegnehmen. Weil ja sofort nach dem Carneval die Fastenzeit kommt mit ihren 40 Tagen und weil früher einmal in den meisten Familien und in den Klöstern fleischlose Kost auf dem Programm war. Carne levare – Fleisch adieu.“

Müßiggang und Seitensprung

Bevor es soweit ist, steht aber noch der Müßiggang im Mittelpunkt. Pandemiebedingt heuer in etwas eingeschränkter Form. Das ist in Venedig schon seit gut tausend Jahren Tradition, sagte Thalhammer: „Goldoni hat einmal gesagt: Würde man in Venedig für jeden Seitensprung ein kleines Bäumchen pflanzen – und er bezog sich auf die Zeit, in der er lebte – dann wäre Venedig ein dichter Urwald.“

Innenhof des Schlosses Porcia in Spittal
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Pierluigi und Letizia in der perfekten Kulisse des Schlosses Porcia

So beschreibe Goldoni in seiner Commedia dell’arte die Hauptfiguren des Carnevals, die es damals schon gegeben habe. Pantaleone oder Brighella, Colombina, die reizvolle venezianische Bürgertochter, und später sei noch der Pulcinella hinzugekommen. So entwickelte sich in der Lagunenstadt mit dem Carnevale ein gesellschaftliches Ereignis, das auf der ganzen Welt bekannt ist.

Venezianische Maske
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Eine typische venezianische Maske

Ehepaar lebt für den Carnevale

Pierluigi Lucietto und seine Frau Letizia sind Mitglieder des Vereins „Amici del Carnevale di Venezia“, der Freunde des venezianischen Carnevals. Sie kommen aus der Gemeinde Rosà in der Provinz Vicenza. Er ist leidenschaftlicher Fotograf und beide besuchen regelmäßig – stilecht in historischen Kostümen – private Faschingsbälle in Venezianischen Palazzi. Diesmal waren sie zu Gast bei Gert Thalhammer im Schloss Porcia, sie sind seit 30 Jahren befreundet.

Pierluigi Lucietto
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Pierluigi Lucietto dokumentiert in Bildern und Videos den Carnevale, auch hinter den Kulissen

Conte, also Graf PG, wie er sich im Fasching nennt – und seine Frau Letizia werfen sich immer in Schale: Pierluigi mit Gehstock, Gehrock aus Brokat, und Letizia in einem maßgefertigten Kleid aus einem venezianischen Atelier. Es ist einer Robe aus dem Jahr 1770 nachempfunden – mit Korsage, ausladendem Reifrock und einer mit Federn geschmückten Perücke.

Servus, Srečno, Ciao

Wie man den „echten Fasching“ feiert

Pierluigi ist seit Jahren leidenschaftlicher Hobbyfotograf. Natürlich hielt auch er schon zig Male das Faschingstreiben auf den belebten Plätzen Venedigs bildlich fest, wie man es aus den Medien kennt. Anhand seiner Fotos möchte er aber auch zeigen, wie die echten Venezianer in ihren Palazzi den Fasching feiern: „Wenn man als Fotograf Zugang zu solch exklusiven Feierlichkeiten bekommt ist das wirklich etwas Besonderes. Was sich dort abspielt unterscheidet sich stark von dem, was man als Tourist gewöhnlich auf den Plätzen zu sehen bekommt. Es eröffnet sich einem eine komplett neue Welt.“

Letizia Lucietto in einem Kleid aus dem 17 Jahrhundert
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Letizia besucht in ihrer Robe auch gerne die Bälle der venezianischen Gesellschaft

Feiern wie vor hunderten Jahren

Was früher Bedienstete für die Adeligen übernahmen, bleibt heutzutage sozusagen in der Familie: Auch wenn ihr ihr Mann jedes Mal beim Ankleiden helfen muss – ist das Korsett erst einmal richtig geschnürt, fühlt sie sich wie die Gräfin, die sie damit darstellen will, erzählt Letizia Bressan: „Bei diesen Abendessen führt man immer seine schönsten Roben aus, mit dem schönsten Hut und der schönsten Perücke mit möglichst langen Federn. Wenn man damit dann durch die ausschließlich mit Kerzen beleuchteten Gänge schreitet und sich unterhält kann es schon einmal passieren, dass die Federn plötzlich Feuer fangen, wenn man einer Kerze zu nahe kommt. So etwas ist mir noch nie selbst passiert, aber ich habe es schon hautnah miterlebt“, erzählt Letizia Bressan.

Faschingsball in Venedig
Pierluigi Lucietto
Ein Ball der venenzianischen Gesellschaft, wie ihn kein Tourist jemals sehen wird

Mit Maske blieb man unerkannt

Mit im Gepäck haben sie und ihr Mann auch eine „Bauta“ – eine für Venedig typische weiße, ausdruckslose Maske mit Schlitzen für die Augen, die Mund und Nase verdeckt: „Sie diente dem Träger dazu, sich frei bewegen zu können, ohne erkannt zu werden. So konnte er auch am ausgelassenen Treiben teilnehmen.“ Niemand konnte die wahre Identität des Trägers feststellen – egal ob Graf, Marquis oder Händler.

Maske auf dem Markusplatz
Pierluigi Lucietto
Venezianische Maske

Bekannte Maske des Pestdoktors

"Natürlich zählte das gewöhnliche Volk nicht dazu, weil es sich so eine Art der Verkleidung nicht leisten konnte“, sagt Pierluigi Lucietto. Und dann gibt es ja auch noch die typische weiße Maske mit einer langen, schnabelartigen Nase. Der Dottore, also der Arzt, wird damit im venezianischen Fasching dargestellt. Der Ursprung geht auf eine medizinische Notwendigkeit zur Zeit ihrer Entstehung zurück, erklärt Pierluigi Lucietto: „Während der Pest hatte sie eine konkrete Funktion. Sie wurde mit besonderen Salzen gefüllt, damit sich der Träger davor schützt.“

Prachtvolle Maske mit Federn auf dem Markusplatz
Pierluigi Lucietto
Venezianische Maske mit Federn

„Sie funktionierte wie eine Gasmaske, auch wenn das ein nicht so schöner Ausdruck ist. Die restliche Verkleidung besteht aus einem schwarzen Mantel, einem ausladenden Hut und eben der Maske mit der langen Nase“, sagt Pierluigi Lucietto. „Sie hatten auch noch einen kleinen Arztkoffer mit Medikamenten dabei – mit all dem, was man damals als Gegenmittel betrachtete. Venedig wurde während der Pest ja dezimiert“, so Pierluigi Lucietto.