Rot Kreuz Mitarbeiter verteilen Wasser
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Verkehr

Stundenlange Wartezeit: Politik greift ein

In der Nacht auf Sonntag haben sich am Grenzübergang Karawankentunnel dramatische Szenen abgespielt: Tausende Urlauber, die mehr als zwölf Stunden auf slowenischer Seite warten mussten, schliefen teilweise neben ihren Fahrzeugen auf der Autobahn. Noch in der Nacht löste das Rote Kreuz Bezirksalarm aus. Die Politik griff am Samstag ein.

Der Grund für das Chaos an den Grenzen: Am Samstag hatte der Bund einen neuen Covid-19-Erlass heraus gegeben, von der auch die Kärntner Behörden völlig überrascht wurden, wie der Bezirkshauptmann von Villach-Land Bernd Riepan sagte. Die Umsetzung des Erlasses hätte wesentlich mehr Vorbereitungszeit gebraucht, personell und organisatorisch, so Riepan.

Sämtliche Durchreisende mussten an der Grenze ihre Pässe kopieren lassen und ein Formular ausfüllen, was dann auch zu den Wartezeiten führte. In einer Verordnung des Gesundheitsministeriums hieß es demnach, Durchreisende sind verpflichtet Erklärungen für die Weiterreise ohne Zwischenstopp vollständig und wahrheitsgemäß auszufüllen und zu unterschreiben.

Nicht mehr als 50 Autos pro Stunde

Für die zuständige Bezirkshauptmannschaft gab es keinen Spielraum Durchreisende nur durchzuwinken und das sorgte in der Nacht auf Sonntag für Megastaus an den Grenzen. Beim Karawankentunnel betrug die Wartezeit mehr als zwölf Stunden. Weil die am Karawankentunnel eingesetzten Polizisten und Soldaten des Bundesheeres nicht mehr als 50 Autos pro Stunde kontrollieren konnten, ließ die Asfinag auch nur 50 Autos pro Stunde durch den Karawankentunnel Richtung Österreich.

Eine verzweifelte Urlauberin aus Deutschland sagte: „Wir stehen hier seit 14.00 Uhr im Stau. Es ist grausam. Wir haben keine Information, was hier los ist. Inzwischen ist die Müdigkeit schlimmer, als hier zu stehen und zu warten. Das wird spannend. Wir müssen jetzt durch Österreich durchfahren, dürfen nicht aussteigen, also das sind verheerende Umstände eigentlich.“

Staus in der Nacht, Wartende schlafen auf Straße
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Verzweifelte Urlauber beim Grenzübergang Karawankentunnel

Rotes Kreuz löste Bezirksalarm aus

Die humanitäre Lage war äußerst prekär und bedenklich, sagte Riepan. Angesichts der angespannten Lage löste das Rote Kreuz noch in der Nacht Bezirksalarm aus, um tausende Urlauber mit Getränken versorgen zu können. Einsatzleiter Harald Tscherne sagte zur Situation: „Wir haben jetzt nachrückende Kräfte mit noch mehr Wasservorräten organisiert. Die Urlauber sind sehr durstig, sie sind sehr müde, weil sie schon so lange im Stau stehen.“

Rot Kreuz Mitarbeiter verteilen Wasser an wartende Reisende
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Erlass wurde ausgesetzt

Sonntagvormittag gab Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) nach Rücksprache mit dem Bund bekannt, dass der Erlass, der für diese angespannte Situation sorgte, ausgesetzt wird. Seitens der Behörden werde ab sofort nur mehr stichprobenartig kontrolliert.

Laut Bundesseite entspricht die stichprobenartige Kontrolle der aktuell geltenden Verordnung über die Einreise nach Österreich, es wurde seitens des Bundes jedoch eine etwaige Änderung der Verordnung in Aussicht gestellt, hieß es Sonntagmittag in einer Aussendung des Landes.

Kaiser kritisierte Vorgehensweise des Bundes

Die Entscheidung begründete Kaiser mit dem Menschenwohl, das im Mittelpunkt stehen müsse. Für die Zukunft wünschte sich Kaiser eine bessere Abstimmung zwischen Bund und Ländern: „Ich verstehe auch nicht, dass so eine rigorose Anordnung ohne Rücksprache mit den politischen Verantwortungsträgern passiert. Ich weise immer wieder darauf hin, dass genau ein solcher Austausch bei so entscheidenden Maßnahmen immens wichtig ist und lieber einmal mehr miteinander gesprochen als zu wenig. Dann hätte man diese Situation verhindern können.“

Landeshauptmann Peter Kaiser will in der Koordinationssitzung des Landes, die am Montag stattfindet, das weitere Vorgehen eingehend besprechen. Das Ministerium wies die Vorwürfe aus Kärnten zurück – mehr dazu in ORF.at.

Sonntagmittag lösten sich Staus langsam auf

Sonntagvormittag verringerten sich die Staus an den Grenzübergängen von Slowenien nach Kärnten langsam. Knapp vor Mittag war die Kolonne vor dem Karawankentunnel auf slowenischer Seite „nur“ noch fünf Kilometer lang, mit fallender Tendenz, wie es von der Polizei hieß. Am Loiblpass gab es überhaupt keinen Rückstau mehr. „Die Situation ist wieder normal“, hieß es auf Anfrage der APA.

Am Sonntag wurden noch bis 16.00 Uhr am Grenzübergang Lavamünd 1.264 Kontrollen und 842 Gesundheitschecks durchgeführt sowie zehn Heimquarantänen verhängt. In Grablach sowie am Seebergsattel kam es zu 1.173 Gesundheitskontrollen. Es wurde keine Heimquarantäne verhängt. Beim Karawankentunnel kam es zu 555 Anhaltungen, 1.212 Gesundheitschecks und 36 Heimquarantänen. Am Loiblpass wurden bis 17.45 Uhr 1.930 Personen kontrolliert. 27 von ihnen mussten in Heimquarantäne.

Team Kärnten: Behördliches Multiorganversagen

Das nächtliche Stau-Chaos im Bereich des Karawankentunnels bei der Einreise nach Österreich ist für Team Kärnten-Chef Gerhard Köfer sinnbildlich für ein noch nie dagewesenes behördliches Multiorganversagen: „Egal ob Bundes- oder Landesregierung: Man fragt sich, ob diese Herrschaften beim Thema Corona auch nur irgendwas fehlerfrei und halbwegs professionell und nachvollziehbar zusammenbekommen. Die vergangene Nacht beantwortet diese Frage mit einem klaren Nein,“ so Köfer in einer Aussendung.

FPÖ: Praxisfern und untauglich

Als praxisfern und untauglich bezeichnete die FPÖ die Verordnungen der Bundesregierung. „Das Chaos, dass sich bei den Grenzkontrollen abgespielt hat, zeigt wieder einmal, wie praxisfern und untauglich die Verordnungen sind, die von der österreichischen Bundesregierung herausgegeben werden. Außerdem haben die Verantwortlichen aus den Fehlern der vergangenen Monate nichts gelernt, denn die Kommunikation und die Abstimmung zwischen Bund, Länder und Bezirksbehörden ist neuerlich kläglich gescheitert. Dieses Mal mit derart drastischen Folgen, dass das Rote Kreuz sogar noch in der Nacht Bezirksalarm auslösen musste,“ so Klubobmann Gernot Darmann in einer Aussendung.