Gerichtssaal im Babymordprozess
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Gericht

Prozess um totes Baby: Freispruch

Im Prozess gegen den 27 Jahre alten Vater, dem vorgeworfen wurde seine wenige Wochen alte Tochter durch Schütteln getötet zu haben, entschied das Schwurgericht auf einen Freispruch. Der Mann bestritt die Tat von Beginn an.

Dem Vater wurde vorgeworfen, im Sommer 2018 seine sechs Wochen alte Tochter zu Tode geschüttelt zu haben. Der Verteidiger des 27-jährigen angeklagten Vaters, Rechtsanwalt Alexander Todor-Kostic, kritisierte am Dienstag erneut einen Gutachter und forderte vergeblich einen anderen – mehr dazu in Kritik an Gutachter im Babymordprozess.

Mordprozess um zu Tode geschütteltes Baby, der Angeklagte mit dem Rücken zum Betrachter, daneben ein Polizist, dahinter der Vorsitzende des Schwurgerichtes, Oliver Kriz
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Der Angeklagte (li.), daneben ein Justizwachebeamter, im Hintergrund rechts der Vorsitzende, Richter Oliver Kriz

Sachverständiger: Säugling nicht mehr zu retten

Der vom Schwurgericht im Klagenfurter Mordprozess bestellte Sachverständige erläuterte am Dienstagnachmittag sein Gutachten. Er kam zu dem Schluss, dass der sechs Wochen alte Säugling durch die Reanimation nicht mehr zu retten war. Die Anklage gegen den 27-jährigen Vater lautet auf Mord. Ihm wird vorgeworfen, seine Tochter zu Tode geschüttelt zu haben.

Die Blutungen im Gehirn seien massiv gewesen, erklärte Gutachter Johannes Schalamon. „So etwas sehen wir nur nach schweren Traumata.“ Es könne durch Sauerstoffmangel auch zu Blutungen kommen, doch diese würden ganz anders aussehen. Dass keine äußeren Verletzungen zu sehen waren, erlebe man bei kleinen Kindern häufig.

Schütteln: Wenige Sekunden reichen

Folgendes Szenario könnte beispielsweise die vorliegenden Verletzungen erklären, schilderte der Sachverständige: Aufnehmen, schütteln – es reichen wenige Sekunden – und dann sehr hart auf eine feste Unterlage schlagen. Wobei die Gehirnblutungen, verursacht durch das Schütteltrauma, die Todesursache gewesen seien und nicht das Kopfschwartenhämatom.

Als die Mutter die Wohnung verlassen habe, sei das Kind noch vital gewesen, sagte Schalamon. Dann sei etwas passiert, was den Herz-Atem-Stillstand des Kindes hervorgerufen habe. Und die Zeitspanne zwischen dem Atemstillstand und dem Eintreffen der Rettung sei zu lang gewesen. Die Ersthelfer schafften zwar, die Herzfunktion wiederherzustellen, doch das Gehirn sei zu diesem Zeitpunkt schon zu schwer geschädigt gewesen.

Verteidiger: Mandant kann nicht der Täter sein

Verteidiger Alexander Todor-Kostic hatte gleich zu Beginn des Prozesstages die „strukturelle Befangenheit und unzureichende Sachkunde des Sachverständigen“ in den Raum gestellt und die Verlesung des Privatgutachtens gefordert, was vom Gericht abgelehnt wurde. Auch der Bestellung eines zusätzlichen Gutachters, wie von Todor-Kostic beantragt, stimmten die Richter nicht zu.

Der Verteidiger berief sich unter anderem auf den histo-pathologischen Befund, der beweise, dass sein Mandant nicht der Täter sein könne. In dem wird davon ausgegangen, dass die Verletzungen 32 bis 72 Stunden vor dem Tod entstanden seien. Zu dem Zeitpunkt sei das Kind längst im Krankenhaus gewesen sagte Todor-Kostic und plädierte auf Freispruch.

Staatsanwaltschaft: Nur Angeklagter kommt in Frage

Staatsanwältin Johanna Schunn war am Ende des Beweisverfahrens nach wie der festen Überzeugung, dass der Angeklagte das Verbrechen des Mordes zu verantworten hat. Sie berief sich dabei in erster Linie auf den Sachverständigen. Unter dem Strich komme nur der Angeklagte als Verursacher der Verletzungen infrage, sagte sie. Der Angeklagte selbst wandte sich zum Schluss in einer emotionalen Rede an die Geschworenen und beteuerte seine Unschuld. Er habe seiner Tochter niemals etwas angetan, sagte er.

Den Geschworenen wurden mehrere Fragen vorgelegt, sie mussten entscheiden, ob es sich um Mord, absichtliche schwere Körperverletzung mit Todesfolge oder um vorsätzliche Körperverletzung und fahrlässige Tötung handle oder ob der Angeklagte nur grob fahrlässig gehandelt habe.

Emotionale Szenen nach dem Urteil

Gegen 19.00 Uhr entschieden sie für den Freispruch. Die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. Nach der Urteilsverkündung spielten sich im Gerichtssaal emotionale Szenen ab. Der Angeklagte weinte laut und rief immer wieder: „Ich kann nach Hause.“. Seine Lebensgefährtin, Verwandte und Freunde im Publikum brachen ebenfalls in Tränen aus.

Finanzielle Entschädigung möglich

Noch ist der Freispruch des 27-Jährigen nicht rechtskräftig. Sollte die Staatsanwaltschaft dagegen aber nicht berufen, dann könnte es für den Familienvater zumindest eine finanzielle Entschädigung geben. Nämlich dafür, dass er für sechs Monate – nach dem Freispruch zu Unrecht- in Untersuchungshaft gesessen ist. „Es gibt ein eigenes Entschädigungsgesetz. Dem zu unrecht Inhaftierten steht Schadenersatz zu. Der liegt zwischen 20 und 50 Euro pro Tag, wobei Freiheit natürlich schwer in Geld zu bemessen ist“, so Gerichtssprecher Christian Liebhauser-Karl. Dass über den 27-Jährigen überhaupt eine Untersuchungshaft verhängt wurde, ist laut Gericht jedenfalls gesetzeskonform.

Der Verteidiger des Freigesprochenen wird einen entsprechenden Entschädigungsantrag einbringen. Er fordert einmal mehr auch die Zulassung von Privatgutachten in Strafprozessen. „Wenn man sich vorstellt, es geht um lange Haftstrafen, dann ist es fast ein wenig menschenverachtend, hier einem Angeklagten nicht zu ermöglichen, eine Gegenmeinung zu einer gutachterlichen Expertise der Staatsanwaltschaft abzugeben“, so Verteidiger Alexander Todor-Kostic. Private Gutachter dürfen bei Strafprozessen zwar Fragen an andere Sachverständige stellen. Ihre Expertisen werden aber nicht in Strafverfahren mit aufgenommen.