Sintersee im Obir Höhlensystem
Obir Tropfsteinhöhlen
Obir Tropfsteinhöhlen
Wissenschaft

Zehn Jahre Erdbebenforschung unter Tage

Kärnten ist auch aus geologischer Sicht Grenzgebiet. Vom Lesachtal im Westen bis zum Jauntal im Osten zieht sich die periadriatische Naht. Eine Bruchlinie im Gestein, die im Lauf der Erdgeschichte entstand. Seit 2014 wird in den Obirhöhlen dazu geforscht. Ziel ist die Erdbebenvorhersage.

Die periadriatische Naht zieht sich von West nach Ost durch die ganzen Alpen, vom Piemont in Italien bis in den Nordosten Kroatiens. Zum Teil ist sie nur für Geologen erkennbar, in manchen Bereichen ist sie aber auch sichtbar, zum Beispiel in den Obirhöhlen bei Bad Eisenkappel.

Der Obir befindet sich an der Grenze zwischen zwei großen Gesteinsplatten, der Adriatischen Platte im Süden und der Pannonischen Platte im Osten. Andreas Langer von der Höhlenforschungsgruppe des naturwissenschaftlichen Vereins für Kärnten: „Dort treffen sich die zwei und die Adriatische Platte beginnt, sich unter die Pannonische Platte zu schieben. Das heißt, genau da haben wir ein Bruchfeld oder ein Zusammenstoßen dieser beiden Gesteinsplatten.“

Sendungshinweis:

Erlebnis Natur, 15.4.2024

Einzigartiges Forschungsprojekt

Sichtbar wird diese Bruchlinie als Riss im Gestein und es bewegt sich in diesem Bereich auch. Dabei geht es um winzige Hebungen und Senkungen, die oft nur den Bruchteil eines Millimeters ausmachen. Grund dafür sind Spannungen und Entspannungen der Erdplatten, die tief in der Erde passieren.

Ivo Baron ist Geologe an der Tschechischen Akademie der Wissenschaften und installierte mit seinem Forschungsteam im Bereich der Gesteinsbruchlinie in den Obirhöhlen Messgeräte, um diese Bewegungen im Gestein aufzeichnen zu können. Es sei ein weltweit einzigartiges Forschungsprojekt: „Unsere Gruppe ist die einzige in der ganzen Welt, die dreidimensionale Messungen im mikrometrischen Bereich an den Störungen machen kann.“

Andreas Langer
ORF
Andreas Langer

Messgeräte an der Bruchlinie

Durchgeführt werden diese Messungen mit speziellen Geräten, die in die Bruchlinie im Gestein eingebaut werden. Andreas Langer unterstützt die Wissenschaftler beim Montieren dieser Messgeräte. Er erklärt, wie so ein Apparat funktioniert: „Er macht von einer speziellen Platte Fotos alle halbe Stunde und kann so schauen, ob sich da was verschiebt und in welche Richtung sich etwas verschiebt. Dadurch ist es ihm möglich, dass er mikrotektonische Verschiebungen, so wie das Projekt eben heißt, erkennen und schauen kann, in welche Richtung sich das Ganze bewegt.“ Durch diese Messdaten sollen wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden.

Baron sagte, man könne Erkenntnisse darüber gewinnen, welche tektonischen Drücke mitspielen oder welche Faktoren diese kleinste Bewegung in den Höhlen provozieren. Ziel ist es auch, den Zusammenhang mit Erdbeben genauer zu erkennen. Sie entstehen, wenn die Spannung in den Erdplatten nachlässt. Bis jetzt kann Ivo Baron mit den Messungen nur voraussagen, wann sich die Erdplatten anspannen. Wann die Endspannung und somit auch Erdbeben stattfinden, ist im Moment noch nicht vorhersehbar.

Messtation Microtectonik
Andreas Langer
Messgeräte

Die Messungen im Bereich der Obirhöhlen könnten aber irgendwann auch dazu beitragen, in Zukunft Erdbeben doch vorhersagen zu können. Dazu sammelt Baron mit seinem Team nicht nur in Kärnten Daten, sondern in mehreren österreichischen Höhlen im Rahmen des Forschungsprojekts Speleotect von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften und dem Naturhistorischen Museum Wien.

Obir Tropfsteinhöhlen Zugang
Obir Tropfsteinhöhlen
Obirhöhle

Außergewöhnliche Datenleitung unter Tage

Zusammen mit der Höhlenforschungsgruppe des Naturwissenschaftlichen Vereins für Kärnten wurden nicht nur die Messgeräte in der Höhle montiert, sondern auch die Leitungen verlegt, mit denen die Daten nach außen transportiert werden. Eine technische Herausforderung, denn diese Leitungen sind 600 Meter lang, so Andreas Langer: „Vielleicht hat er das Glück, dass ich von meiner Ausbildung her Nachrichtentechniker bin und in der Richtung zufälligerweise auch mit Daten und Datentransfer zu tun gehabt habe und gewusst habe, wie man so eine Leitung auf 600 Meter bauen kann, dass sie auch unter Tage funktioniert.“

Die Daten werden dann von Baron auf einem Server gesammelt und ausgewertet, um so besser verstehen zu können, wie sich der Boden in der Tiefe bewegt.