Blick von unten in Schacht von Bananenhöhle
Martin Friedl
Martin Friedl
Wissenschaft

Höhlen als Erkenntnisquelle für NASA

Heuer ist das Internationale Jahr für Höhlen und Karst. Weltweit wird dabei aufmerksam gemacht, wie wichtig die Erforschung von Höhlen für die Wissenschaft ist. Erkenntnisse betreffen nicht nur Flora und Fauna, sondern auch die Erdbeben- und Weltraumforschung der NASA.

Die Höhlenforschung wird als interdisziplinäre Wissenschaft bezeichnet, da sie in die Geologie, Biologie und Hydrologie reicht, sagte Andreas Langer, Fachgruppenleiter für Karst- und Höhlenkunde beim Naturwissenschaftlichen Verein für Kärnten. Die NASA habe unlängst ein Projekt gestartet, um für den geplanten Marsflug in Höhlen die Einsamkeit, die Dunkelheit und das Abgeschiedensein zu trainieren. „Dabei gilt die Höhle als spezieller Bereich, wo man über die Auswirkungen auf die Physis und die Psyche des Menschen Aufschluss erzielt.“

Forschungsdurchstieg Rassl System
Andreas Langer
Forschungsdurchstieg Rassl System

Kontinentalplattenverschiebung wird erforscht

Auch in der Erdbebenforschung sind Höhlen sehr gefragt. Da sich die Kontinentalplatten nach wie vor bewegen könne man die geologischen Schichten, wo die Gesteinsmassen aufeinandertreffen, analysieren. Ein Projekt in den Obir-Höhlen beschäftigt sich genau mit dieser Thematik. In der Nähe dieser Höhle trifft die europäische mit der afrikanischen Platte zusammen, deshalb erforscht man hier die microtektonischen Verschiebungen.

Messtation Microtectonik
Andreas Langer
Messtation für Microtektonik

Auch wenn kleine Verschiebungen dieser Art festgestellt werden können sei es über gewisse Algorithmen und Rechenprogramme möglich herauszufinden, wie sich die Platten verhalten, so Langer: „Sie biegen sich nach oben, was zu Verspannungen in den Platten führt. Genau das ist in microthektonischen Verschiebungen dedektierbar. Es könnte gelingen, durch dieses Projekt gemeinsam mit dem Naturhistorischen Museum in Wien eine Erdbebenvoraussage zu machen, wenn man die ganzen dahinterstehenden Mechanismen analysiert.“

Kryogene Höhlenkarbonate Banenhöhle Obirgebiet
Andrea Langer
Kryogene Höhlenkarbonate in der Bananenhöhle im Obirgebiet

Tropfsteine: Vereiste Zeitzeugen

In der Höhlenforschung gehe es auch um Tropfsteine, so Andreas Langer. Es handle sich dabei „um das Schönste, das in den Höhlen passiert und was auch immer wieder in den Schauhöhlen präsentiert wird.“ Bei Tropfsteinen handle es sich um kristallin ausgeformten Kalk. Gemeinsam mit der Universität Innsbruck habe der Naturwissenschaftliche Verein ein Projekt gestartet, bei dem es um das Auffinden und Entdecken von sogenannten kryogenen Höhlenkarbonaten gehe. Es handle sich dabei um Sinter, also eine Kalkablagerung, der zum Zeitpunkt der Eiszeit entstand.

Tropfsteine in einer Störungsfläche
Bernhard Kanduth
Tropfsteine in einer Störungsfläche

Während der Eiszeit vereisten die Oberflächen zuerst, nach einer Zeit waren auch die tieferen Bereiche von Höhlen von der Vereisung betroffen: „Wenn dann Tropfwasser auf den Eiskörper in den Höhlen auftrifft bildet sich eine spezielle Sinterform. Das sind die kryogenen Höhlenkarbonate.“

Sinterpagode Rassl System
Andreas Langer
Sinterpagode

Bereits vor 20.000 Jahren hatte Kärnten Gletscher

Schon vor Jahren wunderten sich Höhlenforscher, warum es Anhäufungen von Sinterblättchen gibt. Sie sehen aus wie Sägespäne: „Universitätsprofessor Spöttl, ein Geologe der Universität Innsbruck, kam zu der Erkenntnis, dass die Sinterblättchen entstehen, wenn Wasser auf Eis trifft und dann gefriert. Der Kalk fällt genau zu diesem Zeitpunkt aus.“ Diese Erkenntnisse wurden dazu herangezogen, um den Sinter genauer zu untersuchen und altersmäßig zu bestimmen. Dabei wurde laut Langer herausgefunden, dass – anders als es in der Literatur erfasst wurde – Kärnten nicht erst vor 10.000 Jahren vergletschert war: „Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft kann man sagen, dass es bereits vor 20.000 Jahren in Kärnten einen Gletscher gab.“

Auch neue Höhlen bieten spannende Erkenntnisse

Nach wie vor werden auch neue Höhlen gesucht. Auf dem Loiblpass wurde vor kurzem eine neue Höhle entdeckt, die dort der Bevölkerung zwar bekannt war, jedoch nicht den Höhlenforschern, sagte Langer: „Es handelte sich um eine durch Zufall an uns herangetragene Höhle. Bei Grabungsarbeiten, die damit aber nichts zu tun hatten, brach der obere Teil der Höhle ein. Wir haben uns dann das Ganze angesehen und fanden heraus, dass sie zwar nur 25 Meter lang ist, aber eine kaminartige Ausbreitung von unten nach oben hat.“

Diese Höhle bilde ein klassisches Winterlager für Fledermäuse, aufgrund der höheren Temperaturen. Diese Höhle wird von Fledermäusen gerne auch im Sommer als Rückzugsort verwendet, wie man bei Kontrollgängen feststellte.

Fledermaus im Stollen
ORF
Fledermaus in Höhle

Vermessung, Dokumentation und Schutz im Mittelpunkt

Wenn eine neue Höhle gefunden wird, muss diese vermessen, aber auch die vorhandenen Tiere und Pflanzen dokumentiert werden. Laut Langer beschäftige sich ein Kollege beim Naturwissenschaftlichen Verein intensiv mit der Käferforschung, zum Beispiel von Höhlenblindkäfern. „Er hat schon viele bisher unbekannte Arten entdeckt.“

Käfersuche Sapotnica Quellhöhle
Andreas Langer
Käfersuche in der Sapotnica-Quellhöhle

Außerdem werde kontrolliert, ob die Höhlen verschmutzt sind oder öfter von Personen, die nichts mit der Höhlenforschung zu tun haben, begangen werden: „Wir schauen darauf, dass unsere Naturhöhlen in Kärnten geschützt bleiben.“

Höhlenvermessung
Herbert Preiml
Geräte zur Höhlenvermessung

Enge grenzübergreifende Zusammenarbeit

Kärntens Höhlenforscher arbeiten auch mit Kollegen aus Friaul Julisch Venetien und Slowenien zusammen, erzählt Andreas Langer: „Wir leben den ‚senza confini‘-Gedanken schon sehr lange. Früher gab es auch Treffen mit Höhlenforschern aus Friaul Julisch Venetien und Slowenien. Leider ist das ein bisschen eingeschlafen.“ Im Laufe der vergangenen 30 Jahren sei das Interesse etwas geringer geworden.

Karstwasser Rassl System
Andreas Langer
Karstwasser im Rassl System

Dennoch tausche man sich nach wie vor gerne mit den südlichen Nachbarn aus, so Langer: „In Österreich haben wir in etwa 14.000 Höhlen auf unserem Bundesgebiet. In Kärnten sind uns 600 bis 650 Höhlen bekannt. Slowenien, das von der Fläche her doch deutlich kleiner als Österreich ist, hat an die 14.000 bis 15.000 Höhlen. Italien ist das flächengrößte Gebiet unter den dreien und hat ungefähr 30.000 bekannte Höhlen.“

Screenshot Kärntner Höhlenkataster
Andreas Langer
Im Kärntner Höhlenkataster sind sämtliche Höhlen der Region dokumentiert

Kärntner Höhlentaucher erkundeten italienische Höhle

Die Mitarbeit von Kärntens Höhlenexperten bei italienischen und slowenischen Forschungsprojekten nimmt allerdings zu, vor allem beim Höhlentauchen. Es handle sich um eines der gefährlichsten Hobbys überhaupt, so Langer: „Voriges Jahr haben Kollegen aus Villach in einer italienischen Höhle einen komplett neuen Bereich ertaucht und erschlossen. Dieser wird in den Plänen als Kärntner Höhlenteil benannt.“

Die Erforschung sei noch nicht abgeschlossen. „Der Bereich ist so groß, dass im hinteren Bereich noch neue Höhlenteile unerforscht sind. Im heurigen Jahr gehen die Arbeiten weiter“, so der Experte.