Alte Schwimmaufnahmen
ORF/Peter Matha
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Lifestyle

Bereits 7.000 Filme im Archiv gesammelt

Filmarchiv Austria, Landesmuseum, Land Kärnten mit Unterstützung der Regionalmuseen und des ORF Kärnten machen sich auf die Suche nach Filmen, die die private Welt vor 40, 50 oder 60 Jahren zeigen. Mehr als 200 Kärntnerinnen und Kärntner gaben bisher ihre analogen Amateurfilme ab, um kostenlos eine digitale Kopie zu bekommen.

Die Suche nach Amateurfilmen aus den letzten hundert Jahren heftete sich Ernst Kieninger, der Leiter des Filmarchivs Austria, auf die Fahnen. Kärnten ist gerade dabei, 8 oder 16 Millimeterfilme einzusammeln und den Besitzern eine digitale Kopie anzufertigen, die man sich auf Fernseher oder Computer anschauen kann. Unglaubliche 7.000 Filme wurden in den vergangen zwei Monaten abgegeben. Tausende liegen noch versteckt auf Dachböden, in Kellern oder Schubladen.

Sammelaufrufe in mehreren Bundesländern

Kistenweise, aber mit größter Vorsicht landen die bisher gesammelten 7.000 Filme in Wien beim Augarten, wo das österreichische Filmarchiv untergebracht ist, so Filmarchiv-Direktor Kieninger: „Wir haben dann im Burgenland, in Niederösterreich, Salzburg und zuletzt in der Steiermark solche großen Suchaufrufe gemacht und freuen uns jetzt, auch im Bundesland Kärnten eine Suchaktion durchführen zu können.“

Dreharbeiten im Filmarchiv
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Dreharbeiten im Filmarchiv

Kieninger ist einer der Väter der Idee, Amateurfilme sammeln, zu digitalisieren und damit zu bewahren: „Das Filmarchiv Austria ist mit diesen Suchaufrufen eigentlich Pionier, und zwar nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern sogar weltweit. Man hat dem Material weniger Wert beigemessen und erst durch diese Aktionen, durch die Erkenntnis, was sich da alles hier an Dingen finden lässt, ist die Sensibilität auch unter den Filmarchiven gewachsen.“

„Amateurfilme lange nicht wertgeschätzt“

Auch, wenn schon etliche in 8 und 16 Millimeter in Farbe und Schwarz-Weiß verschwunden sein müssen, Kieninger sagt, besser jetzt suchen als in zehn oder 20 Jahren: „Das Filmarchiv Austria hat schon vor einigen Jahren gemerkt, dass private Filme, Amateurfilme, mitunter gar nicht so wertgeschätzt werden und dann in der Generationsweitergabe dazu tendieren, zu verschwinden, weggeschmissen zu werden. Wir haben auf der anderen Seite gesehen, dass diese Filme oft unschätzbare Inhalte, tolle Alltagsdokumentationen bieten und haben uns gedacht, es ist jetzt vielleicht der gute, richtige Moment, Suchaufrufe zu machen.“

Geschmolzene Filmrolle
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Auch in solchem Zustand kommen Filmrollen an

Quellenmaterial soll gesichert werden

Jeder, der Filme zum Digitalisieren abgibt, bekommt sie danach entweder zurück oder er kann sie dem Archiv schenken. Damit bleiben sie richtig klimatisiert und gelagert, als Originale erhalten, so Kieninger: „Es gibt Prognosen, die sagen, dass speziell das Kodachrome-Farbmaterial, das die Filmamateure sehr gerne verwendet haben, mehrere hundert Jahre lang halten wird können. Wir sind zuversichtlich und hoffen, es nahezu für die Ewigkeit archivieren zu können. Auch Schwarz-Weiß-Material ist ein sehr dankbares Archivmedium. Das ist eines der Hauptziele des Suchaufrufs, dieses Quellenmaterial zu sichern.“

Altes Filmmaterial
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Erhalt lebendiger Erinnerungen

Es ist ein Projekt für die Zukunft, der Erhalt der lebendigen Erinnerung auf Amateurfilm: „Das Prinzip des Suchaufrufs ist, dass wir wirklich alles eingebrachte Material übernehmen und auch alles digitalisieren.“ Die Besitzer wissen meistens gar nicht, was auf den Bändern drauf ist: „Erst in der Digitalisierung entdeckt man dann auch die Perlen und die wahren Schätze, die sich bei solchen Filmen und Suchaufrufen verbergen.“ Es sei sehr viel technische Arbeit und viel Logistik notwendig. Kieninger glaubt, dass man in Kärnten über 20.000 Filme erhalten könnte.

„Damals war filmen sehr teuer“

Es ist oft eine Schatzsuche auf dem Dachboden. „Kärnten privat“ sei eine Bestandsaufnahme des Lebens in bewegten Bildern, sagte Kieninger: „Es ist ein unglaublich spannendes Material, weil es uns die Perspektive der Menschen und ihre Selbstzeugnisse auch zeigt. Was haben sie für wichtig erachtet? Was war ihnen ein großes Anliegen, dass es auf Film dokumentiert wird? Man darf ja nicht vergessen, das war damals in der analogen Filmereizeit noch ein ganz teures Material. Man musste sich genau überlegen, was man filmt und man darf nicht vergessen, das, was wir da sehen, und sei es einfach nur aus heutiger Sicht banale Privatfilmerei, das kann sich in Jahren und Jahrzehnten mit Bedeutung aufladen. Ich denke oft daran, wie froh wären wir, hätten wir filmische Aufzeichnungen aus den 20er, 30er Jahren.“

Wichtiger Gegenpol zu Propagandafilmen

Was man heute noch von Fronten und Festen der NS-Zeit in Dokumentationen sieht, ist Propagandamaterial des Regimes. Oft gestellt, um zu verherrlichen. Filme des echten Lebens könnten da ein Geschichtsbild korrigieren: „Wo die privaten Filme die einzige Gegenquelle zur offiziellen Filmpropaganda darstellen. Filmamateure haben damals einfach das Leben an der Heimatfront dokumentiert, haben mitunter die Kamera sogar mitgehabt im Krieg. Und da sind berührende und teilweise wirklich unglaublich interessante Film- und Bildquellen entstanden.“

Man sei überrascht gewesen, dass es damals sogar schon Farbaufnahmen gegeben habe. Die Zeit des Nationalsozialismus in Farbe sei heute vor allem durch Filmamateure dokumentiert.

Interessante Themenbereiche

Es seien die faszinierenden kleinen Dinge, die man auf den alten Filmen finden könne, so Kieninger: „Wir haben schon einige Forschungsprojekte, die sich jetzt mit diesen Amateurfilmsammlungen befassen, die zum Beispiel die Geschichte des Essens und der Ernährung erforschen oder auch die Geschichte von Migration. Auch das sind Themen, die immer wieder auch in den Filmen vorkommen.“

Sendungshinweis:

Radio Kärnten Mittagszeit; 21.2.2024

Früher wäre es sehr aufwendig gewesen, eine solche Aktion zu starten: „Wir haben erst in den letzten Jahren die Möglichkeit bekommen, solche großen Mengen an analogen Filmmaterial auch zu digitalisieren, in guter Qualität zu digitalisieren. Das hätte es vor 20, 30 Jahren wahrscheinlich in dieser Form noch nicht gegeben.“ Wenn alles so weiterläuft, haben die Mitarbeiter des Filmarchivs Austria viele Monate mit den Kärntner Amateurfilmen zu tun: „Wir haben Filme, die schon 100 Jahre alt sind zum Beispiel und immer noch abspielbar sind.“

Mehr zur Suchaktion gibt es bei der kostenfreien Hotline: 0800 220 155.