Politische Landkarte
ORF
ORF
Politik

Wahl 21: Die Schlüsse der Analysten

Wo SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grüne besser oder schlechter bei Wahlen abschneiden, wer ihre Wählergruppen sind und ob die Alters- und Berufsstruktur eine Rolle beim Wählen spielt, hat Heinz Wassermann von der Fachhochschule Joanneum für den ORF Kärnten analysiert. Hier die Ergebnisse.

In 74 von 132 Gemeinden gibt es absolute, in 58 relative Mehrheiten. Das sind nicht unbeträchtliche Unterschiede zur ziemlich ausgeglichenen Situation nach den Wahlen 2015. Damals gab es 68 Gemeinden mit einer absoluten und 64 mit einer relativen Mehrheit. SPÖ, ÖVP, FPÖ und die Bürger-/Namenslisten weisen 2021 jeweils mehr Gemeinden mit absoluten als mit relativen Mehrheiten. 2015 traf dies nur für die SPÖ-Gemeinden zu.

Die SPÖ hat in 54 Gemeinden eine Mehrheit, die ÖVP in 42, die FPÖ in 13, das Team Kärnten in einer. 23 Mehrheiten in den Gemeinden entfallen auf Listen, die die Landeswahlbehörde keiner Partei zuordnet.

Neue Mandatsstände
ORF
Ergebnisse der Gemeinderatswahl 2021 in Kärnten

Weniger Bürgermeister in Stichwahlen

2015 mussten sich noch 37 Bürgermeister einer Stichwahl stellen, sechs Jahre später sind es 28. In drei Gemeinden, Mallnitz, Reichenfels und Albeck, von 102 bisher auswertbaren Gemeinden hat der Bürgermeister weder eine absolute noch eine relative Mehrheit. In 70 Gemeinden verfügt er über eine absolute und in 29 über eine relative Mehrheit. Aufgrund der eindeutigeren Mehrheitsverhältnisse und der geringeren Anzahl an Stichwahlen lässt sich eine Tendenz zu Klarheit und Eindeutigkeit ablesen.

Zusammenfassung des Wahl-Ergebnisses

Die SPÖ bleibt in Summe die stärkste Kraft auf Gemeindeebene. Die ÖVP kann ihr Ergebnis im ganzen Bundesland steigern. Die FPÖ muss Verluste hinnehmen.

Trotz Wahlkarten nicht mehr ungültige Stimmen

Die Wahlbeteiligung sank von 76,1 auf 73 Prozent oder um knapp vier Prozentpunkte. In 28 Gemeinden stieg und in 104 sank sie. Der Prozentanteil an gültigen Stimmen erhöhte sich geringfügig von 95,4 auf 96,1 Prozent. Das bedeutet, dass die massive Zunahme an Wahlkarten zu keiner Zunahme an ungültigen Stimmen geführt hat.

Die SPÖ verlor leicht

Die SPÖ kandidierte in 126 von 132 Gemeinden, das derzeitige Ergebnis von 39,9 Prozent bedeutet einen Verlust von 0,3 Prozentpunkten. Die SPÖ-Ergebnisse sind in den Gemeinden mit einem vergleichsweise hohen Prozentanteil an Angestellten und in Gemeinden mit einer hohen Anzahl an abgegebenen und gültigen Stimmen sowie Wahlberechtigten besonders gut. Außerdem unterscheidet es sich stark in Gemeinden, in denen die Wahlbeteiligung entweder ab- oder zunahm und wie stark diese Ab- und Zunahme ausgeprägt war.

SPÖ Analyse
ORF

SPÖ punktet bei Angestellten

Je höher der Prozentanteil an Angestellten in einer Gemeinde ist, umso besser ist das jeweilige Ergebnis der SPÖ auf Gemeindeebene. Je mehr Stimmen überhaupt und je mehr gültige Stimmen abgegeben wurden, beeinflusst dies jeweilige Ergebnis der SPÖ positiv. Dasselbe gilt für die Anzahl an Wahlberechtigten: Je mehr es in einer Gemeinde gibt, desto besser schneidet die SPÖ ab.

Außerdem sind die SPÖ-Ergebnisse in Gemeinden, in denen die Wahlbeteiligung abnahm, wesentlich besser als in solchen, in denen sie zunahm. Je stärker der Rückgang der Wahlbeteiligung zwischen 2015 und 2021 war, desto besser waren das jeweilige Abschneiden der SPÖ.

Land- und Forstwirtschaft für SPÖ-Stimmen ungünstig

Massive Probleme hat die SPÖ in Gemeinden mit einem hohen Beschäftigtenanteil in der Land- und Forstwirtschaft, mit einem hohen Prozentanteil an Selbstständigen und in Gemeinden mit hoher Wahlbeteiligung. Je höher der Prozentanteil der in der Land- und Forstwirtschaft Beschäftigten in einer Gemeinde ist, desto schlechter schneidet die SPÖ jeweils ab.

Dasselbe gilt, wenn man den Prozentanteil von Selbstständigen in einer Gemeinde zur Berechnung heranzieht. Je höher die Wahlbeteiligung in einer Gemeinde ist, desto schlechter ist das jeweilige SPÖ-Ergebnis.

ÖVP Analyse
ORF

ÖVP vor allem von Selbstständigen gewählt

Die ÖVP bzw. ihr zuzuordnende Namenslisten traten in 125 Gemeinden an. Im Vergleich zu den Gemeinderatswahlen konnte sie laut Website des Landes ihr Ergebnis um 1,6 Prozentpunkte auf 24,3 Prozent steigern. Für ein aus Sicht der Volkspartei gutes Wahlergebnis sprechen der Prozentanteil an sowohl wahlberechtigten als auch nicht wahlberechtigten Selbstständigen in einer Gemeinde. Außerdem die Veränderung an arbeitslosen Personen zwischen 2020 und 2021 sowie die Höhe der Wahlbeteiligung auf kommunaler Ebene.

Je höher der Selbstständigenanteil in einer Gemeinde ist, desto besser ist das jeweilige Ergebnis der Volkspartei. Je stärker die Anzahl an arbeitslosen Personen im Jahresvergleich 2021/2021 zunahm, desto besser schneidet die ÖVP ab. Je höher der Prozentanteil an Personen in einer Gemeinde, die vom Wahlrecht Gebrauch machten, ist, desto besser ist das jeweilige Gemeindeergebnis der Volkspartei.

Anzahl von Nicht-EU-Bürgern hat Einfluss

Gegen Wahlerfolge der Volksparteien sprechen ein hoher Anteil an Nicht-EU-Staatsbürgern in einer Gemeinde, die Höhe der abgegebenen und auch der gültigen Stimmen sowie die Anzahl an Wahlberechtigten in einer Gemeinde. Je höher der Prozentanteil der Nicht-EU-Staatsbürger in einer Gemeinde ist, desto schlechter schneidet die ÖVP ab.

Je mehr Stimmen und gültige Stimmen in einer Gemeinde abgegeben wurden, desto schlechter ist das jeweilige Ergebnis der Volkspartei. Je mehr Menschen in einer Gemeinde wahlberechtigt waren, desto schlechter schnitt die ÖVP jeweils ab.

FPÖ verlor 4,2 Prozentpunkte

Das Gesamtergebnis der FPÖ sank ohne zuordenbare Namenslisten von 18 auf 13,8 Prozent, das ist ein Minus von 4,2 Prozentpunkten. Die FPÖ trat in 119 Gemeinden an. Für ein gutes FPÖ-Ergebnis sprechen ein hoher Prozentanteil an Selbstständigen, egal ob wahlberechtigt oder nicht, und eine hohe Wahlbeteiligung. Hier tun sich Parallelen zu positiven Einflussfaktoren auf die Ergebnisse der Volkspartei auf.

FPÖ Analyse
ORF

Männer mit Berufsabschluss wählen FPÖ

Außerdem spricht für die Freiheitlichen an hoher Anteil an Lehr-/BMS-Absolventen, an Männern in der Altersgruppe von 19 bis 50 Jahren sowie ein hoher Anteil an in der Land- und Forstwirtschaft Beschäftigten. Je höher der Prozentanteil an Selbstständigen ist, desto besser ist das jeweilige Wahlergebnis der FPÖ. Je höher die Wahlbeteiligung war, desto besser schnitt die FPÖ ab.

Je höher der Prozentanteil von Personen mit einem Lehrabschluss oder einer absolvierten Berufsbildenden Mittleren Schule in einer Gemeinde ist, desto besser fällt das jeweilige Ergebnis der FPÖ aus. Je höher der Prozentanteil von im Primärsektor Tätigen ist, desto besser schneidet die FPÖ jeweils ab

Hoher Frauenanteil ungünstiger für FPÖ

Tendenziell schlechtere Ergebnisse für die FPÖ weisen Gemeinden mit höheren Prozentanteilen an Maturanten als höchsten Bildungsabschluss auf, unabhängig davon, ob sie wahlberechtigt sind oder nicht. Außerdem Gemeinden mit höheren Frauenanteil unter der Gemeindebevölkerung sowie mit höheren Prozentanteilen an Angestellten, unabhängig von der Wahlberechtigung. Weiters – auch hier zeigen sich über weite Strecken Gemeinsamkeiten mit den für die Volkspartei errechneten Einflussfaktoren – schlagen sich die Anzahl der abgegebenen sowie der gültigen Stimmen, der Prozentanteil an gültigen Stimmen sowie die Anzahl der Wahlberechtigten negativ zu Buche.

Je höher der Prozentanteil an Maturanten in einer Gemeinde ausgeprägt ist, desto schlechter ist das jeweilige Ergebnis der FPÖ. Dasselbe gilt für den Prozentanteil von Frauen in einer Gemeinde: Je stärker er besetzt ist, desto schlechter schneiden die Freiheitlichen ab. Je mehr Stimmen in einer Gemeinde abgegeben wurden, je mehr Stimmen gültig waren und je mehr Personen in einer Gemeinde wahlberechtigt waren, desto schlechter ist das jeweilige FPÖ-Gemeindeergebnis. Dasselbe gilt für den Prozentanteil an gültigen Stimmen: Je höher er ist, desto schlechter für die FPÖ.

Grüne punkten bei Höhergebildeten

Die Grünen kandierten in 29 Gemeinden. Sie schneiden in Gemeinden mit einem hohen Anteil an Hochschulabsolventen und – in Analogie zur ÖVP und FPÖ – mit einem hohen Anteil an Selbstständigen besonders gut ab. Je höher der Prozentanteil an Hochschulabsolventen, wiederum unabhängig davon, ob sie wahlberechtigt sind oder nicht, desto besser schneiden die Grünen ab.

Dasselbe gilt für den Prozentanteil der Selbstständigen. Auch hier spielt es keine Rolle, ob die Personen wahlberechtigt war oder nicht. Je höher er ist, umso besser ist das jeweilige Ergebnis der Grünen. Außerdem sind die Ergebnisse der Grünen in Auspendlergemeinden wesentlich besser als in Einpendlergemeinden.

Hoher Arbeiteranteil ungünstiger für Grüne

Negativ auf die Ergebnisse der Grünen wirken sich ein hoher Prozentanteil an Personen mit maximal einem Pflichtschulabschluss sowie an Arbeitern aus. In beiden Fällen spielt es keine Rolle, ob es sich um Wahlberechtigte handelt oder um Nicht-Wahlberechtigte. Je höher der Prozentanteil an Pflichtschulabsolventen und an Arbeitern ausgeprägt ist, desto schlechter schneiden die Grünen ab.

Faktoren für Wahlergebnisse

Das Durchschnittsalter oder die prozentuellen Besetzungen von Altersgruppen wirken sich auf die Wahlergebnisse von SPÖ, ÖVP, FPÖ oder Grüne nicht aus, zeigt die Analyse. Weder das Durchschnittsalter noch die Prozentanteile der bis 19-Jährigen, der Altersgruppe zwischen 20 und 64 und der Altersgruppe 65 und älter haben messbare Auswirkungen auf die jeweiligen Gemeindeergebnisse der vier Parteien.

Bildung macht Unterschiede

In Zu- und in Abwanderungsgemeinden wird nicht so unterschiedlich gewählt, als dass dies ein relevanter Faktor sein könnte. Ein Faktor ist aber sehr wohl die Bildung, eindeutig nachweisbar vor allem bei FPÖ und Grünen. Die FPÖ profitiert tendenziell von einem hohen Anteil an Personen mit einem Lehr- bzw. BHS-Abschluss in einer Gemeinde, negativ wirken sich hohe Prozentanteile von Maturanten aus.

Wahlgrafik

Alle Gemeindeergebnisse der Bürgermeister- und Gemeinderatswahl sind auf der ORF.at-Wahlgrafik zu finden.

Ein hoher Anteil von Pflichtschulabsolventen in einer Gemeinde spricht gegen ein gutes Ergebnis der Grünen. Ein hoher Prozentanteil von Hochschulabsolventen wirkt sich hingegen positiv auf das jeweilige Abschneiden aus. Interessant ist auch, dass es keinen Unterschied macht, ob man die Prozentanteile unter der Gesamtbevölkerung oder unter den Wahlberechtigten heranzieht.

Am Land gehen mehr zur Wahl

In Land- und Stadtgemeinden gib es keine relevanten Unterschiede für die Gesamtergebnisse der Parteien. Allerdings liegt die Wahlbeteiligung in Städten um sieben Prozentpunkten unter der in Landgemeinden.

Es gibt nachweisbare Zusammenhänge zwischen den Prozentanteilen von Beschäftigten in den drei Wirtschaftssektoren, Land- und Forstwirtschaft, Industrie und Gewerbe sowie Dienstleistungen und den Wahlergebnissen, vor allem bei SPÖ und FPÖ. Je höher die drei Sektoren ausgeprägt sind, desto besser schneidet die FPÖ und desto schlechter die SPÖ ab.

Wen man die Gesamtbevölkerung heranzieht, macht es keinen Unterschied, ob in einer Gemeinde mehr Frauen als Männer leben. Betrachtet man allerdings die Altersgruppe der 19- bis 50-Jährigen, dann schon. Je höher der Männeranteil in einer Gemeinde ist, desto besser ist das jeweilige Ergebnis der FPÖ. Je höher der Frauenanteil ist, desto schlechter schneidet sie ab.

Berufsgruppen zeigen große Unterschiede

Der Arbeiter-, Angestellten- und Selbstständigenanteil in einer Gemeinde spielt eine massive Rolle. In keiner der durchgeführten Auswertungen zeigen sich so viele Unterschiede wie bei der Stellung im Beruf. Ein tendenziell höherer Arbeiteranteil unter der Gemeindebevölkerung führt zu tendenziell schlechteren Ergebnissen der Grünen. Je höher der Prozentanteil von Angestellten ist, desto besser für die SPÖ und schlechter für die FPÖ. Von einem höheren Anteil von Selbstständigen unter der Gemeindebevölkerung profitieren ÖVP, FPÖ und Grüne, auf das Abschneiden der SPÖ wirkt er sich negativ aus.

Die Arbeitslosigkeit nahm infolge der Covid-19-Pandemie massiv zu. Ein Zusammenhang zu den Wahlen ist feststellbar: Je höher die Zunahme unter Männern in einer Gemeinde ist, desto besser fällt das Gemeindeergebnis der Volkspartei aus.

Einfluss der Wahlbeteiligung

Je höher die Wahlbeteiligung ist, desto besser sind die Resultate für ÖVP und FPÖ, für die SPÖ trifft das Gegenteil zu. Die SPÖ schneidet in Gemeinden, in denen die Wahlbeteiligung abnahm, besser ab als in Gemeinden, die eine Zunahme aufweisen. Bei der Anzahl der Gesamtstimmen, der gültigen Stimmen und der Wahlberechtigten zeigen sich zwei gegenläufige Zusammenhänge: Je höher sie jeweils sind, desto besser sind die jeweiligen Gesamtergebnisse der Sozialdemokraten und umso schlechter schneiden Volkspartei und Freiheitliche ab.