Seit der Magenoperation vor sieben Jahren führt Silvia Strobl alles andere als ein normales Leben. Sie kann nicht mehr arbeiten, darf keine schweren Gegenstände heben und muss für den Rest ihres Lebens Diät halten.
Restmagen bei OP irrtümlich verschlossen
Wegen hartnäckiger Refluxbeschwerden rieten die Ärzte in St. Veit Strobl zu einer Magenbypass-Operation. Das bedeutet, dass ein kleines Stück vom Magen für die Nahrungsaufnahme abgetrennt und direkt mit dem Dünndarm verbunden wird. Auch die Darmschleife des Restmagens muss an den Darm angeschlossen werden.
Der knopfloch-chirurgische Eingriff gilt als hochriskant und komplikationsreich, trotzdem wird er häufig durchgeführt. In St. Veit passierte bei Strobls Operation ein Fehler: Der Restmagen wurde nicht mit dem Darm verbunden sondern irrtümlich mit einer Naht dicht verschlossen. Die Säfte aus Magen, Galle, Leber – das sind drei bis fünf Liter pro Tag – können so nicht abfließen. Der Restmagen gleicht durch diesen Fehler einem verschlossenen Sack. Die Säfte stauten sich drei Tage lang zurück, 15 Liter blähten den Restmagen extrem auf.
Der kleine Magenteil mit der Dünndarmnnaht lag aber vor dem aufgeblasenen Restmagen und geriet unter Spannung. Nach dem Erst-Eingriff verschlechterte sich Silvia Strobls Zustand rasch, sie geriet in akute Lebensgefahr. Drei Tage später muss sie notoperiert werden, weil die Naht zwischen Magenteil und Dünndarm leck war. Bei diesem Not-Eingriff wurde der Fehler der Erstoperation entdeckt und ausgebessert. Zehn Wochen lang war sie im Krankenhaus, fünf davon befand sie sich in Lebensgefahr und musste auf der Intensivstation behandelt werden.
Sachverständiger und Gegengutachter uneinig
Silvia Strobl überstand in Folge etliche Operationen. 2016 klagte sie dann das Krankenhaus St. Veit. Ein Gerichtssachverständiger bestätigte zwar Behandlungsfehler und Überdehnung des Magens, stellte aber in Abrede, dass Strobls weiterer Leidensweg dadurch begründet sei.
Der Gegengutachter, der sehr wohl den Behandlungsfehler als Grund ausmacht, wird vor Gericht nicht gehört. Silvia Strobl will dies nicht so hinnehmen. Sie sagte, sie fühle sich ungerecht behandelt und abgespeist. Von den eingeklagten knapp 140.000 Euro erhielt sie rund 7.000 Euro, davon 2.000 Euro Schmerzensgeld, so Paul Wolf.
Krankenhaus: Fehler sachgerecht behoben
Das Krankenhaus St. Veit beruft sich im Wesentlichen auf die Ergebnisse des Prozesses. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es: „Wir bedauern die Beschwerden von Silvia Strobl sehr. Bei Frau Strobl kam es nach einer Operation am Magen zu einer unverschuldeten, schicksalhaften, aber schwerwiegenden Komplikation. Ein vom Gericht festgestellter geringfügiger und folgenloser Behandlungsfehler bei der ersten Operation wurde im Rahmen der zweiten Operation, die wegen der Komplikation notwendig geworden war, sachgerecht behoben. Darüber hinaus erfolgte die Behandlung von Frau Strobl vollkommen vorschriftsmäßig. Wir ersuchen um Respektierung des rechtskräftigen Gerichtsurteils.“
Patientenanwältin: Oft Beschwerden wegen Kunstfehlern
Die Kärntner Patientenanwältin Angelika Schiwek kennt den Fall Strobl gut und hat Jahr für Jahr viele Kunstfehlerbeschwerden zu bearbeiten, bestätigte sie im Interview mit Gudrun Maria Leb vom „Aufgezeigt“-Team: „Wenn einem Patienten ein Nachteil passiert und er nicht gesund aus dem Krankenhaus kommt, erwartet er sich natürlich zumindest eine Geld-Entschädigung.“
Sendungshinweis
Aufgezeigt, Radio Kärnten, 17.11.2020
Erwartungen werden in der Praxis oft enttäuscht
Ihre Erfahrung würde zeigen, dass in der Bevölkerung wenig bekannt sei, dass die Schmerzensgeldsätze in allen Ländern unterschiedlich seien: „Wenn ein Zahnarzt eine Lippe verletzt, weil er mit dem Bohrer abrutscht, sind mehrere Nachbehandlungen erforderlich und eventuell bleibt eine Narbe zurück. Dann bekommt man dafür in Österreich 5.000 oder 10.000 Euro. In Amerika kann es das Zehnfache sein, also 100.000 Euro. Solche Nachrichten werden in den Medien verbreitet und die Menschen merken sich das. Wenn sie dann zu mir kommen und sie über die österreichischen Schmerzensgeldsätze informieren sind sie in der Regel sehr enttäuscht.“
Schiwek fügte hinzu, dass die österreichischen Schmerzensgeldsätze jenen in Deutschland sehr ähnlich seien.
Zahlung aus Härtefonds nach neuerlicher Prüfung
Nach einem verlorenen Prozess – wie im Fall von Silvia Strobl – seien die Möglichkeiten begrenzt: „Wenn ein Gerichtsverfahren für einen Patienten nicht in seinem Sinn geendet ist, gibt es noch die Möglichkeit zu uns zu kommen. Wir prüfen dann immer noch die Frage, ob der Nachteil, den der Patient oder die Patientin erlitten hat, durch die Behandlung selbst verursacht wurde. Das ist der große Unterschied: Wir prüfen nicht, ob irgendeine Sorglosigkeit begangen wurde. Wenn ein schwerer Schaden durch die Behandlung verursacht wurde kann man sich an den Härtefonds wenden. Dann gibt es aus diesem Fonds auch eine Zahlung, die aber wesentlich geringer ist als der Schadenersatz, den man bei Gericht erreichen kann.“
Silvia Strobl erhielt 9.000 Euro aus dem Härtefallfond der Patientenanwaltschaft zugesprochen. Sie will vor Gericht für ihr Recht weiterkämpfen.