Paola Zaccone ist studierte Immunologin, lebte und forschte lange in England. Vor neun Jahren kehrte sie in ihre Heimat Friaul Julisch Venetien zurück und hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die Kaschmirziege hier anzusiedeln: „2015 bin ich nach Italien zurückgekehrt, in den Heimatort meiner Mutter. In unserer Familie gibt es eine lange Tradition der Ziegenzucht. Früher waren sie die Kühe der Armen in unseren kleinen Bergdörfern. Auch meine Urgroßmutter und meine Großmutter hatten Ziegen.“
Perfekt an Landschaft angepasst
Nach dem Zweiten Weltkrieg seien diese Tiere allmählich verschwunden, so Zaccone, weil die Zucht von Rindern für die Bauern lukrativer gewesen sei. Dennoch würden auch die Ziegen durch die relativ unkomplizierte Haltung Vorteile bieetn: „Sie passen sich gut an die Vegetation, die Höhen und die Berge an. Sie können sich auch im Winter von wildem Grünfutter ernähren. Insbesondere diese Art von Ziegen, die Kaschmir-Ziegen, können sowohl im Sommer, als auch im Winter in der Natur Futter finden.“
Kleinbauern produzieren Kaschmir „made in Friaul“
In China und der Mongolei, aber auch in Australien und Neuseeland, gibt es die weltweit größten Zuchtfarmen. In Europa ist Schottland führend. Das soll sich bald ändern, wenn es nach Paola Zaccone geht: „Das Hauptziel des Projekts besteht darin, ein Netzwerk von Mini-Ställen, Mini-Farmen, also kleinen Betrieben mit nicht mehr als 20 bis 25 Tieren, zu schaffen, in denen das Wohlergehen der Tiere an erster Stelle steht und die sich auf die Kaschmirfaser aus Friaul Julisch Venetien spezialisieren.“
Stallhaltung ließ Unterhaare verschwinden
Aber was macht den Kaschmir eigentlich so besonders? Paola Zaccone erklärt, dass es sich dabei um das Unterhaar der Ziege handelt: „Es wird angenommen, dass ursprünglich fast alle Ziegen diesen Schutz für den Winter hatten. Durch die Züchtung von Rassen, das Einstallen der Tiere und die Verwendung von Futtermitteln anstelle der natürlichen Vegetation haben die Tiere jedoch die Fähigkeit verloren, sich mit dem Unterhaar, das eben die Kaschmirfaser ist, vor Kälte zu schützen.“
Sie unterscheidet sich deutlich von Wolle, die man landläufig kenne, sagte Zaccone: „Die Wolle stammt von Schafen, während Kaschmir das Unterhaar der Ziege ist. Ziegen haben keine Wolle, es ist Unterhaar, ähnlich wie alle Tiere. So wie Hunde und Katzen im Winter ein Winterfell haben, kann auch die Ziege diese Eigenschaft haben, wenn sie sich im Freien aufhält.“
Verschiedene Farbnuancen
Im Frühjahr, wenn die Tage länger werden, werden die Tiere vom Unterhaar befreit – es wird „ausgebürstet“, geschoren werden sie nicht: „Wir kämmen sie und sammeln maximal 100 bis 500 Gramm, wir sprechen hier von Gramm an Tierfaser. Einige Tiere haben eine sehr feine, lange Faser. Die Farbe der Fasern geht von Elfenbein bis Braun, das auch sehr dunkel ausfallen kann“, sagte Zaccone.
Servus Srecno Ciao am 3. Februar 2024
Gefärbt werden die Kaschmirhaare von „Friul Cashmere“ nicht: „Es wird mit Seide oder andere natürlichen Fasern, wie Bambus, verwoben, um andere Töne zu erzielen. Das geht sonst auch mit Färbepflanzen.“ Grundsätzlich haben alle Ziegen dieser Rasse Kaschmirfasern: "Die Weibchen liefern oft nicht so hochwertigste Kaschmirfasern, weil ihr Stoffwechsel oft mit dem Tragen der Jungen und dem Stillen beschäftigt ist.
Daher sei das kastrierte Männchen der Hauptproduzent. Im Gegensatz zu Milchziegen werden die männlichen Tiere nicht geschlachtet, sondern im Alter von drei bis sechs Monaten kastriert. Sie produzieren im Wesentlichen die größte Menge an Kaschmir-Fasern, sagte Zaccone.
Immer mehr Unterstützer
Bei ihrem Projekt unterstützen Paola Zaccone eine Tierärztin und mittlerweile auch mehrere Kleinbauern, die sich auf die Kaschmirziegenzucht spezialisieren. Einer davon ist Ivo Romanelli und seine Partnerin Branca aus Slowenien. Hoch über Montereale Valcellina fühlen sich ihre 14 Ziegen sichtlich wohl und auch der ehemalige Manager findet Erfüllung in seiner neuen Aufgabe: „Bis vor drei Jahren war ich noch Manager in einer international tätigen Firma mit ganz anderen Aufgaben. Schrittweise habe ich gelernt, mit den Tieren zu arbeiten und ihre unterschiedlichen Charaktermerkmale kennenzulernen.“
Sendungshinweis:
Servus, Srecno, Ciao, 3.2.2024
Die Kaschmirziegen unterscheiden sich nämlich von den gewöhnlichen Milchziegen, sagte Romanelli: „Sie sind sehr widerstandsfähig. Nur wenn es stark regnet ziehen sie sich in den Stall zurück. Außerhalb des Geheges haben sie zwei Hektar Weidefläche in den Bergen, wo sie sich frei bewegen können, so wie es sein soll. Das Wohl der Tiere kommt für uns an erster Stelle.“
Auch Nonnen schätzen Kaschmirziegen
Und dann wären da noch die Nonnen aus dem Benediktinerorden von Poffabro. 13 Tiere sorgen nicht nur für einen gepflegten Klostergarten – unter den Besuchern wecken sie mit ihren biblischen Namen die Neugier, sagt Schwestern Rosanna: „Die Besucher fragen nach der Bedeutung der Namen, so kommen wir mit ihnen auch über religiöse Themen ins Gespräch.“
Auch Milch wird verwertet
Auch die Nebenprodukte sollen verwertet werden: So wird die Ziegenmilch zu Käse, Joghurt oder Ricotta weiterverarbeitet und auch Seifen mit verschiedenen natürlichen Aromen entstehen. Das Netzwerk der Züchter soll künftig noch weiter wachsen – und letztendlich auch den naturnahen Tourismus in der Region – durch geführte Wanderungen und Exkursionen mit Schulklassen – ankurbeln, sind die Paola Zaccone und ihre Mitstreiter überzeugt.