Dorf in den Natisonetälern
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Sommersonnenwende in den Natisonetälern

Rund um die Sommersonnenwende gibt es im Alpen-Adria-Raum unterschiedliche jahrhundertealte Bräuche. In den Natisonetälern werden in der Johannisnacht beim geselligen Beisammensein rund um das Lagerfeuer die „Marve“ serviert. Blumenkreuze an den Türen der Häuser sollen vor negativen Einflüssen schützen.

Knapp 300 Einwohner zählt die kleine Gemeinde Stregna, nahe der italienisch-slowenischen Grenze, die sich fächerartig zwischen dem Monte Cum bis zur Grenze der Gemeinde Prepotto erstreckt. Unweit davon befindet sich der Judrio-Fluss (Idrija auf Slowenisch) und der Torrente Erbezzo (Arbeč auf Slowenisch). Unter der Woche pendeln die meisten Stregnesi zum Arbeiten aus. Hier finden Ruhesuchende also ideale Bedingungen.

Dorf in den Natisonetälern
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Die Natisonetäler bieten viel unberührte Natur und stille Plätze zum Verweilen

Durchreisende kommen nur selten hierher. Viel mehr jene, die Ursprünglichkeit und unberührte Natur suchen. Wo vor Jahrhunderten das Vieh weidete, breiteten sich in den letzten Jahrzehnten Buchen- und Kastanienwälder aus, die die Valli del Natisone, Nediške doline, also die Hügel der Natisonetäler, heute großteils bedecken.

Caterina Dugaro Zubereitung Marve
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Caterina Dugaro bei der Zubereitung der „Marve“

„Brösel“ zur Nachmittagsjause

Caterina Dugaro betreibt mit ihrem Mann Therry einen Agriturismo und bereitet im Frühling – nach einem alten Rezept – für ihre Gäste die „Marve“ zu: „Dieses Gericht wird hauptsächlich im Mai und Juni zubereitet, weil da die Kräuter das intensivste Aroma haben.“

Sendungshinweis:

„Servus, Srecno, Ciao“, 10.6.23

Früher bereiteten es die Mütter und Großmütter meistens nachmittags zur Jause zu. Sie stellten die Schüssel in die Mitte des Tisches und jeder konnte sich mit den Händen selbst bedienen." Die Bezeichnung für dieses Gericht stammt aus dem lokalen slowenischen Dialekt und steht für „Brösel“, sagt Caterina Dugaro.

Frische Kräuter verleihen besondere Note

Ähnlich wie Omelette wird der Teig der Marve aus Mehl, Eiern und Milch zubereitet, nur dickflüssiger sollte er sein. Hinzu kommen frisch gehackte Kräuter: Salbei, eine besondere Minze und Mutterkraut, dem eine gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt wird. Außerdem wilder Fenchel und Liebstöckel.

Gewürzt wird der Teig – so wie früher, als Salz und Zucker noch kostbare Handelsgüter waren – erst bei Tisch. So bekommt der knusprige Snack – je nach Belieben – eine süße oder salzige Note.

Blütenkreuze sollen Unheil abwehren

Nicht fehlen dürfen die Marve auch während der „Notte di San Giovanni“, der Johannisnacht, in der im Feuerschein des „Kries“ gegessen, getanzt und gesungen wird. Dort werden auch die ausgedienten Blumen-Kreuze verbrannt, die der Überlieferung nach eine besondere Wirkung haben sollen. „Croce di San Giovanni“ heißen sie.

In der Benecija, also in den Bergen der oberen Natisonetäler, werden sie seit Jahrhunderten auf dieselbe Art gemacht. Die Ursprünge gehen auf vorchristliche Zeiten zurück, erklärt Erika Balus: „Diese Kreuze werden an den Haustüren angebracht, um das ganze Jahr über negative Einflüsse abzuwehren.“ Sie bestehen aus Farnblättern, im örtlichen slowenischen Dialekt „pràpot“ genannt.

trockenes Blumenkreuz auf Türe
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Ein Jahr lang bleiben die Blumenkreuze an den Türen, bevor sie durch neue ersetzt werden

Dazu kommt der „Waldgeißbart“, denn die weißen, langgezogenen Blütenträger sehen aus wie der Bart des Heiligen Johannes, also die „Barba di San Giovanni“, wie man ihn in den Natisonetälern auf Italienisch nennt. „Mit weißen und gelben Margeriten werden sie zu einem Kreuz gebunden. Rosen oder Geranien kommen ins Zentrum und verschönern das Ganze“, sagt Erika Balus.

Erika Balus und Caterina Dugaro
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Erika Balus überreicht Caterina Dugaro ein frisches Blütenkreuz

Legenden um „Wunder“ der Johannisnacht

Für die, die daran glauben, liegt im Tau der Johannisnacht eine besondere Kraft, sagt Erika Balus. Durch ihn sollen zum Beispiel dem Volksglauben nach gepflückte Rosen oder andere Blumen bis zu einen Monat haltbar bleiben.

Sie erinnert sich auch an Erzählungen von Bauern, die früher vor dem Schlafengehen auch zwölf Nussschalen auf die Fensterbänke legten: „Sie standen für die Monate im Jahresverlauf. Jene, die am Morgen danach mit Tau gefüllt waren, sollten besonders regenreiche Monate werden. Jene, die leer waren, verhießen schönes Wetter.“

Lagerfeuer Notte di San Giovanni Johannisnacht Sommersonnenwende Natisonetäler
Amerigo Dorbolò Uek
Ein „Kries“ in den Natisonetälern

Erika Balus sagt, der Tau soll während der Johannisnacht auch vergilbte Wäschestücke wieder strahlend weiß gemacht haben. „Die jungen Frauen im Tal schworen auch darauf, dass ihre Haut besonders rosig wird, wenn sie die mit Morgentau bedeckten Hänge hinunterwalgten.“

Das jahrhundertealte Brauchtum kann während der „Notte di San Giovanni“, in der Nacht von 23. auf 24. Juni, in den Natisonetälern erlebt werden.