Hüte, die durch die Luft fliegen. Mülltonnen, die wie von Geisterhand bewegt, durch Straßen fahren. Motorräder, die wie Dominosteine eines neben dem anderen auf dem Boden liegen – all das macht die Bora.
2014 gilt als eines der Bora-Rekordjahre. Wenn die Bora mit Spitzengeschwindigkeiten zwischen 150 und manchmal auch 200 Kilometer pro Stunde durch die Straßen fegt, ist nichts vor ihr sicher. Eine Faustregel besagt, dass es sich dann so anfühlen kann, als würde sich ein Gewicht von hundert Kilogramm gegen einen stemmen.
Nanos-Berg dient der Bora als Tür zur Adria
Die „Tür der Bora“ nahe des Nanos-Berges in Slowenien gilt als der tiefste Übergang in den Alpen, den auch der Bora-Wind nimmt, wenn er aus Ost bzw. Nordost kommt, erzählt Meteorologe Furio Pieri.
Dunkle Bora und helle Bora – Triestiner kennen beide
Pieri: „Die dunkle Bora kommt, wenn es ein Tief und dunkle Wolken am Himmel gibt. Sie verheißt keine angenehme Stimmung. Gibt es ein Hoch und es bläst der Wind, entsteht die sogenannte ‚helle Bora‘. Wir Triestiner sind beide gewohnt und haben uns einfach damit arrangiert.“
Schon vor Jahrhunderten wurde einige einfache, aber effektive Hilfsmittel entwickelt: Früher einmal waren im Karstgebiet nicht nur die Mauern, sondern auch die gesamten Dachkonstruktionen aus Stein.
Ineinander verkeilte Ziegel geben Halt
Die 200 Jahre alte „casa carsica“, ein typisches Beispiel der Karst-Architektur, in Monrupino-Repentabor gibt Aufschluss darüber. Silvana Blasina erzählt, dass die Ziegel der Dächer im Karst so aufeinandergeschichtet und ineinander verkeilt sind, dass man von außen eigentlich nur ein Drittel sieht.
Blasina: „Zwei Drittel befinden sich unter den anderen Steinen. Das sorgt einerseits für Stabilität, hat aber auch sein Gewicht. Aber es hält die gesamte Konstruktion zusammen.“
Kuriositäten-Museum zur Bora in Triest
Nicht nur die Innenhöfe, auch die Dorfbrunnen bekamen früher eigene Schutzmauern. Und damit Fußgänger nicht von den Böen erfasst und auf die Straße geweht werden gab es – wie z.B in Prosecco – eigene Geländer zum Anhalten. In der Hafenstadt Triest ist der Bora auch ein kleines Museum gewidmet, das jede Menge Kuriositäten parat hält.
Goldener Engel: Fingerzeig zur Windrichtung
Egal von wo aus in der Stadt – blickt man in Richtung des Castello, also der Burg, die auf einem Hügel thront, fällt der Blick unweigerlich auf einen goldenen Engel, der auf der Spitze des Turms der Kirche zur Heiligen Maria in Castello thront. Weht eine leichte Brise, folgt ihr quasi der Engel und weist mit seinem Finger in die Richtung, in die der Wind weht. Das kommt nicht von ungefähr, sagt Sergio Nordio, denn der Engel nahm nahm früher eine wichtige Funktion ein, indem er die Windrichtung anzeigte.
Loggia del Lionello mit Sammlung alter Messinstrumente
Auf der Piazza della Libertà befindet sich die Loggia del Lionello – unter Besuchern ein äußerst beliebtes Fotomotiv. Ein genauerer Blick unter das Dach lohnt sich – finden sich dort doch Messinstrumente anno dazumal.
Zum Beispiel ein wie ein Luster von der Decke hängendes Thermometer, das die Ausdehnung des in ihm enthaltenen Metalls misst, oder ein mechanisches Quecksilber-Thermometer, sowie ein Thermograf, also Temperaturschreiber und ein sogenanntes „Igrometer“, also ein Luftfeuchtigkeitsmesser, sowie ein Luftdruckmesser. Meteorologe Sergio Nordio zufolge seien diese alten Instrumente ein interessantes Zeugnis für den technologischen Fortschritt.
Meteorologie: Udine nimmt Vorreiterrolle ein
In Udine werden seit 1776 Wetterdaten erfasst. Sie zählt damit zu den Vorreitern und ist – nach Florenz, Padua und Mailand – die vierte Stadt in Italien, wo damit begonnen wurde, Daten wie Temperatur und andere Parameter zu erfassen, die die Meteorologie betreffen. Eine wichtige Rolle dabei nahm Girolamo Venerio ein. Im naturhistorischen Museum von Udine in der Via Sabbadini sind noch heute antike Messinstrumente aus seinem Besitz zu besichtigen.
Paola Visentini, die Direktorin des Naturhistorischen Museums, sagt, er wurde 1777 geboren und wuchs bald als Waise auf. Seine Familie war recht wohlhabend, wodurch er einige Besitztümer erbte – Immobilien, aber auch landwirtschaftliche Flächen. Er studierte zwar nicht an der Universität, aber interessierte sich – vor allem aus praktischen Gründen für die Meteorologie.
Besessen von Messdaten und Wetterereignissen
Venerio wollte sich den Besitztümern, die er geerbt hatte, widmen und auch mehr über die landwirtschaftlichen Techniken erfahren, um den Ertrag zu fördern. Das brachte ihn näher zur Meteorologie, sagt Paola Visintini. So sei er wie besessen davon gewesen, Messdaten zu sammeln und damit Wetterereignissen auf den Grund zu gehen. Zwei Messstationen nannte Girolamo Venerio sein Eigen, deren Daten noch heute erhalten sind.
40 Jahre ununterbrochene Messreihe
„Mehr als 40 Jahre lang maß er täglich den Luftdruck, die Windrichtung und Luftfeuchtigkeit und führte Aufzeichnungen über andere wichtige Naturereignisse, wie Erdbeben oder Gewitter. Das ist historisch von sehr großer Bedeutung, weil wir so einen Einblick bekommen, wie sich das Klima vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis 1840 veränderte“, so Paola Visintini, die Direktorin des naturhistorischen Museums von Udine.
In den nächsten Jahren sollen dort sämtliche Dokumente zusammengeführt werden, um Einblick in die Geschichte der Anfänge der Meteorologie in Friaul-Julisch Venetien zu geben. Meteorologe Sergio Nordio: „In den Julischen Alpen fällt mit rund 3.000 Millimeter der meiste Niederschlag im ganzen Alpenraum, dazu kommt noch die Schneeschmelze. Zum Vergleich: Hier in der Stadt Udine gibt es im Schnitt 1.500 Millimeter Niederschlag im Jahr. Das ist auch viel im Vergleich zur restlichen Ebene in Norditalien.“
Klimawandel: Plus 2 Grad in Friaul Julisch-Venetien
Ein Vergleich mit aktuellen Daten zeigt: Der Klimawandel macht sich auch in Friaul-Julisch Venetien bemerkbar, so Meteorologe Sergio Nordio. Zum Beispiel durch einen Temperaturanstieg: „In den letzten Jahren – so auch 2022 – haben wir um zwei Grad mehr gemessen als im Durchschnitt in den vergangenen 30 Jahren. Die durchschnittliche Temperatur im Jahresverlauf ist gestiegen.“
Der Niederschlag hingegen war in den letzten Monaten gleichbleibend niedrig. Es gab wenig Regen und Schnee – überhaupt im Westen der Karnischen Alpen und Dolomiten. Die Julischen Alpen hingegen haben schon etwas abbekommen. Alles in allem verzeichne man ein Defizit und es bleibe abzuwarten, ob sich die Situation in den nächsten Monaten ändert.