Männer Skulptur und Löwe
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Wo die Bora das Leben bestimmt

An der Adriaküste kann die Bora winters wie sommers vorkommen. Dieser trocken-kalte und böige Fallwind ist typisch für die Adriaküste Gegend und ein Wetterphänomen, das Einfluss auf Architektur, Kunst und Wissenschaft nahm und nimmt.

Hüte, die durch die Luft fliegen. Mülltonnen, die wie von Geisterhand bewegt, durch Straßen fahren. Motorräder, die wie Dominosteine eines neben dem anderen auf dem Boden liegen – all das macht die Bora.

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Mann stemmt sich sichtlich mit Anstrengung gegen den Wind
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Mann stemmt sich sichtlich angestrengt gegen den Wind
Helle Bora
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Helle Bora
Bora peitscht das Meer auf
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Vom Wind aufgepeitschtes Meer
Mülltonne fährt wegen Bora „von allein“ durch die Straße
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„Wandernde Mülltonne“
Bora peitscht vom Meer herein
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Bora peitscht vom Meer über das Land
Umgefallene Motorräder
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Vom Wind gefällte Motorräder
Durch die Bora entstandenes Eis auf Baum
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Bora hat aus einem Baum eine Eisskulptur geformt
Eis überzieht die gesamte Landschaft und einen Wegweiser in Richtung Triest und Portoroz
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Eislandschaft

2014 gilt als eines der Bora-Rekordjahre. Wenn die Bora mit Spitzengeschwindigkeiten zwischen 150 und manchmal auch 200 Kilometer pro Stunde durch die Straßen fegt, ist nichts vor ihr sicher. Eine Faustregel besagt, dass es sich dann so anfühlen kann, als würde sich ein Gewicht von hundert Kilogramm gegen einen stemmen.

Nanos-Berg dient der Bora als Tür zur Adria

Die „Tür der Bora“ nahe des Nanos-Berges in Slowenien gilt als der tiefste Übergang in den Alpen, den auch der Bora-Wind nimmt, wenn er aus Ost bzw. Nordost kommt, erzählt Meteorologe Furio Pieri.

Tiefster Punkt als Einfallstor der Bora
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Berg Nanos

Dunkle Bora und helle Bora – Triestiner kennen beide

Pieri: „Die dunkle Bora kommt, wenn es ein Tief und dunkle Wolken am Himmel gibt. Sie verheißt keine angenehme Stimmung. Gibt es ein Hoch und es bläst der Wind, entsteht die sogenannte ‚helle Bora‘. Wir Triestiner sind beide gewohnt und haben uns einfach damit arrangiert.“

Bora und Meer
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Dunkle Bora

Schon vor Jahrhunderten wurde einige einfache, aber effektive Hilfsmittel entwickelt: Früher einmal waren im Karstgebiet nicht nur die Mauern, sondern auch die gesamten Dachkonstruktionen aus Stein.

Wegen Wetterphänomen Bora gebautes 200 Jahre altes Steinhaus
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200 Jahre alte „casa carsica“

Ineinander verkeilte Ziegel geben Halt

Die 200 Jahre alte „casa carsica“, ein typisches Beispiel der Karst-Architektur, in Monrupino-Repentabor gibt Aufschluss darüber. Silvana Blasina erzählt, dass die Ziegel der Dächer im Karst so aufeinandergeschichtet und ineinander verkeilt sind, dass man von außen eigentlich nur ein Drittel sieht.

Blasina: „Zwei Drittel befinden sich unter den anderen Steinen. Das sorgt einerseits für Stabilität, hat aber auch sein Gewicht. Aber es hält die gesamte Konstruktion zusammen.“

Dach aus Stein im Karstgebiet
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Steindächer sorgten für Stabilitäöt

Kuriositäten-Museum zur Bora in Triest

Nicht nur die Innenhöfe, auch die Dorfbrunnen bekamen früher eigene Schutzmauern. Und damit Fußgänger nicht von den Böen erfasst und auf die Straße geweht werden gab es – wie z.B in Prosecco – eigene Geländer zum Anhalten. In der Hafenstadt Triest ist der Bora auch ein kleines Museum gewidmet, das jede Menge Kuriositäten parat hält.

Bora Kuriositätenmuseum
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Goldener Engel: Fingerzeig zur Windrichtung

Egal von wo aus in der Stadt – blickt man in Richtung des Castello, also der Burg, die auf einem Hügel thront, fällt der Blick unweigerlich auf einen goldenen Engel, der auf der Spitze des Turms der Kirche zur Heiligen Maria in Castello thront. Weht eine leichte Brise, folgt ihr quasi der Engel und weist mit seinem Finger in die Richtung, in die der Wind weht. Das kommt nicht von ungefähr, sagt Sergio Nordio, denn der Engel nahm nahm früher eine wichtige Funktion ein, indem er die Windrichtung anzeigte.

Goldener Engel zeigt die Windrichtung an
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Goldener Engel – kein Dekor sondern Windanzeiger

Loggia del Lionello mit Sammlung alter Messinstrumente

Auf der Piazza della Libertà befindet sich die Loggia del Lionello – unter Besuchern ein äußerst beliebtes Fotomotiv. Ein genauerer Blick unter das Dach lohnt sich – finden sich dort doch Messinstrumente anno dazumal.

Fotostrecke mit 7 Bildern

Museum Loggia del Lionello
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Loggia del Lionello
Igrometer
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Igrometer
Messgerät
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Messgerät
Messgerät anno dazumal
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Meteorologisches Messinstrument
Alter Luster diente als Thermometer
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Metallluster zur Temperaturbestimmung
Wetteraufzeichnungen
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Handschriftliche Aufzeichnungen zu Wetterdaten
Sonnensymbol auf Uhr
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Sonnenuhr

Zum Beispiel ein wie ein Luster von der Decke hängendes Thermometer, das die Ausdehnung des in ihm enthaltenen Metalls misst, oder ein mechanisches Quecksilber-Thermometer, sowie ein Thermograf, also Temperaturschreiber und ein sogenanntes „Igrometer“, also ein Luftfeuchtigkeitsmesser, sowie ein Luftdruckmesser. Meteorologe Sergio Nordio zufolge seien diese alten Instrumente ein interessantes Zeugnis für den technologischen Fortschritt.

Meteorologie: Udine nimmt Vorreiterrolle ein

In Udine werden seit 1776 Wetterdaten erfasst. Sie zählt damit zu den Vorreitern und ist – nach Florenz, Padua und Mailand – die vierte Stadt in Italien, wo damit begonnen wurde, Daten wie Temperatur und andere Parameter zu erfassen, die die Meteorologie betreffen. Eine wichtige Rolle dabei nahm Girolamo Venerio ein. Im naturhistorischen Museum von Udine in der Via Sabbadini sind noch heute antike Messinstrumente aus seinem Besitz zu besichtigen.

Meteorologe
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Girolamo Venerio

Paola Visentini, die Direktorin des Naturhistorischen Museums, sagt, er wurde 1777 geboren und wuchs bald als Waise auf. Seine Familie war recht wohlhabend, wodurch er einige Besitztümer erbte – Immobilien, aber auch landwirtschaftliche Flächen. Er studierte zwar nicht an der Universität, aber interessierte sich – vor allem aus praktischen Gründen für die Meteorologie.

Besessen von Messdaten und Wetterereignissen

Venerio wollte sich den Besitztümern, die er geerbt hatte, widmen und auch mehr über die landwirtschaftlichen Techniken erfahren, um den Ertrag zu fördern. Das brachte ihn näher zur Meteorologie, sagt Paola Visintini. So sei er wie besessen davon gewesen, Messdaten zu sammeln und damit Wetterereignissen auf den Grund zu gehen. Zwei Messstationen nannte Girolamo Venerio sein Eigen, deren Daten noch heute erhalten sind.

Wetteraufzeichnungen
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Wetteraufzeichnungen Girolamo Venerios

40 Jahre ununterbrochene Messreihe

„Mehr als 40 Jahre lang maß er täglich den Luftdruck, die Windrichtung und Luftfeuchtigkeit und führte Aufzeichnungen über andere wichtige Naturereignisse, wie Erdbeben oder Gewitter. Das ist historisch von sehr großer Bedeutung, weil wir so einen Einblick bekommen, wie sich das Klima vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis 1840 veränderte“, so Paola Visintini, die Direktorin des naturhistorischen Museums von Udine.

In den nächsten Jahren sollen dort sämtliche Dokumente zusammengeführt werden, um Einblick in die Geschichte der Anfänge der Meteorologie in Friaul-Julisch Venetien zu geben. Meteorologe Sergio Nordio: „In den Julischen Alpen fällt mit rund 3.000 Millimeter der meiste Niederschlag im ganzen Alpenraum, dazu kommt noch die Schneeschmelze. Zum Vergleich: Hier in der Stadt Udine gibt es im Schnitt 1.500 Millimeter Niederschlag im Jahr. Das ist auch viel im Vergleich zur restlichen Ebene in Norditalien.“

Wetterphänomen Bora
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Klimawandel: Plus 2 Grad in Friaul Julisch-Venetien

Ein Vergleich mit aktuellen Daten zeigt: Der Klimawandel macht sich auch in Friaul-Julisch Venetien bemerkbar, so Meteorologe Sergio Nordio. Zum Beispiel durch einen Temperaturanstieg: „In den letzten Jahren – so auch 2022 – haben wir um zwei Grad mehr gemessen als im Durchschnitt in den vergangenen 30 Jahren. Die durchschnittliche Temperatur im Jahresverlauf ist gestiegen.“

Der Niederschlag hingegen war in den letzten Monaten gleichbleibend niedrig. Es gab wenig Regen und Schnee – überhaupt im Westen der Karnischen Alpen und Dolomiten. Die Julischen Alpen hingegen haben schon etwas abbekommen. Alles in allem verzeichne man ein Defizit und es bleibe abzuwarten, ob sich die Situation in den nächsten Monaten ändert.