„Gehe über den Karst und der Stein wird dir seine Geschichte erzählen.“ – dazu rief einst der slowenische Dichter Srečko Kosovel auf. Jedes Mal, wenn er hier her kommt, zieht der Landstrich im italienisch-slowenischen Grenzgebiet den Kärntner Christian Zeichen mit neuen Facetten in seinen Bann.
Sendungshinweis:
„Servus, Srecno, Ciao“, 8.10.22
„Der Herbst ist eigentlich die schönste Jahreszeit hier im Karst. Man sagt der Karst brennt, weil alles so bunt wird. Der Perückenstrauch wird bunt, die ganzen Weinstöcke, die Blätter usw. verfärben sich. Es ist wunderschön, wenn man zum Beispiel durch diese kleinen Wanderwege mit ihren Trockenmauern gehen kann“, so der Karst-Liebhaber.
Höhlenbesuche als Schlechtwetterprogramm
Unlängst absolvierte er zum Beispiel den Höhlen-Rundweg bei Temnica, der in gut eineinhalb Stunden erkundet werden kann. Dabei faszinierte ihn der Besuch in der sogenannten „Kartoffelhöhle“. Gerade bei Schlechtwetter würden die unzähligen Karsthöhlen ein ideales Alternativprogramm darstellen, so Zeichen, der sein Wissen gerne an jene weitergibt, die den Karst auf eigene Faust oder gemeinsam bei geführten Wanderungen erkunden möchten.

„Karstbewohner haben keineswegs steinerne Herzen“
Die schroffen Formationen aus Karstgestein, die das Landschaftsbild prägen sind – für Christian Zeichen – keineswegs Sinnbild für die Wesensart der Karstbewohner: „Am Anfang denkt man vielleicht, der Karst sei eine steinige Geschichte und dass auch die Menschen ein steinernes Herz haben oder so steinig sind. Wenn man sie näher kennenlernt, dann sind sie aber nett und zuvorkommend. Ich habe so viele Freunde hier herunten gewonnen, sodass ich immer wieder gerne herunterkomme.“

Im Dorf der Farne Geschichte hautnah erleben
Ein Fixpunkt für Christian Zeichen ist Prepotto – Praprot. Das Karstdorf gehört zur Gemeinde Duino-Aurisina und grenzt an Slowenien. Der Name leitet sich vom slowenischen Wort pràprot ab, zu deutsch Farn. Diese Pflanze ist hier schon seit Urzeiten weit verbreitet.
Der 84-Jährige Danilo Lupinc freut sich, wenn er seinem Kärntner Freund Geschichten von früher einmal erzählen kann. Und wie es dazu kam, dass er einen eigenen „Erinnerungspark“ schuf. Dafür setzte er zum Beispiel die einst von russischen Kriegsgefangenen errichteten Unterstände im Karstgestein instand.

Er sagt, er möchte den nachfolgenden Generationen damit näherbringen, wie schlimm so ein Krieg sei: „Es war dies hier ein sehr umkämpftes Gebiet. Die Leute starben aber nicht nur bei den Kämpfen, sondern es entstanden auch Krankheiten. Ich will in den Vordergrund stellen, dass Krieg nichts Gutes bedeutet.“

Bilder vom Zugreisen anno dazumal
Eisenbahnnostalgiker Igor Dolenc sammelte viele Bilddokumente aus dem vorigen Jahrhundert. Die Salcanobrücke galt – zur Zeit ihrer Errichtung zu Beginn des 20. Jahrhunderts – als größte gewölbte Eisenbahn-Bogenbrücke der Welt. Während der Sechsten Isonzoschlacht gesprengt wurde sie später wieder aufgebaut. Seit 1985 ist sie als technisches Denkmal staatlich geschützt.

Igor Dolenc ist stolz auf ein Bild, das zeigt, wie Wohlhabende vor dem Ersten Weltkrieg reisten: „Eine kanadische Gesellschaft – die canadian pacific – wollte damals den Tourismus hier in der Gegend beleben. Sie setzte spezielle Panoramawaggons ein, die besonders luxuriös ausgestattet waren.“ Bis zum Kriegsbeginn brachten sie von Salzburg aus Reisende nach Triest und retour.

Malerische Dörfer mit typischer Karst-Architektur
Wer das Karstgebiet zu Fuß kennenlernen möchte hat zahlreiche Möglichkeiten dazu, dies in seinem eigenen Tempo zu tun. Der Alpen-Adria-Trail ist eine der bekanntesten Routen, es gibt aber auch weniger bekannte. Zum Beispiel der Teranweg. Auf einer Strecke von sieben Kilometern führt die Route durch verschlafene Dörfer, wie Dutovlje – auf Italienisch Duttogliano bei Sezana.

1587 wurde das älteste noch erhaltene Haus errichtet. Aus der Habsburger-Zeit stammt ein Brunnen, der als Fotomotiv beliebt ist.

Auf Spuren früherer Zeiten wandeln
Bogdan Macarol sagt, entlang des Weges findet man sehr viel Natur, Kultur und auch Beispiele der typischen Karst-Architektur: „Dieses Gebäude hier wurde früher von Soldaten als Lager genutzt. Es gab hier während des Krieges mehrere davon. Dies ist das Einzige, das nicht zerbombt wurde.“ Bei 26 Stationen gibt es entlang des Teran-Wanderweges noch viele weitere Episoden aus der Geschichte des Karstes zu erfahren.

Namesgeber des Weges ist der Teran-Wein. Für viele Winzer aus der Gegend ist er Haupteinnahmequelle. Matej Rogelja sagt, sein Heimatort befinde sich in der sogenannten Kernzone, wo der Boden reich an Eisen sei, was seine rötliche Färbung begünstige: „Außerhalb dieser Zone, zum Beispiel in Koper-Capodistria, ist eher der Refosk oder Refosco beheimatet.“

Früher Medizin wegen verdauungsfördernder Wirkung
Über die jahrhundertelange Weinbaugeschichte in Tomaj-Tomadio gibt diese Chronik aus dem Jahr 1650 Aufschluss. Schon damals wurde hier Teran angebaut. Als Zeichen der Gastfreundschaft darf er noch heute bei keiner Jause fehlen. Christian Zeichen: „Wenn man dann Prosciutto oder andere regionale Spezialitäten dazu verkostet wird der Wein immer besser.“
Früher wurde der Teran in Apotheken als Medizin verkauft, weil er gut für die Verdauung ist. „Wenn man ein kleines Stamperl in der Früh trinkt sollte das ganz gesund sein. Bis jetzt hat er mir nicht geschadet“, so Christian Zeichen.

Trockenheit setzte Qualität der Trauben nicht zu
Geschadet hat den Reben auch nicht die Trockenheit während des heurigen Sommers, sagt Matej Rogelja: „Insgesamt haben wir zwar weniger Ertrag zu verzeichnen, aber die Bedingungen haben sich positiv auf die Qualität – also den Tannin- und Säuregehalt – der Trauben ausgewirkt.“
Ein positiver Saisonausklang also, was den Teran betrifft, für die Winzer im italienisch-slowenischen Grenzgebiet.