Schuh aus Recyclingmaterial
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Schuhmacherort hofft auf „Wiedergeburt“

Not macht Erfinderisch, das gilt nach der Coronavirus-Krise nicht nur für große, sondern auch viele kleine Unternehmen. In Gonars, wo das Schuhmacherhandwerk eine lange Tradition hat, sucht ein Familienbetrieb nach neuen Wegen, handgefertigte Schuhe aus Recyclingmaterialen zu vermarkten.

„Re-Born“, Wiedergeboren, lautet der Name des Unternehmens aus Gonars. Dieser scheint bei Nicola Masolini und seinen Mitarbeitern Programm zu sein – angesichts der Coronaviruskrise mehr denn je. Als das „Servus, Srecno, Ciao“-Team die Firma vor ein paar Wochen in der Werkstatt in Gonars mit der Kamera besuchte, schien hier alles anders. Viel zu tun gab es für die acht Mitarbeiter.

Werkstatt Reborn
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Einblick in die Werkstatt in Gonars

Zweites Leben als Schuh für Ausrangiertes

Vieles, was auf den ersten Blick unbrauchbar geworden ist, bekommt hier eine zweite Chance: Nicht nur alte Sonnenschirme – auch Reifen, Segeltücher oder ausrangierte Handtücher aus Hotels aus der Region werden hier zu Schuhen verarbeitet.

Schuhbearbeitung
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Eine alte Schuhmachermaschine wurde auf neue Materialien umgestellt

Dabei gilt: Was nicht passt, wird passend gemacht, so Juniorchef Nicola Masolini: „Die Schwierigkeit besteht für uns nicht darin, Material aufzutreiben, sondern es zu bearbeiten. Für viele Stoffe gibt es keine passenden Maschinen und so müssen wir uns etwas ausdenken, um sie bearbeiten zu können.“

Sendungshinweis:

Servus, Srecno, Ciao, 23.5.2020

„Einige Materialien sind steif und wir müssen sie zuerst weicher machen – andere wiederum haben keinen Körper und wir müssen sie stabilisieren. Das wirft einige Probleme auf.“

Schuherzeugung als zweites Standbein vieler Familien

Bis um 1900 lebten die Menschen in Gonars vorwiegend von der Landwirtschaft. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs kam die Schuherzeugung für viele Familien als zweites Standbein dazu, so wie im Hause Masolini.

Familie Masolini in den 1930er Jahren
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Familie Masolini in den 1930er Jahren: Einige Waisenkinder von Verwandten wurden in der Familie aufgenommen

Daniela Masolini ist schon seit ihrer Jugend Mitarbeiterin bei „re-born“ und erinnert sich, dass in der Werkstatt in Gonars schon in der Nachkriegszeit damit begonnen wurde, Militärstiefel ‚auszubandeln‘ und aus den Resten neue Schuhe zu machen: „Anfangs wurden hier auch Zockel erzeugt. Ab den 1960er Jahren wurden unsere Schuhe nach Deutschland, Österreich und später auch nach ganz Europa exportiert.“

Zu Spitzenzeiten 2.000 Beschäftigte im Ort

Davide Savorgnan ist Wirtschaftsreferent in Gonars und sagt, dass in den 1960er und 70er Jahren 2.000 Personen in der Gemeinde in der Schuherzeugung tätig waren: „Sie kamen einerseits aus dem Ort, aber auch Auswärtige fanden in 30, 40 Firmen Arbeit. Es gab auch nach wie vor viele Familienbetriebe, wo unmittelbar zu Hause die Näharbeiten und die Weiterverarbeitung einiger Artikel erfolgte.“

Bis in die 1990er Jahre hielt diese Entwicklung an – mittlerweile ist Masolini einer der wenigen verbliebenen Betriebe, der sich auf das Schuhmacherhandwerk spezialisiert hat.

Stoffsack statt Schuhkarton von Reborn
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Statt Schuhkartons gibt es diese Säcke aus Recyclingstoffen

Handgemachte Stoffe schmücken Schuhwerk

Neu ist auch eine Kollektion aus Stoffresten aus Südtirol. Kooperationspartnerin Esther Videsott: „Mein Onkel und meine Tante führen eine Kunstweberei in Wengen, im Herzen der Dolomiten. Im Gadertal. Die auch schon auf einer langen Tradition beruht, also über 150 Jahre. Sie stellen selber Stoffe her, wo auch Reststoffe im Magazin gelagert werden. Die Reststoffe müssen dann auch mit der Zeit irgendwann entsorgt werden. Dann kam ich gleich auf die Idee, ok, wir können eine Zusammenarbeit finden und haben eine Linie kreiert, wo diese Stoffe dann auch zu Schuhen werden und nicht nur zu Sofas, Decken oder auch Kissen.“

Nicola Masolini und Esther Videsott
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Nicola Masolini und Esther Videsott suchen Stoffe für ihre neue Kollektion aus

Die Kunden können selbst auswählen, aus welchem Material ihr künftiger Schuh entstehen soll. Die Sohle besteht aus alten Autoreifen, die bearbeitet und ebenfalls wiederverwertet werden.

Schuhsohle aus bearbeitetem Autoreifen
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Aufbereitete Autoreifen verleihen den Schuhen eine flexible Sohle

Coronavirus-Krise brachte Einbruch bei Aufträgen

Der Modesektor habe jetzt – durch die Coronaviruskrise – mit großen Einbußen zu kämpfen, sagt Nicola Masolini. 95 Prozent der Bestellungen seien in den letzten Wochen weltweit storniert worden. Messen finden vorerst keine statt – und auch wenn der persönliche Kontakt derzeit eingeschränkt ist es sei wichtig, dennoch mit alten und auch neuen Kunden in Kontakt zu treten.

Nicola Masolini
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Nicola Masolini

„Die Kunden haben jetzt weniger Geld“

Nicola Masolini sagt, es gehe jetzt darum, neue Verkaufswege zu suchen: "Wir haben jetzt neben unserer Werkstatt einen kleinen Verkaufsraum eingerichtet. Vor der Krise haben einige Einkaufszentren ihr Interesse bekundet, unsere Produkte weiter zu verkaufen. Alles hängt jetzt davon ab, ob die Kunden dort auch tatsächlich hingehen. Die Leute haben durch die Krise wenig Geld – bis Mitte Juni wird sich weisen, wie es läuft und wir werden uns nach den Bedürfnissen der Kunden richten.“

Nicola Masolini hat dein Eindruck, der italienische Staat und die Region Friaul Julisch Venetien im Rahmen ihrer Möglichkeiten tue, was sie können. Jede noch so kleine finanzielle Unterstützung sei derzeit hilfreich, damit es nicht zu Kündigungen im Familienbetrieb komme: „Durch den persönlichen Kontakt zu unseren Mitarbeitern können wir auch besser verstehen, was sie jetzt wirklich brauchen.“

Schuhe aus Recyclingmaterial
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Die aktuelle Kollektion

Kooperation mit Villacher Unternehmen geplant

Auch wenn es nicht leicht sei – Bescheidenheit, Geduld und positives Denken seien gefragt, ist Nicola Masolini überzeugt. So hofft er, dass auch eine geplante Kooperation mit einem Villacher Unternehmen – nach der Krise – erst richtig beginnt.