Glasklare Farben, lieblich anmutende Mäander und schroffe, trogartige Schluchten – die vielen Facetten des Natisone machen ihn für Werner Freudenberger zu einem seiner Lieblingsflüsse in Friaul Julisch Venetien. Auch abseits des Flusslaufes gebe es viel Interessantes, zu entdecken, sagt der pensionierte Journalist, so wie das „villaggio degli orsi“ – das Bärendorf. Es wohnen zwar keine Bären hier, allerdings sind sie in den Wäldern rund um Stupizza-Stupnica durchaus keine seltene Erscheinung.
Auf den Spuren der Bären rund um Stupizza
Wissenswertes über Braunbären und andere Fleischfresser der Region, wie Luchs oder Wölfe, kann man im Besucherzentrum erfahren. So auch, dass Bären scheu und für Wanderer eigentlich ungefährlich sind. Die Wissenschaftler hingegen freuen sich über jede Spur, die die scheuen Tiere hinterlassen. Derzeit sollen an die fünf Bären – vorwiegend Männchen – in der Region unterwegs sein. Das zeigen die Daten, die mit Hilfe von GPS-Halsbändern gesammelt werden.
Lara Iaiza ist eine der Führerinnen im Bärendorf und sagt, dass alle Daten ausgewertet und miteinander verglichen werden, wie etwa die Körpertemperatur. Außerdem werden Gewebeproben entnommen. „Das Halsband behalten die Bären generell ein Jahr lang um, danach löst es sich von selbst. Mit dem GPS-Signal holen wir es ein und werten die Daten aus.“
Wälder als Futterkammer
Die Untersuchungen haben ergeben, dass die Bären – auf der Suche nach Futter, das sie im Sommer vorwiegend in höher gelegenen Gegenden vorfinden – hunderte Kilometer am Tag zurücklegen können. Trockene Früchte und Beeren, Eicheln, aber auch leichte Beute, wie verletzte Wildtiere, befinden sich auf ihrem Speiseplan.
Für die Paarung ziehen sie dann weiter nach Slowenien oder nach Südtirol. Im Winter ist es für die Forscher generell leichter, natürliche Spuren vorzufinden. Aber auch im Sommer weisen Kratzspuren auf Bäumen auf ihre Anwesenheit hin. Die Tiere markieren damit ihr Territorium. Fellproben aus Futterfallen werden akribisch archiviert, um Details zum Genmaterial zu erhalten.
Natisone als Heimat von Forellen und Äschen
Hungrige Wanderer finden entlang des Flusses zahlreiche Möglichkeiten zum Einkehren. Wirtin Michela Domenis erzählt, dass im Natisone früher viele Forellen und Äschen gefangen wurden. „In den letzten Jahren aber sinkt der Wasserspiegel zunehmend und im Sommer gibt es weniger Fisch, weil die Tiere im seichten Wasser nicht überleben können.“
Sendungshinweis:
Servus, Srecno, Ciao: 14. September 2019
Die alte Mühle von Ponteacco liegt bei Biarzo, unmittelbar am Ufer des Natisone, und steht seit Jahren still. Sie erinnert daran, dass der Fluss in früheren Zeiten auch wirtschaftlich eine wichtige Rolle spielte. Heute verweilen hier vorwiegend Erholungsuchende und Naturliebhaber, wie Werner Freudenberger: „Ich hab mir gedacht, dass man diese schönen Flusslandschaften, die es hier gibt, ein bisschen bekannter machen sollte. So habe ich in dem Buch ‚smaragdgrüne Flüsse‘ zehn Beispiele beschrieben.“
Idylle und Abgeschiedenheit
Gerade die Gegend rund um den Natisone habe mit einem starken Bevölkerungsrückgang zu kämpfen: „Sie ist menschenleer und auch fast ohne Tourismus – sie könnten hier eigentlich ein bisschen mehr Besucher vertragen. Wer die Idylle, die Abgeschiedenheit und die Einsamkeit liebt, der wird sich hier total wohl fühlen.“
Auch in seiner Heimat Kärnten gebe es zweifelsohne schöne Flüsse, wie die Lieser, die Malta oder die Glan. Sie unterscheiden sich aber wesentlich von den Flüssen in Friaul Julisch Venetien: „Nicht nur durch die Farbe, das Grün, das durch die Kalkteilchen entsteht, sondern zunächst einmal auch durch die Art, wie sie erscheinen, ist anders. Es gibt ja zwei tolle Karstphänomene und Quellen: Der Timavo und die Livenza. Die kommen ja nicht gleich als ganzer Fluss aus dem Berg. Es gibt viele wunderschöne Schluchten und gebirgige Abschnitte, wo sich der Fluss in einem spektakulären, abenteuerlichen Verlauf durch die Felsen zwängt.“
Besonderes Phänomen: „Verschwindende Flüsse“
Dann gebe es Flüsse, die verschwinden, erklärt Freudenberger und nennt als Beispiele die Meduna und die Celina: „Das kennt man bei uns gar nicht. Es gibt ja eine Menge von Flüssen in Italien, die in der Ebene zum Vorschein kommen, wie die Stella, der Varmo oder der Noncello. Die kommen wie aus dem Nichts. Sie sind ein Rinnsal, das plötzlich aus der Ebene kommt. Später kommen mehrere Rinnsale zusammen und plötzlich ist da ein schöner Fluss. So gesehen ist jeder auf seine Art komplett unterschiedlich.“
Das Besondere am Natisone sei für ihn die Farbe und seine Geschichte: „Er entspringt in Slowenien und ist so gesehen ein grenzübergreifender Fluss. Er heißt dort Natiša und bildet schon in Slowenien einige tiefe Trogtäler und gräbt sich dort sehr stark in den Fels ein“. An anderen Stellen – etwa im Mittellauf – sammle er viel Schotter an und präge insgesamt die Landschaft der Natisonetäler. „Ich würde sagen, er gehört zu den schönsten Flüssen von Oberitalien“, sagt Werner Freudenberger.
Schon Steinzeitjäger nutzten Flussnähe
In der Höhle von Biarzo hielten sich einst – vor Wind, Wetter und Feinden geschützt – Jäger der ausgehenden Steinzeit auf. Darauf lassen Speisereste schließen, die in der Höhle gefunden wurden, sagt Archäologe Paul Gleirscher: „Der Natisone bot vor ungefähr 10.000 Jahren den letzten Jägern der Steinzeit ideale Bedingungen für den Fischfang. Diese Höhle aus Konglomeratgestein diente ihnen während der kalten Wintermonate als Zufluchtsort.“ Im Sommer zogen sie weiter in die Berge, denn die Steinzeitjäger waren nicht sesshaft.
Werner Freudenberger empfiehlt in seinem Buch auch einen Zwischenstopp in der kleinen Ortschaft Bijarci/Biacis. Dort lädt das Castello di Ahrensperg, das früher einmal – aufgrund seiner Lage – eine strategische Rolle einnahm, zu einem Besuch ein. Derzeit stechen einem wohl zunächst Baugitter und ein Kran ins Auge, wenn man vom gegenüberliegenden Hügel in Richtung des Schlosses blickt.
Castello di Ahrensperg wird revitalisiert
Seit Jahren läuft die Revitalisierung jener alten Gemäuer, die vor Jahrhunderten zur Überwachung der Umgebung dienten. Schlossherr Zuan Pieri Biasatti: „Das Schloss befand sich an einem strategischen Punkt, weil von hier aus die alte Straße – die von Forum Iulii, dem heutigen Cividale, bis nach Kärnten und in die Steiermark, also ins Norikum führte – kontrolliert werden konnte. Die Venezianer verlegten die Straße im 16. Jahrhundert 60 Kilometer weit nach Westen ins heutige Fella- oder Eisental bei Pontebba-Pontafel."
Die Befestigungsanlage verlor zunehmend an Wichtigkeit und so wurde sie dem Abriss preisgegeben. Ein Schicksal, das weitere Schlösser aus der Umgebung teilten. Sie durften nicht zu Wohnzwecken genutzt werden und verfielen zusehends.
Neuer Besitzer verliebte sich in alte Gemäuer
Als Techniker befasst sich Zuan Pieri Biasatti intensiv mit den baulichen Details der Schlösser aus seiner Heimatregion. Mit dem Castello di Ahrensperg war es für ihn wie Liebe auf den ersten Blick, sagt er. So erwarb er vor fast 20 Jahren die Reste der alten Gemäuer und erfüllte sich seinen Traum vom eigenen Schloss: „Es ist durchaus machbar. Ich habe viel gebetet, also hatte ich beim Kauf Glück. Dann musste ich durch die Hölle, was die ganzen Bewilligungen angeht. Jetzt aber sind wir im Paradies gelandet, weil wir hier sozusagen endlich ein Dach über dem Kopf haben.“
Bis es soweit war, waren aufwändige Studien in Kooperation mit Experten der Universität Udine notwendig. Es wurde rekonstruiert, wie das Schloss früher einmal ausgesehen haben dürfte und wie die alten Grundmauern – den Regeln des Denkmalschutzes entsprechend – erhalten und in ein neues Gebäude einfließen können.
Einst gefürchtetes Gefängnis
Die Arbeiten an der Kirche Chiesa di San Giacomo e Anna sollen noch heuer abgeschlossen werden. Der Saal im Schloss soll später einmal für Feste zur Verfügung stehen und wer möchte, kann im Schloss übernachten. Zwei Zimmer warten schon auf Gäste, weitere fünf sollen folgen. Weniger komfortabel hatten es Schuldner und Gesetzesbrecher, die vor Jahrhunderten hier in diesem Verlies auf ihr weiteres Schicksal warten mussten.
Es trägt den Namen „Banca d’Antro“ und geht auf jene Zeit zurück, als Venedig den Natisonetälern eine gewisse Verwaltungshoheit einräumte. Im Gegenzug erhofften sie sich nützliche Informationen über die Slawen und Friulaner im Grenzgebiet. Die Zeiten, in denen das Verlies voll besetzt, sind zum Glück vorbei und so freuen sich Schlossherr Zuan Pieri Biasatti und seine Frau Marisa auf zahlreiche Besucher im Castello di Ahrensperg.
Cividale: Teufelsbrücke
Den „Höhepunkt“ bei einem Ausflug durch die Natisonetäler bildet für Werner Freudenberger ein Aufenthalt in Cividale del Friuli. Wer schon einmal die Langobardenstadt besucht und ihr Wahrzeichen – die markante Teufelsbrücke – überquert hat, ist unweigerlich auch mit dem Fluss Natisone in Berührung gekommen, sagt der Autor.
„Als die Brücke errichtet wurde war das so kongenial für die Menschen, dass sie gesagt haben: Wie kann man so ein Bauwerk errichten? Da muss der Teufel seine Hand im Spiel gehabt haben. Sie wurde dann auch mehrmals zerstört und im Jahr 1918 – nach dem Ersten Weltkrieg – wieder instand gesetzt“, so Freudenberger.
Einheimische nutzen Flussbett zum Sonnenbaden
Er sagt, es sei schwer vorstellbar, dass die Landobardenstadt auch mehrfach von Überschwemmungen betroffen war: „Früher einmal war das Flussbett viel höher und im Laufe der Jahrhunderte wurde doch mehr an Material weg transportiert als der Fluss angeschwemmt hat.“
Er schätzt – so wie viele Einheimische – die Möglichkeit, im Sommer auf den Schotterbänken die Sonne zu genießen: „Man sieht immer viele Leute, die hier baden und zum Teil Picknick machen. Dieser Platz an der Brücke, an der Teufelsbrücke, ist in Cividale ein besonders nettes Plätzchen, das auch ich gerne aufsuche.“