An der felsige Küste in Barcola  liegen ein Mann und eine Frau auf zwei Felsen in der Sonne
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Triestiner baden am liebsten getrennt

In Triest gibt es eine alte Badeanstalt, wo Männer und Frauen noch heute in getrennten Bereichen baden. Die meisten Besucher sehen darin Vorteile. In diesem Bad versehen auch Rettungsschwimmer auf vier Pfoten ihren Dienst. Badefreunde stoßen in Triest außerdem auf Kuriositäten wie Mäuseohren und einen grünen Delfin.

„Delfino Verde“ heißt das Ausflugsboot, das während der Sommermonate Triest mit Grado und Muggia verbindet und das im Golf entlang der Küste über Barcola nach Grignano und bis zum Schloss Miramare verkehrt.

Triest Ausflugsboot „Delfino Verde“, grüner Delfin
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Das Ausflugsboot „Grüner Delfin“

„Handtuchteppich“ säumt Promenade

Stellt man sich als Tourist einen besonders schönen Platz zum Baden vor denkt man dabei wohl kaum an eine asphaltierte Promenade, direkt neben der Einfahrtstraße in die Stadt, die nur durch eine Reihe von Büschen abgetrennt ist. Anders sehen das wohl die meisten Triestiner. An sonnigen Tagen wird der Spazierweg entlang der felsigen Küste in Barcola von einem Teppich an Handtüchern und Sonnenliegen gesäumt. Die Beton-Plattformen, wo sich viele bräunen, werden „Topolini“ genannt.

Der Überlieferung nach wurden sie nach jenem Architekten benannt, der sie in den 1930er Jahren erbaute. Mit ein bisschen Phantasie erinnern diese Betonausbuchtungen auch an die Ohren von Mäusen, auf Italienisch “toplino".

Die felsige Küste wird von vielen zum Wildbaden genutzt und um sich zu bräunen – zur Not auch schnell während der Mittagspause. So schätzt auch Susanna Nikolic die Nähe zu ihrem Haus: „So muss ich weder für Benzin noch für etwas anderes etwas ausgeben.“

Blick auf felsige Küste in Barcola mit Liegestühlen
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Die felsige Küste wird von vielen zum Wildbaden genützt

„Bürgermeister von Barcola“ badet sogar im Winter

Lino Castriotta wird im nächsten Jahr 80 und ist fast täglich hier – auch im Winter. Das brachte ihm den Spitznamen „Bürgermeister“ von Barcola ein: „Ich komme so gut wie jeden Tag her – wenn es nicht regnet. Auch zu Weihnachten. Wenn der Festtagstisch gedeckt ist und bevor die Enkerl zum Feiern vorbei kommen muss ich einfach ein bisschen Sonne tanken.“

An der Küste in Barcola steht Lino Castriotta und spricht mit einer Dame
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Der 80-jährige Lino Castriotta ist der „Bürgermeister“ von Barcola

Manche kommen schon ihr ganzes Leben lang her, so wie Dario Sancin, der meistens im unteren Bereich der Topolini Schatten sucht: „In den vergangenen 60 Jahren hat sich hier nicht wirklich viel verändert. Hier herunten ist es schön kühl und man kriegt auch vom Straßenlärm nichts mit.“

Laus verleiht „Pedocin“ seinen Namen

Überhaupt wird den Triestinern nachgesagt, dass sie – sobald die ersten Sonnenstrahlen herauskommen – „al bagno“ gehen. Gemeint ist damit aber nicht das WC, sondern der Besuch einer Badeanstalt.

Beliebt unter den Triestinern ist das Gemeindebad “La Lanterna" – unter Einheimischen besser bekannt als “El Pedocin". Dieser Name leitet sich im Dialekt von Pidocchio, also von der „Laus", ab. Während der k.u.k-Zeit lernten Soldaten hier Schwimmen. Die Badeordnung besagte damals, dass zuerst die Männer, dann die Frauen und zum Schluss die Soldaten an der Reihe waren. Sie hatten oft Läuse, daher stammt der Name “Pedocin“.

Betonplattformen entlang der Küste erinnern mit etwas Phantasie an die Ohren einer Maus
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Die Betonplattformen erinnern an die Ohren von Mäusen

Badegäste schätzen Geschlechtertrennung beim Baden

Für Paare endet der gemeinsame Badetag noch bevor er begonnen hat – nämlich schon am Eingang. Die Geschlechter baden hier nämlich in strikt voneinander getrennten Bereichen. In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es in der Stadt sogar ein Referendum, ob die Mauer im “Pedocin" bestehen bleiben soll. Die Triestiner entschieden sich dafür. Noch heute hat sich nicht viel an der Meinung der Badegäste über die Geschlechtertrennung geändert. Auch für Ligio Craighero ist unumstößlich, dass die Mauer für immer bleiben muss – sonst drohe eine Revolution.

Sendungshinweis:

Servus, Srecno, Ciao, 3.8.2019

Mehr Getümmel auf der Frauenseite

Die Seite für die Frauen ist naturgemäß immer stärker besucht als die Seite der Männer. Denn sie haben die Kinder mit. Antonella Tozzi, die zwei kleine Buben hat, findet es praktisch, dass immer jemand da ist und sie mit den Kindern unterstützt.

Lidia Pernari: „Von April bis September sind wir fast immer hier – so wie die Eidechsen: Sobald die Sonne scheint, sind wir da.“

Oriana Picus sagt, sie freue, dass sie immer wen zum Plaudern finde – Freunde, Verwandte, Schwestern oder Schwägerinnen. „Man liest aber auch, hört Musik oder schwimmt – man lässt Tag einfach ruhig angehen.“

In Zeiten der „mee too“-Debatte, die auf sexuelle Belästigung aufmerksam machen will, findet sie, dass die Mauer auf gewisse Weise den Frauen auch Schutz vor unangenehmen Blicken biete. Es gebe auch mehr Freiheit für jene, die sich gerne „oben ohne“ sonnen. Sie fühle sich wohl hier, sagt Antonella Tozzi.

Herren der Schöpfung schätzen Erholung und Ruhe

Sobald Buben zehn Jahre alt sind müssen sie auf die Männerseite wechseln. Dort ist es meistens etwas ruhiger. Hier kann Mann so richtig ausspannen – ohne Kindergeschrei und Frauengeplapper – darauf einige “Herren der Schöpfung" besonders viel Wert – wie zum Beispiel Livio Iuressivich. Er kommt zwar mit seiner Familie zum Baden – sieht sie aber erst wieder, wenn der Badetag schon vorbei ist: „Sie sind dort und ich da. Einsam fühle ich mich nicht. Jeder hat seine Privatsphäre und irgendwann kommen wir ja eh wieder zusammen.“

Gemeindebad “La Lanterna" eine Mauer die bis ins Wasser reicht trennt die Männer von Frauen und Kindern
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Eine Mauer trennt den Männer- vom Frauenbereich

Rettungshunde komplettieren Badeaufsicht

Für Sicherheit beim Baden sorgen hier neben den menschlichen Bademeistern auch vierbeinige Kollegen. Das ganze Jahr über werden die Tiere ausgebildet. Zwischen Oktober und Mai findet der Grundkurs statt. Sobald es wärmer wird können die Hundebesitzer dann mit ihren Vierbeinern im Wasser das anwenden, was sie während des Winters gelernt haben.

350 speziell ausgebildete und zertifizierte Rettungshunde-Einheiten gibt es in ganz Italien. Alleine in Triest gibt es 15. Ein Jahr dauert die Grundausbildung für die Hunde; ihre Führer müssen ebenfalls gute Schwimmer und Taucher sein und eine Rettungsschwimmerausbildung haben.

Die felsige Küste in Barcola wird von vielen Triestinern zum Wildbaden genutzt
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Die felsige Küste wird zum Wildbaden genutzt

Fast jeder Hund kann Rettungschwimmer werden

Im Prinzip kann jeder Hund zum Rettungshund ausgebildet werden. Es gibt Rassen, die dafür besonders geeignet sind, wie der portugiesische Wasserhund, der Labrador oder der Neufundländer. Pitbulls zum Beispiel sind nicht dafür geeignet.

Rettungshunde sind nicht nur am Meer im Einsatz, sondern können Menschen auch bei Rettungsaktionen in zugefrorenen Seen unterstützen. Die Unterwolle verschiedener Rassen funktioniert wie ein Taucheranzug, somit ist die Kälte für sie nicht spürbar. In Triest haben die Vierbeiner mit dem umgekehrten Problem zu kämpfen: der Betonboden kann sich auf bis zu 70 Grad aufheizen, was das Gehen darauf äußerst unangenehm für sie macht. Zwei Stunden dauert ein Turnus, nach 20 Minuten dürfen sich die Tiere nach ihren Kontrollgängen im Wasser abkühlen.

Rettungshunde im Wasser mit Hundeführern
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Der Umgang mit den Hunden wird schon Kindern beigebracht

Im Zuge der Ausbildung wird kein Spielzeug ins Wasser geworfen, weil Hunde sich sonst auch im Ernstfall, bei Einsätzen, leicht von Gegenständen ablenken lassen würden. Es wird auf die Beziehung zwischen dem Hund und dem Menschen und das gegenseitige Vertrauen aufgebaut, sagt Emanuele Esposito. Im Zuge der Ausbildung wird kein Spielzeug ins Wasser geworfen, weil Hunde sich sonst auch im Ernstfall, bei Einsätzen, leicht ablenken lassen würden.

Kinder lernen spielerisch Umgang mit Hunden

Immer samstags patroullieren die Hunde am Vormittag gemeinsam mit den Bademeistern in Barcola. Unter der Woche können Schulkinder, die sich in Sommerbetreuung befinden, spielerisch den richtigen Umgang mit den Tieren kennenlernen, sagt Projektkoordinatorin Angela Brandi: „Unser Projekt hat zum Ziel, Ängste abzubauen. Das trägt zur Sicherheit von Mensch und Tier bei.“ Das sei wichtig, da in Triest auf jeden zehnten Einwohner ein Hund komme.

Rettungshund mit einem Kind am Rücken im Wasser mit Hundeführerin
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Gegenseitiges Vertrauen als Basis

Die Hunde können üben, wie es ist, einen Menschen aus dem Wasser zu ziehen. Bis zu 150 Kilogramm schaffen Hunde größerer Rassen. Am wichtigsten ist das Vertrauen zwischen Mensch und Tier, sagt Hundetrainier Emanuele Esposito: „Wir müssen im Wasser der einzige Bezugspunkt für den Hund sein. Er darf sich nicht durch spielende oder Eis essende Kinder ablenken lassen. Wir müssen uns in heiklen Situationen aufeinander verlassen können – er muss mir auch bei starkem Wellengang folgen und darf keine Angst haben. Sonst kann das auch für uns als Retter gefährlich werden.“

Bei einer Rettung fungiert das Tier sozusagen als „Motor“. Der Rettungsschwimmer hängt sich an eine spezielle Vorrichtung am Brustgeschirr an und lässt sich – mit dem Geretteten im Schlepptau – ans Ufer ziehen. Bis jetzt gab es heuer noch keinen Ernstfall – die Retter und ihre Hunde hoffen, dass es so bleibt.