Pergamentstreifen in loser Anordnung
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Wissenschaft

Älteste Handschrift einer Heiligenlegende

An der Universität Klagenfurt lässt sich eine wahre Kostbarkeit besichtigen: Es handelt sich um ein Pergament aus der Spätantike, das aus einem süditalienischen Kloster stammt und über das Stift St. Paul an die Uni gelangte. Für die Wissenschaft ist es die älteste Handschrift einer Heiligenlegende in Österreich und ein weltweites Unikat.

Für einen Laien mögen die Pergament-Streifen unscheinbar sein, Kenner dagegen staunen: Diese Zeilen sind vor rund 1.500 Jahren in einer süditalienischen Klosterschreibstube entstanden und sie erzählen zwei Geschichten in damals üblichen Schriftarten.

Pergamentstreifen mit weiß-behandschuhter Hand, die auf eine Stelle hindeutet
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Kommentar zu Matthäus-Evangelium ist Unikat

Matthias Simperl von der Universität Augsburg: "In Uzziale haben wir eine heilige Legende überliefert, die Legende des Papstes Silvester, nachdem ja auch unser Silvestertag seinen Namen hat. Und diese Legende entsteht Ende des 5. Jahrhunderts, möglicherweise in Rom und erzählt eben das wundersame Leben dieses Bischofs, der zur Zeit des großen Kaisers Konstantin gelebt hat. Der andere Text, den konnte man bisher nicht zuordnen, das ist uns aufgrund der neuen Aufnahmen erstmals gelungen, das ist ein Kommentar zum Matthäus Evangelium, von dem wir sonst keinen einzigen weiteren Zeugen kennen. Also das scheint ein echtes Unikat zu sein, dass wir hier in Klagenfurt haben.

Ein Kurzfilm der Universität Klagenfurt erklärt die Geschichte der außergewöhnlichen Handschrift und die spätere Entdeckung der Pergamentstreifen.

Fund in Prachtband im Benediktinerstift St. Paul

Entdeckt wurden die Pergamentstreifen erst vor 100 Jahren von Hermann Mehnhardt. Er fand die Streifchen der einstigen Prachthandschrift in einem Buch, das im Kärntner Benediktiner Stift St. Paul im Jahre 1463 geschrieben und gebunden wurde. Dafür hatte man die Handschrift zerschnitten und die Pergamentstreifen bei der Herstellung eines mittelalterlichen Kodex verwendet. Aber schon damals war das kostbare Material zweifach beschriftet, fanden Wissenschaftler heraus.

Stift St. Paul von oben in einer Flugaufnahme (Sommer)
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Stift St. Paul von oben

Handschrift wurde abgewaschen und neu beschriftet"

„Man hat im 10. Jahrhundert diese Handschrift abgewaschen. Warum, ist eine durchaus offene Frage. Vielleicht einfach deshalb, weil die Handschrift zum Teil beschädigt war. Und das ist wie heute, wenn Kopien beschädigt sind, dann wirft man sie weg und macht eben eine neue.“

Mittelalterliches Buch, aufgeschlagen
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Wie ist es möglich, dass man den Ursprungstext dennoch lesen kann? „Vor allen Dingen deshalb, weil wir heute bildgebende Verfahren haben, die sogenannte Multispektralfotografie, mit der wir sehen, was der eigentliche Entdecker, Hermann Mehnhardt, nicht sehen konnte“, so Matthias Simperl von der Universität Augsburg.

Schatz wird in der Unibibliothek gehütet

Die Universitätsbibliothek hütet die Kostbarkeit wie einen Schatz. „Wir haben ein ganz sicheres Magazin mit großen schweren Safes, die niemand davontragen kann. Wir haben natürlich aber auch Klimakontrolle, das heißt Luftfeuchtigkeit ist garantiert, Temperatur ist garantiert und so halten diese Schätze noch viele hundert Jahre“, so Christa herzog von der Universitätsbibliothek.

Die 1.500 Jahre alte Handschrift kann noch bis zum 17. Mai in der Universitätsbibliothek besichtigt werden.