Eltern vor Gericht
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Gericht

Gewalt an Bub: Freispruch im Zweifel

Ein 32 Jahre alter Steirer und seine 27-jährige Lebensgefährtin haben sich am Donnerstag vor einem Schöffensenat am Landesgericht Klagenfurt verantworten müssen. Der Steirer soll das damals sechsjährige Kind seiner Freundin misshandelt haben, wurde jedoch im Zweifel freigesprochen.

Die Frage, die das Gericht beantworten musste, war, ob der Bub über zehn Monate lang körperlich misshandelt wurde oder ob ein Obsorgestreit aus dem Ruder lief, wie es Rudolf Vouk als Verteidiger der mitangeklagten Mutter darstellte.

Pädagogisches Maß an Strenge überschritten?

Staatsanwältin Denise Ebner warf dem erstangeklagten Steirer vor, er habe das pädagogische Maß an Strenge bei seinem Stiefsohn wiederholt massiv überschritten: Von Schlägen gegen den Hinterkopf war die Rede, von büschelweise ausgerissenen Haaren, von an den Ohren ins Bett ziehen, davon, dass der Volksschüler zum Duschen gezwungen, in nasser Kleidung ins Bett geschickt und stundenlang im Kinderzimmer mit innen abmontierter Türschnalle eingesperrt worden sei.

Prozess gegen Eltern

Die Kindesmutter habe die Vorfälle teils hautnah miterlebt, aber nichts dagegen unternommen, so die Anklage. Doch der Steirer und die junge Unterkärntnerin wiesen das strikt zurück. Beide unterstellten vielmehr der Großmutter des heute Neunjährigen, den Buben zum Lügen angestiftet zu haben. Das Kind sei stark von der Großmutter beeinflusst worden.

„Habe Buben nie geschlagen“

Er sei streng gewesen, habe den Buben aber nie geschlagen, sagte der 32-Jährige aus. Der Bub hingegen habe mehrfach gesagt: „Wenn ich schlecht über euch rede, kommt ihr ins Gefängnis und ich zur Oma“. Die Großmutter hatte nach der Geburt des Buben vorübergehend die Obsorge, weil die Mutter damals erst 17 war. Als sie dann mit dem Buben ausgezogen sei, habe die Großmutter immer wieder gedroht, ihr den Buben mithilfe des Jugendamtes wegzunehmen, sagte die junge Frau vor Richter Gerhard Pöllinger-Sorré. Im Oktober 2022 kam es dann zur Anzeige durch Familienmitglieder wegen Misshandlungsvorwürfen.

Sachverständige: Kind leidet an Belastungsstörung

Der Bub leidet laut Gutachten an posttraumatischen Stresssymptomen, Schlafstörungen und Panikattacken. Die vom Gericht bestellte Sachverständige Ulla Redtenbacher-Müller sagte dennoch: Die Aussagen des Buben seien nicht mehr als zuverlässig zu beurteilen, bei den Befragungen habe es zu viele Beeinflussungen gegeben. Der Bub befinde sich in einem erheblichen Loyalitätskonflikt zwischen Mutter und Oma und sei besonders stark von Erwachsenen abhängig.

Gerade an massive Vorfälle wie Schläge habe er heute keinerlei Erinnerung, daher sei „nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Erlebnisbezug vorliegend“, so die Sachverständige.

Kein Quälen und Vernachlässigen – Freispruch

Das Urteil lautete schließlich auf „Freispruch im Zweifel“. Was an Erziehung und Liebe geboten wurde, sei nicht ausreichend, sagte Richter Gerhard Pöllinger-Sorré. Aber auch zu wenig für eine Verurteilung weil die Schwelle des Quälens und Vernachlässigens nicht erreicht worden sei.