Heroin wird in Spritze aufgezogen
ORF
ORF
Soziales

Kärnten nach Wien Drogenhochburg

Der letzte Woche präsentierte Bericht zur Drogensituation in Österreich zeigt, dass Kärnten ein Hochkonsumland für Alkohol und zunehmend auch für illegale Drogen ist. Gemessen an der Einwohnerzahl ist der Drogenkonsum besonders hoch: Pro 100.000 Einwohner gibt es nur in Wien mehr Drogenabhängige.

Laut Barbara Drobesch-Binter, der Leiterin der Suchtprävention beim Land Kärnten, gibt es dafür verschiedene Erklärungsmodelle. Wesentlich sei, dass die Balkanroute durch Kärnten führe und so relativ viele Substanzen ins Land gelangen. Außerdem gebe es aber auch eine nahezu lückenlose Dokumentation, was in anderen Bundesländern oft nicht der Fall sei: „Gerade bei den Todesfällen, wo härtere Drogen immer mit eine Rolle spielen, können wir in Kärnten sagen, dass wir lückenlos die Problemfälle aufgreifen, dass lückenlos obduziert und geschaut wird, was dahinter steckt.“

Drogenhochburg Kärnten

Kärnten setzt auf Begleitung von Suchtkranken

Seit 2015 werde versucht, Gesetzmäßigkeiten zu erkennen. Cannabis gehöre – wie in den anderen Bundesländern – zu den am häufigsten konsumierten Drogen, so Drobesch-Binter. „Im Drogenbericht fallen wir statistisch gesehen deshalb in Bezug auf Cannabis auf, weil unsere Amtsärzte, die ja die Anzeigen von der Polizei bekommen, ziemlich restriktiv gesundheitsbezogene Maßnahmen für die Betroffenen aussprechen. Das heißt, sie müssen sich einer medizinischen oder psychologischen Betreuung unterziehen.“ In den anderen Bundesländern habe man davon zusehends abgesehen, weil es sehr viele Ressourcen binde.

Zwei Drogenambulanzen – in Klagenfurt und Villach

Opiate und Kokain seien in Kärnten ebenfalls stark vertreten. Auch in diesem Bereich werde versucht, Abhängige über die Drogenambulatorien relativ lückenlos in die Substitutionsbehandlung zu bekommen, so Drobesch-Binter. Im Unterschied zu anderen Bundesländern gebe es in Kärnten zwei Drogenambulatorien, eines in Klagenfurt und eines in Villach. Auch das Netz an Außenstellen in den Bezirksstätten sei mittlerweile gut ausgebaut: „Unser Ziel ist es, diese schwer kranken Menschen, die eben von Opiaten abhängig sind, möglichst früh in eine Behandlung zu bekommen, damit sie wieder ein relativ geregeltes Leben aufnehmen können.“

Immer mehr obdachlos

Claudia Scheiber ist die Leiterin der Drogenambulanz in Klagenfurt. Sie sagte, man merke nach wie vor großen Zulauf bei Ambulanzen und Beratung. Die Zahlen steigen, vor allem Heroin und Kokain werden konsumiert. Dazu synthetische Substanzen, von denen die Menschen nicht wissen, was drin sei. Früher habe man Drogen beim Dealer gekauft, heute sei es einfach, sie im Internet zu bestellen. Viele Patientinnen und Patienten leben auf der Straße – sie kommen zwar in die Ambulanzen, aber wichtig sei eine Wohnung, um die Menschen zu stabilisieren, so Scheiber.

Tablettenglas mit weißen Pillen
Milan – stock.adobe.com
Tabletten sind oft Einstiegsdrogen

Gründe für eine Drogensucht sind vielfältig, oft sind es Ängste, Druck in Schule und Beruf, psychische Probleme.

Pandemie verlagerte Handel ins Internet

Dass Drogen so gefragt seien, sei kein reines Kärntner Phänomen, Drobesch-Binter: „Der Markt wird massiv überschwemmt. Es gibt ganz viele Substanzen, es gibt über das Internet den freien Verkauf. Man kann sich wirklich alles, was man sich vorstellen oder auch nicht vorstellen kann, nach Hause bestellen. Das merken wir auch besonders seit Beginn der Covid-Pandemie. Während des ersten Lockdowns war die Situation eine relativ ruhige. Dann hat aber auch der Handel – quasi mit der Post – begonnen.“ Seit Ende der Pandemie merke man das generell. Die psychischen Erkrankungen nahmen zu und viele, gerade junge Leute, versuchen mit den Substanzen ein Stück weit selbst zu handeln, so Drobesch-Binter.

Im Vorjahr starben 23 Menschen nach der Einnahme von Drogen, 2022 waren es 15. Die klassische Einstiegsdrogen seien ihrer Erfahrung nach Nikotin und Alkohol, aber auch Medikamente, mit denen relativ unbedacht umgegangen werde. „Wenn man von Prävention redet, dann muss man auf jeden Fall bei den legalen Substanzen beginnen.“

Vergleichszahlen

Um die Zahlen aus verschiedenen Bundesländern vergleichen zu können, werden Drogenkranke auf 100.000 Einwohner hochgerechnet. In Kärnten sind es 616 Menschen zwischen 15 und 64 auf 100.000 Einwohner. Der zweithöchste Wert in Österreich. Die Zahlen schwanken allerdings, weil die Bundesländer Zahlen unterschiedlich einmelden.

Zigaretten, Alkohol und Tabletten oft Einstiegsdrogen

Seit Jahren werde schon mit der Prävention an Schulen anfangen. Dabei zeige sich, dass zum Beispiel Mädchen oft einen sehr unreflektierten Umgang mit Schmerzmedikamenten hätten. „Sie schlucken oft wirklich unreflektiert bei jedem kleinen Wehwehchen Tabletten. Wo wir aufpassen müssen, ist bei der Abgabe von den sogenannten Benzodiazepinen. Das sind verschreibungspflichtige Medikamente, die zur Beruhigung dienen sollen, die aber auch schlafanstoßend sind. Das geht quer durch die Bevölkerung und da muss man wirklich aufpassen, dass es nicht zu einer Abhängigkeit kommt.“

Das seien Medikamente, die vielleicht punktuell für eine ganz kurze Dauer einem Betroffenen sehr gut helfen können, wenn sie vom Arzt verschrieben seien. Auf die Dauer gesehen seien es hoch süchtig machende Medikamente. Gefährlich sei es, wenn sie – so wie oft bei jungen Leuten – mit anderen Substanzen wie Alkohol gemischt werden.

Prävention beginnt im Kindesalter

Klassische Prävention beginne aber nicht erst während der Pubertät, sondern schon viel früher, im Kindergarten, sagte Drobesch-Binter: „Das heißt, ich lerne mit meinem Kind gemeinsam, Probleme auszuhalten. Ich lerne altersgerecht mit meinem Kind, auch über Probleme zu reden, Konflikte gemeinsam zu lösen, aber auch Grenzen zu setzen. Das ist mir ganz, ganz wichtig. Dass Kinder auch lernen, meine Eltern setzen mir da eine Grenze und da sollte ich nicht drüber gehen. Wenn, dann sollte man als Elternteil darüber reden und sagen, das war nicht in Ordnung, weil, weil, weil“.

Eltern müssen klar Position beziehen

Haben Jugendliche einmal das Alter von 14, 15 oder 16 Jahren erreicht, müsse man im Prinzip als Elternteil darauf hoffen, dass alles, was man vorher gemacht habe, zu wirken beginne: „Wenn es aber dann letztendlich so weit ist, dass man sagt, das könnte jetzt kritisch werden, ist es ganz wichtig, dass man versucht, immer offen mit dem Kind zu reden.“ Man dürfe nicht so tun, als sei alles in Ordnung, nur weil man befürchte, dass das Kind einen dann nicht mehr möge. Man dürfe nicht davor zurückzuschrecken, zu sagen: „Nein, ich will nicht haben, dass du das machst.“ Man solle nicht von vornherein alles in Ordnung finden, sondern klar Position beziehen, rät die Expertin.

Kommunikation: Klare Worte ohne Schuldzuweisungen

Kommunikation sei der Schlüssel zum Erfolg. Es gehe darum, keine Schuldzuweisungen zu machen, weil das Kind dann nicht mehr zu den Eltern komme. Vielmehr gehe es darum, ein offenes Ohr zu haben, aber auch die Möglichkeit zu bieten, dass Freunde nach Hause kommen können, sodass man als Elternteil die Freunde kennenlerne und auch wisse, wohin die Kinder gehen, was sie tun. Man müsse Interesse für ihre Freizeitgestaltung zeigen und ihnen nicht das Gefühl geben, dass es egal sei, wann sie – zum Beispiel mit 14 Jahren – vom Fortgehen nach Hause kommen: „Das Jugendschutzgesetz gibt gewisse Regeln vor, aber zu Hause machen die Regeln noch immer die Eltern“, so Drobesch-Binter.

ÖVP: Familien und Bildungseinrichtungen in der Pflicht

ÖVP-Klubobmann Markus Malle sagte in einer Reaktion am Sonntag, es sei erschütternd, dass Kärnten nach Wien das größte Problem mit illegalen Substanzen habe und dass die Konsumenten immer jünger werden. Drogensucht sei ein gesellschaftliches Problem, daher müsse die Gesellschaft dagegen kämpfen. Eltern sollen ermutigt werden, mit ihren Kindern offen über Probleme zu sprechen und diese auch in die Hand zu nehmen. Genauso seien Bildungseinrichtungen in der Pflicht. Es sei unverständlich, dass Direktoren Präventionsarbeiter aus ihren Schulen ausschließen, Kärnten brauche eine Präventionsoffensive, so Malle.