Im Labor gezüchtetes Fleisch
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Wirtschaft

Bauern fordern Verbot von „Laborfleisch“

Die Bauernproteste in Europa zeigen, dass sich die Landwirtschaft mit vielen Problemen konfrontiert sieht. Ein Thema, das die Gemüter erhitzt, ist gezüchtetes, kultiviertes Fleisch, für das keine Tiere getötet werden. Darüber wurde im Bildungshaus Schloss Krastowitz diskutiert. Die Veranstalter fordern ein Verbot des „Laborfleisches“.

Die Organisatoren machen ihren Standpunkt gleich zu Beginn klar. Bernhard Rebernig, Präsident des Ökosozialen Forums Kärnten, sagte: „Wir sind davon überzeugt, dass ‚Laborfleisch‘ nicht die Zukunft sein kann und darf.“ Man glaube, dass die Nachteile überwiegen. Auch Astrid Brunner von der Landwirtschaftskammer sieht etwa die 7.000 Rinder haltenden Betriebe in Kärnten durch die Produktion kultivierten Fleisches gefährdet: „Rinderhalten im Berggebiet ist eine Notwendigkeit. Nur durch diese wirtschaftliche Nutzung können wir einen Ertrag erzielen und die Flächen verwerten.“

Noch keine Langzeitstudien

Laut Ernährungsmediziner Dietmar Rösler fehlen Langzeitstudien zu möglichen gesundheitlichen Folgen von „Laborfleisch“: „Wenn der Mensch zu sehr eingreift und verarbeitet wird es ungesund. Die Probleme werden sich wohl erst Jahre später zeigen. Fakt ist aber auch, dass wir zuviel Fleisch essen, und zwar doppelt soviel.“ Er bezweifelt auch, dass Laborfleisch jene Nährwerte aufweisen kann wie etwa eine Almsau. Selbst wenn man bei der Züchtung genügend Nährwerte zuführen würde, wären die Kosten noch höher und der Preis im Supermarkt sehr hoch, so Rösler.

„Weniger Tiere und keine Antibiotika“

Aleksandra Fuchs forscht am Austrian Center of Industrial Biotechnology in Graz an der Entwicklung von „Laborfleisch“ und sieht die Vorteile. „Laborfleisch“ ist laut ihr nötig, um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Während die Agrarflächen zur Fleischherstellung knapp würden, steige zugleich der Fleischkonsum wegen des Bevölkerungswachstums bis 2050 um mindestens 40 Prozent.

Die Herstellung von Laborfleisch brauche bis zu 95 Prozent weniger Platz für die Herstellung von gleicher Masse an Fleisch, sagte Fuchs: „Kultiviertes Fleisch wird ohne Antibiotika produziert und dadurch gibt es keine Gefahr der Entstehung von multiresistenten Keimen.“

Kultiviertes Fleisch im Supermarkt
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In den USA wird kultiviertes Fleisch bereits angeboten

Noch hohe Produktionskosten

Eine große Herausforderung für die Forschung seien derzeit die hohen Produktionskosten und der hohe Energieverbrauch von kultiviertem Fleisch. Eine mögliche Lösung sieht man darin, Bio-Reaktoren – in ihnen werden die einem Tier entnommenen Muskelproben gezüchtet – direkt auf den Bauernhöfen zu betreiben, etwa mittels überschüssigem Strom aus der hauseigenen PV-Anlage. Projekte dieser Art würden bereits laufen, so Fuchs.

Weitere Vorteile sind: Es könnte bis zu 90 Prozent Wasser gespart werden im Vergleich zur herkömmlichen Fleischproduktion und Verunreinigungen, wie Feinstaub oder Bodenversäuerung, würden niedriger ausfallen. Die Herstellung von Laborfleisch würde viel weniger Treibhausgasemissionen verursachen als die herkömmliche Landwirtschaft. Daten zur tatsächlichen Klimabilanz würden aber fehlen, sagte Fuchs.

Natürlich oder nicht natürlich?

Für Tierethiker Christian Dürnberger ist die Zukunft von Laborfleisch ungewiss. So würden die Menschen maßgeblich selbst entscheiden, was in den nächsten Jahren auf dem Teller landet. Und sie treffen solche Entscheidungen abhängig von mehreren Faktoren, unter anderem der Gesundheit. Dabei hänge die gesellschaftliche Risikowahrnehmung bei Lebensmitteln nur bedingt von wissenschaftlichen Fakten ab – Beispiel Gentechnik. Solche Risikowahrnehmungen hängen mit Natürlichkeit zusammen. „Das, was wir als natürlich wahrnehmen, kommt uns ungefährlicher, normaler, besser vor. Und da wird es Laborfleisch wahrscheinlich schwer haben."

Wobei sich laut Dürnberger auch die Frage stellt, ob es das Natürliche überhaupt noch gibt: "Der Mais ist natürlich, aber von Menschen maßgeblich gestaltet. Ich kenne niemanden, der sagt, er isst kein Popcorn, das ist unnatürlich. Das, was wir als natürlich wahrnehmen, ist nicht in Stein gemeißelt. Im Gegenteil: Das kann innerhalb einer Generation kippen. Meine These ist: Wenn wir das Wort ‚Natürlich‘ verwenden in diesem Kontext, dann meinen wir meist das, was wir kennen, das Vertraute.“

Position der Tierrechte

Auf die Frage, ob Laborfleisch zum Tierwohl beitrage, hat der Philosoph keine Antwort. Er geht davon aus, dass die Position der Tierrechte – Tiere haben demnach ein Recht auf Leben, Freiheit und körperliche Unversehrtheit – gesellschaftlich stärker werde. Dem gegenüber stehe das Denken, dass es ohne Fleischkonsum keine Nutztiere wie Schweine mehr gebe. Für ein Tier sei es dieser Logik folgend besser, ein glückliches, wenn auch kurzes, als gar kein Leben zu haben.

Das Ökosoziale Forum und die Kärntner Bäuerinnen erwirkten einen Antrag gegen Zulassung von kultiviertem Fleisch im Landtag. Erst im September wurde in der EU eine erste Zulassung beantragt. In den USA und in Singapur wird kultiviertes Fleisch im kleinen Umfang bereits verkauft. Umfragen zeigen auch, dass die Akzeptanz in den Ländern unterschiedlich ist.