Herdenschutzhund im Gehege
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Tiere

Kritik an Programm für Herdenschutzhunde

Das Programm für ländliche Entwicklung fördert ab 2023 die Anschaffung von Herdenschutzhunden, um Wölfe abzuwehren. Expertinnen und Experten dieser Rassen sehen das kritisch, denn die Haltung brauche lange Erfahrung, viel Training und eine ruhige Umgebung. Schon jetzt landen viele „Problemhunde“ beim einzigen Schutzverein.

Um dem Wolfsvorkommen zu begegnen, will die EU-Kommission die Haltung von Herdenschutzhunden ab 2023 fördern: 700 Euro pro Hund und Jahr für maximal fünf Hunde soll es geben. Zugelassen sind nur ganz bestimmte Rassen, und auch eine Zertifizierung ist nötig.

Experten mit Auffangstation

Sissy Lippitz ist Expertin für Herdenschutzhunderassen und betreibt eine Auffangstation. Sie hat eine ganz klare Haltung: Alle ihrer Tiere gehören nicht nach Österreich, sondern in die Mongolei oder andere menschenleere Gegenden. Sie löst mit ihrem Verein Secure Base seit 20 Jahren die Probleme, die andere verursachten, weil sie sich einen Hund zulegten, dessen sie nicht Herr werden konnten.

Herdenschutzhunde in Not

Nicht für Almen mit Wanderern geeignet

Die Haltung dieser Hunde auf Kärntner Almen sei nur unter ganz bestimmen Voraussetzungen möglich, so Lippitz: „Auf einer Weide, wo am Tag 20 Wanderer vorbeigehen, wird das nicht funktionieren. In Ortschaften mit vielen Nachbarn kann es nicht funktionieren. Wenn diese Hunde Gefahr wittern, bellen sie, und sie bellen lange. Wenn es keinen Wanderweg gibt, und wenn es einen Hirten bei den Schafen gibt, dann funktioniert das in einem gesicherten Areal.“ Die Fronten in Kärnten seien viel zu verhärtet, was Wölfe betreffe. Der Wolf habe eine Daseinsberechtigung, das Schaf und der Hund auch. Aber wie es jetzt laufe, könne es nur Verlierer geben, sagt Lippitz.

Sissy Lippitz
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Sissy Lippitz

Der Verein Secure Base betreibt für Herdenschutzhunde in Frantschach einen Hof als Auffangstation: „Die meisten Hunde, die bei uns landen, wollen mich zuerst einmal fressen. Die mögen mich nicht und zeigen mir sehr klar, solltest du dich nähern, werde ich dich beschädigend angreifen“, so Lippitz. Der Hof hat eine vierfache Umzäunung. Alle Hunde sind aus sehr schlechter Haltung. Es gibt eine Warteliste aus ganz Österreich mit 50 Hunden.

Vertrauen braucht Zeit

Der kuschelige Anblick der Hunde täuscht. Vertrauen braucht auch auf dem Hof in Frantschach seine Zeit. Kein Wunder: Die rote Zora wurde eineinhalb Jahre lang in einer Kiste gehalten, und auch der blinde Baikal hat eine schlimme Vergangenheit hinter sich, wie alle 20 Hunde hier: „Sie sind weder Kuschelbären noch sind sie Monster. Bei uns gelandet sind sie durch behördliche Beschlagnahmung, Überforderung aus den Tierheimen, private Abgaben von Familien, Abgaben von Landwirten, die diese Hunde im Herdenschutz einsetzen wollten, aber gescheitert sind.“

Zwei der Herdenschutzhunde im Verein
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Zwei Owtscharkas auf dem Hof

Rückzahlung von Covid-Hilfen

Finanzielle Unterstützung gibt es für diese Arbeit keine. Und nun muss der Verein wegen eines Fehlers auch noch 20.000 Euro an Covid-Hilfen zurückzahlen, was das Aus – auch für die Hunde – bedeuten könnte: „Wir sind die Endstation. Wenn es uns nicht gibt, können die Hunde nirgends hin.“

Von diesen Problemen wissen die Hunde natürlich nichts. Wenn keine Fremden da sind, dürfen sie zu ihrer Herde, die sie im Ernstfall bis zum Tod verteidigen. Eben auch gegen Wölfe, weshalb auch der Verein Save the Alps nach Frantschach kommt, um sich zu informieren. Ab Jänner sollen für die Anschaffung von Herdenschutzhunden in Kärnten auch Förderungen fließen.

Besuch von Klaus Sommeregger
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Klaus Sommeregger wird begrüßt

Klaus Sommeregger von Save the Alps: „Da sehen wir große Probleme, vor allem in Richtung Tierleid. Nicht nur, dass wir dann Hunde-Wolf-Kämpfe auf den Almen haben oder Hunde-Hund-Kämpfe, sondern auch Tiere, die nicht haltbar sind und Probleme machen, eingeschläfert werden müssen.“ Auch die Landwirtschaftskammer sieht enormes Konfliktpotenzial und eine ungeklärte Haftungsfrage.

Hilfe vom Land möglich

Aber wie kann es für den Hof in Frantschach weitergehen? Das Land verspricht zumindest, den Fall zu prüfen, so Tierschutzreferentin Beate Prettner. Danach werde man sehen, wie man helfen könne, die Bereitschaft sei auf jeden Fall da. Es erscheint mehr als paradox, dass Hunde, die Tausende Euro kosten, vielleicht keine Zukunft haben.

Mit dem Verein Secure Base kämpfen die kärntenweit einzigen Herdenschutzhundexpertinnen und -experten ums Überleben, während es hierzulande bald viel mehr Herdenschutzhunde geben könnte.

Bekannteste Rassen

Maremmen-Abruzzen-Schäferhund, Pyrenäen-Berghund, Kaukasischer Owtscharka, Kuvasz und Kangal

Hütehunde sind keine Herdenschutzhunde

Nicht zu verwechseln sind Herdenschutzhunde mit Hütehunden wie dem Border Collie oder Australian Sheperd. Herdenschutzhunde sind dazu gezüchtet, selbstständig zu arbeiten und ihre Herde zu bewachen. Sie wehren auch Raubtiere ab und haben daher ein gewisses Maß an Aggressivität in sich. In Ländern, in denen sie eingesetzt werden, wachsen sie mit der Herde auf und nicht – wie Haushunde – in der Familie des Besitzers. Training ist sehr wichtig. Experten raten davon ab, einen echten Herdenschutzhund als Kuscheltier zu kaufen. Sie sind Arbeitshunde und brauchen diese Aufgabe auch, außerdem sind alle Rassen groß und bringen – wie der Owtscharka – bis zu 90 Kilogramm auf die Waage.