Politik

Weiter Aufregung um Kärntner LVT-Chef

Die Bestellung des Kärntner Verfassungsschutz-Chefs Stephan Tauschitz sorgt weiter für Aufregung: Der Ex-ÖVP-Klubobmann hatte zweimal Festreden beim Ulrichsberg-Treffen gehalten. Auf Bundesebene fordern die Grünen deshalb eine Neuausschreibung. Die Frage, ob es ursprünglich mehr als einen Bewerber gab, sorgt für Zwist zwischen SPÖ und ÖVP.

Der neue Chef des Landesamts für Verfassungsschutz, Tauschitz, war bis 2012 ÖVP-Klubobmann in Kärnten. Er trat – indirekt in Zusammenhang mit der Birnbacher-Affäre – zurück und wechselte in das BVT, den Verfassungsschutz in Wien. Seit 1. Februar ist er Leiter des Kärntner Verfassungsschutzes und damit auch für das Monitoring von Rechtsextremismus zuständig. Nun wurde jedoch bekannt, dass Tauschitz zweimal Festreden beim rechtsextremen Ulrichsberg-Treffen hielt.

Neuausschreibung für LVT-Leitung gefordert

Die Bundesgrünen halten das für „untragbar“ und fordern, wie am Freitag im Ö1-Mittagsjournal berichtet wurde, „eine Neuausschreibung“ im Verfassungsschutz. NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper zufolge solle künftig generell neu ausgeschrieben werden, wenn es für einen Chefposten im Innenministerium nur einen Bewerber gebe. SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner kündigte eine parlamentarische Anfrage zu allen Postenbesetzungen der jüngeren Vergangenheit im Innenministerium an, die ÖVP kritisierte den „Pauschalverdacht“ gegen alle Betroffenen.

Aufregung um Kärntner LVT-Bestellung

Die Bestellung des Kärntner Verfassungsschutz-Chefs Stephan Tauschitz sorgt für Aufregung: Der Ex-ÖVP-Klubobmann hatte zweimal Festreden beim Ulrichsberg-Treffen gehalten. Die Bundesgrünen fordern daher eine Neuausschreibung des Postens. Tauschitz sagte, heute würde er nicht mehr an diesem Treffen teilnehmen.

DÖW sieht „Bemerkenswerte Karrierestation“

Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands sagte am Freitag in der „ZiB2“, es „ist oder war jedenfalls für lange Zeit“ eine „Eigenheit der Kärntner Verhältnisse“ und „Normalität“, dass eine Veranstaltung wie die Ulrichsbergfeier einerseits von hochrangigen Vertretern der Landespolitik aus drei verschiedenen Parteien besucht worden sei, andererseits aber auch von „Alt- und Neonazis“. Und, weiter: "Ich würde meinen, dass für den Chef einer Behörde, die zuständig eben auch für die Beobachtung der extremen Rechten ist, die Eigenschaft, „Redner auf der Ulrichsberg-Feier", jedenfalls eine bemerkenswerte Karrierestation ist.“

Tauschitz wegen Festreden für Grüne „untragbar“

Der ehemalige ÖVP-Kärnten-Klubobmann trat 2008 und 2010 als Festredner Tauschitz beim Ulrichsberg-Treffen in Kärnten auf. „Untragbar“, sagte Olga Voglauer, Klubobfrau-Stellvertreterin der Grünen im Nationalrat und Landessprecherin der Grünen Kärnten: „Wenn man sich seine Äußerungen ansieht, dann ist meine Forderung, dass diese Stelle neu ausgeschrieben wird und Herr Tauschitz zurücktreten soll.“

Ulrichsbergtreffen 2008
ORF Archiv
Tauschitz (2.v.re) mit Christian Scheider. Links neben den Soldaten Uwe Scheuch. Ulrichsbergtreffen 2008.

Rede auf Ulrichsberg: „Nicht über Tote richten“

Das Ulrichsberg-Treffen ist ein Gedenken an die Teilnehmer des Kärntner Abwehrkampfs 1920, zieht aber Alt- und Neo-Nazis sowie Rechtsextreme an. Unter anderen wird der verbrecherischen Waffen-SS gedacht. In seiner Rede 2010 forderte Tauschitz laut Ö1-Mittagsjournal dazu auf, „nicht über die Toten zu richten“, das müsse man Gott überlassen, und kritisierte Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ), der im Jahr davor die Unterstützung des Bundesheers an der Veranstaltung untersagt hatte, nachdem ein Handel mit NS-Devotionalien im Umfeld der Ulrichsberggemeinschaft aufgeflogen war.

Waffen-SS „verbrecherische Organisation“

Im Nürnberger Prozess 1946 erklärte der Internationale Militärgerichtshof die Waffen-SS wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur verbrecherischen Organisation. Die Kameradschaft IV der Waffen-SS wird vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes als rechtsextrem eingestuft. Sie besteht aus ehemaligen Mitgliedern der Waffen-SS sowie deren Familienangehörigen und Freunden.

„Keine NS-Verbrechen verharmlost“

Tauschitz selbst sagte in einer schriftlichen Stellungnahme, er habe damals „wie Vertreter anderer Parteien Grußworte“ abgegeben. Dabei habe er „in keinster Art und Weise nationalsozialistische Verbrechen verharmlost“. Aus heutiger Sicht würde er nicht mehr an dem Treffen teilnehmen, so Tauschitz weiter. Das Ulrichsberg-Treffen stehe unter Beobachtung, wer sich nationalsozialistisch wiederbetätige, werde auch „mit aller Härte des Gesetzes“ verfolgt. Er werde in seiner neuen Funktion gegen jede Form von Extremismus ankämpfen.

Voglauer sieht das Innenministerium in der Verantwortung. „Ich frage mich: Wenn man schon auf Bundesebene eine Vertraulichkeitsprüfung vorschreibt, warum es diese nicht auch für die Länder gibt? Auch bei der Ausschreibung: Herr Tauschitz hat keine juristische Ausbildung. Dass er besetzt wurde, als Leiter des LVT, ist dem geschuldet, dass er im BMI gearbeitet hat. Und die Frage ist, ob die Qualifikation hier in Wirklichkeit ausreicht? Für mich ist schon die Nähe zu den Ulrichsberg-Treffen, zu einer Gemeinschaft, die die Waffen-SS verherrlicht, das reicht mir schon aus, dass er nicht geeignet ist, für die Leitung des LVT in Kärnten.“

Einstimmige Bestellung Tauschitz’

Bei der Bestellung zum Chef des Landesamts für Verfassungsschutz soll die Personalvertretung einstimmig für Tauschitz gestimmt haben – Sozialdemokraten, Christgewerkschafter und ein Freiheitlicher. Die Ulrichsberg-Treffen waren da noch kein Thema. Der sozialdemokratische Gewerkschafter Bruno Keltz argumentiert: Der ehemalige ÖVP-Klubobmann Tauschitz habe in seiner Funktion als LVT-Referatsleiter nicht parteipolitisch agiert. Und es hätte keine anderen Bewerber gegeben: „Als Einzelbewerber war er natürlich auch der Bestgeeignete.“ Denkbar sei, „dass viele Bewerber aus den Erfahrungen aus 20 Jahren ÖVP-Innenministerin sich gedacht haben: Ich habe hier eh keine Chance.“ Womöglich hätten Interessenten auch nach Vorgesprächen mit der Landespolizeidirektion wegen Aussichtslosigkeit auf eine Bewerbung verzichtet.

Zunächst hatte es einen zweiten Bewerber aus Wien gegeben, der seine Kandidatur dann zurückzog. Bewerbungen aus Wien könnten dazu dienen, die mehrheitlich sozialdemokratischen Gewerkschafter in Kärnten zu umgehen. Denn laut Keltz fällt bei Bewerbungen aus mehreren Bundesländern die Entscheidung im Ministerium. Keltz vermutet, „dass man bei Bewerbungen, wo der Dienstgeber befürchtet hat, dass es zu Schwierigkeiten kommen könnte, mit der Zustimmung durch das Personalvertretungsorgan somit den Fachausschuss in Kärnten außen vor gelassen hat.“

Laut SPÖ-Sicherheitssprecher gab es vier Bewerber

Laut einer Aussendung des SPÖ-Sicherheitssprechers Reinhold Einwallner habe es sogar vier Bewerber für die Stelle des obersten Kärntner Verfassungsschützer gegeben, Einwallner kritisierte in Richtung Innenministerium: „Wenn es unliebsame Bewerber auf eine Stelle gibt, die aber für einen gewissen Günstling vorgesehen ist, wird auf die anderen Bewerber schlicht Druck ausgeübt, die Bewerbungen zurückzuziehen.“ Ähnlich habe es sich auch im Rahmen der LVT-Bestellung zugetragen. „Aus vier Bewerbern mach einen“, so Einwallner, wobei letztlich aber nur einer, „zufällig der ehemalige ÖVP-Klubobmann in Kärnten, übrigblieb“.

Dem SPÖ-Sicherheitssprecher nach, dürfte dies „zu lange und zu oft" gängige Praxis im Innenministerium gewesen sein. Er kündigte eine umfassende parlamentarische Anfrage „zu allen Postenbesetzungen der jüngeren Vergangenheit“ an.

Innenministerium: „Persönliche Entscheidung“

Aus dem Innenministerium heißt es allerdings, es sei eine persönliche Entscheidung, ob sich jemand für eine Funktion bewirbt oder eine Bewerbung zurückzieht. Und es gebe sogar ein Gratulationsmail der sozialdemokratischen Gewerkschafter an Tauschitz. Die ÖVP kritisierte am Samstag auch den „Pauschalverdacht“ gegen alle Betroffenen: „Dass die Beamtinnen und Beamten unseres Landes durch die Oppositionsparteien ständig diskreditiert werden und ihnen böswillig mangelnde Qualifikation unterstellt wird, ist beschämend“, findet deren Bereichssprecher für Inneres und Sicherheit, Christian Stocker. Es dürfe „nicht länger hingenommen werden, dass Tag für Tag verdiente und hochqualifizierte Polizistinnen und Polizisten sowie Mitarbeiter des Innenressorts aus reinem Parteikalkül diskreditiert werden.“

Polizeisprecher: Strenge Sicherheitsüberprüfungen

Polizeisprecher Rainer Dionisio sagte gegenüber dem ORF, er habe siebenjährige Erfahrung im Staatsschutz und habe breite Erfahrung, die formellen Voraussetzungen habe er auch. Für alle Mitarbeiter im Verfassungsschutz gebe es regelmäßig strenge Sicherheitsprüfungen. Dionisio sagte, Tauschitz sei bereits überprüft worden und es gebe keine Erkenntnisse, die gegen eine Bestellung sprechen würden.