Michael Thurner mit Kuh
ORF/Isabella Bergner
ORF/Isabella Bergner
Freizeit

Weltenbummler mit tiefen Wurzeln

Michael Thurner ist ein Visionär, der Anzugschuhe und Krawatte gegen Filzhut und feste Wanderschuhe getauscht hat. Seit Juni betreibt der gebürtige Gailtaler die Reisacher Jochalm als Hüttenwirt mit der Idee einer plastikfreien Alm.

Michael Thurner ist internationaler Weinhändler. Mit 28 Jahren wurde der „Bauernbub“, wie er sich selbst nennt, nach einem Wirtschaftsstudium Geschäftsführer der Österreichischen Weinmarketing Gesellschaft. Er lebte lange in Asien, bereiste viele Länder und landete jetzt wieder zu Hause im Gailtal.

Reisacher Jochalmhütte
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Reisacher Jochalm

„Immer Gailtaler geblieben“

Seit einigen Monaten betreibt er die Reisacher Jochalm auf 1.550 Meter Seehöhe: „Ich habe meine Heimat nie wirklich verlassen. Im Herzen bin ich immer Gailtaler geblieben. Ich hatte beruflich die Möglichkeit, viel von der ganzen Welt zu sehen. Ich habe alle Kontinente bereits, war in 80 Ländern der Welt. Je mehr man reist, desto mehr kommt man drauf, dass es zu Hause am schönsten ist.“

Auch in seiner Kindheit habe er viel Zeit auf einer Alm verbracht und lokale Spezialitäten wie Kärntner Nudeln, Polsterzipfel und Gulasch zu schätzen gelernt. Für die Jochalm interessierte er sich schon lange. Als sie dann im Vorjahr zur Pacht frei wurde zögerte er nicht lange und verlegte seinen Lebensfokus ins Gailtal: „Es ist nicht so schwierig, wenn man selbstständig ist und viele Freiheiten in seiner Arbeit hat. Ich reduzierte einige Bereiche bzw. organisierte alles um: Darum kümmere ich mich zwischen 4.00 und 6.00 Uhr, dann kommt die Almarbeit und dann der Gast.“

Michael Thurner bei Käseherstellung
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Michael Thurner beim Käsen

Frische Kuhmilchprodukte und hochwertiger Wein

Thurner betreut 36 Milchkühe und stellt aus ihrer Milch Gailtaler Almkäse, Butter, Schotten, Joghurt usw. her. „Wir versuchen alles so gut wie möglich zu verwerten, damit möglichst wenig übrig bleibt. Die Gailtaler Almkäsereien gibt es seit dem 14. Jahrhundert. Wir gehen quasi wieder einen Schritt zurück und kaufen die Produkte beim Bauern und gehen zum Beispiel nicht mehr ins Geschäft, um Kartoffeln aus Chile zu kaufen. Wir haben uns in unserem Denken schon sehr geändert.“

Auch, wenn er viel international unterwegs war, werde das Kleine für ihn immer wichtiger, sagt Thurner: „Dazu zählt auch der Kontakt zum Produzenten. Wenn man weiß, wo alles her kommt und wie es gemacht wird ist das etwas Besonderes. Essen ist immer etwas Emotionales, genauso wie guten Wein zu trinken.“

So ist es das Ziel des 48-Jährigen, auch eine gute Weinkarte anzubieten: „Ich merke, dass viele Leute eine Freude haben, wenn sie auf der Alm guten Wein trinken können. Es gibt zwar auf anderen Almen auch Wein, aber wir haben ein erweitertes Sortiment auch von vielen Winzern aus Österreich, sowie Bio-Weine.“

Glasflaschen und Behälter in Küche
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Behälter aus Glas ersetzen Plastik

Alm soll weitgehend ohne Plastik auskommen

Herzstück seiner Philosophie: Die Alm möglichst plastikfrei zu halten und sich mehr auf das Regionale zu besinnen, so Thurner: „Ich wollte etwas Innovatives machen. Ich glaube, dass die Almen im Gailtal super funktionieren, aber eigentlich alle ziemlich ähnlich sind – sie bieten ähnliche Produkte an und vermarkten sich ähnlich.“ Die Umwelt lag ihm immer schon am Herzen und er wollte mit dem weitestgehenden Verzicht auf Plastik ein Zeichen setzen.

Schriftzug: Auf der Alm, da gibt´s ka…? daneben mit aufgemalter Plastikflasche (rot durchgestrichen)
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Diese Entscheidung bereue er nicht, auch wenn es nicht immer einfach sei. Besonders herausfordernd sei die Beschaffung: „Man bekommt kaum Getränke oder Lebensmittel ohne Plastikverpackung. Es brauchte viel Zeit, um die Sachen zu finden, die ohne Plastik verpackt sind.“ In der Küche werden zum Beispiel statt Plastikschneidbretter Glasplatten verwendet; Mikroplastik soll vom Essen komplett entfernt werden. Statt Frischhaltefolien kommen Bienenwachstücher zum Einsatz. Holzzahnbürsten, Zahnpastapulver und Strohhalme aus echtem Stroh erweitern zusätzlich das nachhaltige Angebot.

Durch den Wegfall von Plastik konnte der Müllberg auf der Alm bereits um 80 Prozent reduziert werden, sagt Thurner. Ziel sei, den Sommer über zwischen 300 und 500 Kilogramm an Einwegplastik einzusparen.

Michael Thurner
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Michael Thurner

Leben auf der Alm als Bereicherung

Das Leben auf der Alm entspreche in dieser Phase seines Lebens genau seinen Vorstellungen, sagt der Neo-Almbauer: „Ich bin so froh, dass ich keine Anzüge und keine Krawatte mehr tragen muss. Ein T-Shirt, eine Jeans tun es auch. Ich fühle mich so viel wohler.“ Am Abend, nach getaner Arbeit, sitze er oft vor der Hütte, blicke auf die Karnischen Alpen und sei unendlich dankbar für diese „großartige Zeit“ seines Lebens: „Die Menschen sind auf der Alm viel offener und duzen sich. Alle sind gleichgestellt, egal, woher man kommt.“

Michael Thurner mit Kühen
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Michael Thurner mit seinen Kühen

Auch seine Familie, die in Klosterneuburg lebt, habe die Entscheidung für seinen Umzug in 1.550 Meter Seehöhe sofort mitgetragen: „Wir sind auch innerhalb von drei Wochen nach Singapur gezogen. Das war ähnlich. Ich bin immer sehr schnell in meinen Entscheidungen und die Familie folgt mir, wo sie kann. Sie werden mich den Sommer über sicher oft besuchen kommen.“

Helfende Hände seien ohnehin willkommen und er möchte seinen Kindern mit auf den Weg geben, alles mögliche auszuprobieren. Dabei gehe es auch um ganz simple Sachen wie auf die Tiere schauen, Rasenmähen oder Kochen. „Sie können mit 14 Jahren schon ein hervorragendes Gulasch und Rindsrouladen kochen“, sagt der stolze Familienvater.