Wenn im hohen Norden die Moore und Sümpfe gefrieren, machen sich die Kraniche auf, um Richtung Süden zu ziehen. Im November sind sie auch in Kärnten zu sehen, entweder in der Luft oder beim Rasten, so Andreas Kleewein von BirdLife: „Jetzt im November ist die beste Gelegenheit, in Kärnten den Kranichzug zu beobachten. Der Kranich ist sehr markant in seinem Flugbild. Das können V-Formationen sein, das können ungleichschenkelige Winkel sein bis hin zu schrägen Balken, die sich am Himmel abzeichnen und untermalt sind von dem trompetenartigen Ruf.“
Jeder kann den Zug führen
Soweit man weiß, wählen die Kraniche ihre Formationen beliebig aus. Sie sind während des Fluges permanent im Austausch und so kommt es immer wieder zum Wechsel in der Führung des Zuges: „Es ist nicht ein Leitvogel, der die Formation anführt. Der letzte in der Reihe kann auch der erste sein und umgekehrt.“
Der Kranich brütet hauptsächlich in Nordeuropa, vor allem in Skandinavien, Estland und Lettland, aber auch in Russland, so Kleewein. Die nächsten Brutgebiete liegen in Polen. 2018 habe es in Oberösterreich erstmals wieder eine Kranichbrut gegeben, auch 2020 sei der Kranich als Brutvogel, diesmal im Waldviertel, nachgewiesen worden.
Brut braucht Feuchtgebiete
Zwischen 1885 und 2018 galt der Kranich in Österreich als ausgestorben. Da viele Gebiete trocken gelegt wurden, fand er keinen Lebensraum mehr. Er braucht Moore, Sümpfe, Feuchtwiesen und naturbelassene Seeufer, sagte Kleewein: „Solche Feuchtflächen sind für ihn deswegen interessant, weil er als Bodenbrüter dort seine Nester baut. Wenn sich rund 30 Zentimeter tiefes Wasser um das Nest befindet ist es für Fressfeinde, die am Boden herankommen, wie der Fuchs, uninteressant.“
Zwischenstation in Kärnten
Wenn die Kraniche im Herbst dem eisigen Norden entfliehen und in den Süden ziehen, machen sie manchmal sogar Halt in Kärnten. Seit 2009 im Thoner Moor bei Grafenstein. Bereits davor überwinterten die großen, grauen Vögel hier, so Vogelexperte Kleewein: „Er hat dort Nahrung gefunden, der Winter war mild ohne geschlossener Schneedecke.“
Ebene Flächen bieten Feindesüberblick
Nicht nur im Thoner Moor gehen die Kraniche nieder, um während der langen Reise wieder Kraft zu schöpfen, auch in anderen Gebieten Kärntens kann man die edlen Tiere beobachten: „Das sind ebene, große Wiesenflächen, die für den Kranich deswegen so interessant sind, weil er die Übersicht hat, wenn sich ein Feind nähert, sei es ein Säugetier oder ein Greifvogel. Das sind das Klagenfurter Becken aber auch der Bereich Villach oder Spittal.“
Zwei Hauptflugrouten
Man kennt zwei große Kranichflugrouten: „Die eine ist die Nordwestliche. Die geht von Skandinavien über Deutschland nach Frankreich. Die östliche Route geht über Weißrussland, Ungarn, hinein in die Steiermark und nach Kärnten bis zum Mittelmeer.“ Die zweite Zugroute ist etwas jünger und auf ihr gibt es ab Ungarn eine Spaltung. Kärnten und Österreich seien in den Genuss dessen gekommen, dass sich die Route etwas nach Westen verschoben habe, so Kleewein.
Zirka 2.000 Kilometer kann ein Kranich in einem Stück fliegen, aber meist legt er hundert Kilometer zurück und rastet dann. Er verbrauche viel Energie, die er dann durch Nahrung wieder zuführen müsse. Ziel des Kranichzuges ist Nordafrika – Länder wie Tunesien oder Ägypten: „Aber auch der Mittelmeerraum kann interessant sein und seit einigen Jahren ist auch Frankreich eines der Überwinterungsgebiete des Kranichs.“
Flug zurück von Jänner bis April
Natürlich hält er sich nur dann in diesen Ländern auf, wenn er ausreichend Nahrung vorfindet. Die Heimreise in die Brutgebiete nach Nordeuropa tritt der Kranich im Jänner an, die Reise kann sich dann bis in den März oder April hinziehen. „Auch in Kärnten ist es vorgekommen, dass es im April wieder einen Kranichzug gegeben hat. Ähnlich wie der Herbstzug ist es im Frühjahr auch so, dass er in seinen markanten Formationen tags und nachts über uns hinwegzieht.“
Kranich streckt sich im Flug lang
Beim Flug der Kraniche ist nicht nur die Formation sehr markant sondern auch die Flughaltung des einzelnen Tieres: „Er ist lang gestreckt wie ein Brett, Schnabel und Hals bilden eine Linie bis zu den Beinen. Die Flügel haben eine Spannweite von bis zu 2,30 Meter.“ Der Graureiher hingegen, der als heimischer Brutvogel häufiger am Himmel zu sehen ist und dem Kranich ähnlich sieht, hat einen S-förmigen Hals beim Fliegen.
„Man kann einen Kranich gut von einem Graureiher unterscheiden. Wenn man zum Himmel schaut, sieht man im Gegenlicht das Gefieder nicht so gut, aber durch die lang gestreckte Gestalt ist er gut zu erkennen.“ Bis in den Dezember hinein kann man noch die Kraniche Richtung Süden ziehen sehen.