Eine Hand greift nach Bargeld (Symbolbild/Themenbild Geld)
APA/BARBARA GINDL
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Soziales

Grundeinkommen: „Vom Wert des Menschen“

Die in Klagenfurt geborene Politikwissenschaftlerin Barbara Prainsack hat ein Buch über das bedingungslose Grundeinkommen geschrieben. „Vom Wert des Menschen“ beleuchtet Fallbeispiele aus aller Welt und erläutert, warum es ein Grundeinkommen braucht und wie man es finanzieren kann.

Geld ohne Leistung, ein Leben lang – wer soll das bezahlen? Das ist eine der Standardfragen, die auftauchen, wenn es um das Thema bedingungsloses Grundeinkommen geht. Barbara Prainsack ist Professorin für Politikwissenschaften an der Universität Wien und widmet sich dem Thema abseits von Vorurteilen und Ideologien.

Schwester der Krise

Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine Schwester der Krise, schreibt sie im Vorwort ihres Buches. Immer dann, wenn es um die Zukunft der Menschheit schlecht bestellt ist und viele Jobs verloren gehen, taucht der sperrige Begriff des bedingungslosen Grundeinkommens auf, so Prainsack: „In der Coronavirus-Krise ist es dringender geworden, weil viele Menschen Einkommensverluste erleiden oder ihre Arbeit verlieren. Viele wissen es aus eigener Erfahrung, wie das ist, wenn man sich um Hilfe bemüht. Es ist sehr bürokratisch, man weiß nicht genau, an wen man sich wenden muss, viele warten sehr lange.“

Es gebe in vielen Ländern das Argument, dass, wenn es diese Grundsicherung für alle Menschen gäbe, vielen Menschen viel erspart geblieben wäre. In Summe wäre es nicht viel teurer gewesen, so die Wissenschaftlerin. Prainsack sagte, sie sei vom Thema ausgesucht worden. In einem Gremium habe sie eine Stellungnahme zur Zukunft der Arbeit auf Bitte des damaligen EU-Innovationskommissars Carlos Moedas mitverfasst.

Einstellung zu Arbeit verändern

Wenn es um die Zukunft der Arbeit gehe, sei bald klar, dass es um eine grundsätzliche Veränderung der Gesellschaft gehe, dass man die Rolle und das Verständnis von Arbeit neu bewerten müsse. Die Verbindung von Einkommen und bezahlter Arbeit müsse man laut Prainsack auch neu denken: „Wir wissen, dass viele Menschen prekäre Arbeitsverhältnisse haben, unfreiwillige Teilzeit. Viele Menschen können trotz Job vom Einkommen nicht mehr leben.“

Das Geld, das man zum Leben brauche, sollte ein Menschenrecht sein – auf einem bescheidenen Level. Sie sei vorher keine Befürworterin gewesen, doch bei der Beschäftigung mit dem Thema habe sie gesehen, dass es viele Probleme lösen könnte, wenn auch nicht alle. „Ich bin aber auch heute noch keine Befürworterin des Grundeinkommens um jeden Preis. Vorschläge, die sagen, wir geben Menschen Geld, damit sie Ruhe geben, wir bauen den Sozialstaat ab und ersetzen viele Dienstleistungen durch ein Grundeinkommen, da bin ich nicht dafür.“

Die Butter und das Brot

Ihre Vision – das Butterbrotmodell im Buch – lautet so: Das Grundeinkommen sei die Butter, die müsse aber wo draufliegen. Das „Brot“ seien nach wie vor öffentliche Dienstleistungen, Krankenversorgung, Bildung, Transport, leistbares Wohnen. Die öffentliche Hand müsse die Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen wie den gemeinnützigen Wohnbau. Diese Bedürfnisse sollte man sich nicht auf dem freien Markt organisieren müssen, wenn man ein Grundeinkommen bekomme.

„Die ideale Lösung wäre, wenn die öffentlichen Leistungen einerseits gut sind und ausgebaut werden, wie öffentlicher Verkehr, und es für mehr Bedürfnisse dann das Geld gibt, damit man menschenwürdig leben kann.“ Es sei nicht daran geknüpft, ob man arbeite oder wie alt man sei. Die einzige Einschränkung sei, dass man für Kinder den Betrag verringere und ab 16 Jahren voll auszahle. Das sollte für alle gelten, auch für Millionäre.

Finanziert über Steuern

„Für viele klingt das falsch. Auch ich habe das am Anfang nicht so gesehen. Aber ich habe mich überzeugen lassen von Menschen, die sagen, wenn es ein Menschenrecht ist, müssen es alle bekommen.“ Das habe mit gesellschaftlicher Solidarität zu tun. Die Finanzierung würde über Einkommenssteuer und Vermögensbesteuerung laufen, so Prainsack. „Wenn jemand viel verdient und noch das Grundeinkommen hat, sollte er den höchsten Steuersatz zahlen.“ Viele sagen, bedingungslos sei es nur, wenn es unversteuert sei – das sehe sie aber pragmatischer, so Prainsack. Auch Millionäre würden durch die Besteuerung ihres Vermögens dazu beitragen, dass andere das Grundeinkommen erhalten.

Viele werden weiterhin arbeiten

Ein Standardargument von Gegnern des bedingungslosen Grundeinkommens sei, dass man dann keine Motivation mehr habe, arbeiten zu gehen. Dazu sagte Prainsack: „Man soll sich die Pensionistinnen und Pensionisten anschauen, sie haben mit der Pension ein bedingungsloses Einkommen und sie tun trotzdem sehr viel. Kinderbetreuung, Kulturarbeit, kümmern sich um Gärten etc. Die meisten Menschen, das zeigen Studien, wollen beitragen. Wenn man es nicht tut, dann meistens, weil man krank ist.“ In den Bevölkerungsgruppen, die so ein Einkommen bekommen, das zeigen Studien, würden nicht weniger arbeiten. Die Erwerbsarbeit gehe nicht signifikant zurück.

Man hält die anderen für fauler

Auch in hypothetischen Befragungen sagen Menschen, wenn sie jeden Monat 1.000 Euro oder 1.500 Euro bekommen, sagen fünf Prozent ja (in Deutschland), 22 Prozent sagen, sie nicht, aber alle andern. Man halte also die anderen für faul. Es würde aber nicht Massen von Menschen geben, die ihren Beruf nicht mehr ausüben wollen.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde laut Studien, die nach Versuchen erstellt wurden, das Selbstwertgefühl und die Gesundheit der Menschen verbessern. Viele hätten sich zum ersten Mal gesehen gefühlt, ihre kreativen Ideen hätten sich zum ersten Mal durchgesetzt. Es gebe das finnische Modell, hier hätten nur Langzeitarbeitslose das Test-Grundeinkommen erhalten. Hier habe es einen großen Unterschied im Selbstwertgefühl gemacht.

Keine Studien über gesellschaftliche Auswirkungen

Im Waldviertel hätte es ein Experiment gegeben, bei dem arbeitslose Menschen keine AMS-Kurse machen und sich nicht bewerben mussten. Sie seien gefragt worden, was möchtest Du tun? Die meisten seien das noch nie gefragt worden. „Menschen würden sich mehr in der Erwerbsarbeit und außerhalb einbringen können, wo es sinnvoll ist.“ Da es weltweit noch kein Experiment mit einem universellen bedingungslosen Grundeinkommen gegeben habe, könne man aber noch nicht abschätzen, was das mit der Gesellschaft mache, so Prainsack.

„Die Einführung eines solchen Experiments wäre schwierig, Menschen sind ja keine Labortiere. Aber es gibt Menschen, die dafür sind, die es aber phasenweise und nicht von heute auf morgen einführen wollen. Dann will man es evaluieren. Man sagt zum Beispiel, m an fängt mit 400 Euro an. Wenn es Effekte hat, die man nicht haben will, zum Beispiel, dass Frauen Zuhause bleiben sollen, weil sie jetzt eh Geld bekommen, oder dass viele Menschen nicht mehr arbeiten wollen, könnte man auf eine Aufstockung verzichten. Oder man könnte es rückabwickeln und das Experiment beenden oder auch verändern.“ Wenn man so ein Experiment mache, müsse man darauf achten, dass die Menschen abgesichert seien und kein Risiko eingehen.

Viele ändern in der Krise die Meinung

In der jetzigen Pandemie hätten sicher viele gedacht, sie würden nie arbeitslos werden. Die Krise veränderte die Einstellung von Arbeitslosigkeit und man sehe, dass Menschen ohne Arbeit nicht faul seien. Seit April sehe man laut einer Umfrage auch einen Anstieg der Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens. Dieselben Menschen seien im April schon einmal zum Thema befragt worden und viele hätten ihre Meinung dazu geändert. Man sehe ja jetzt, wie viele kleine Unternehmen, Kulturschaffende etc. kämpfen müssen. Viele könnten dadurch abgesichert werden, so Prainsack.

„Vom Wert des Menschen“ – Warum wir ein bedingungsloses Grundeinkommen brauchen von Barbara Prainsack ist im Brandstätter Verlag erschienen.