Spedling
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BILDUNG

Baumveredelung rettet alte Obstsorten

Im Stift Millstatt sind viele Jahrhunderte lang Bäume veredelt und aus Kreuzungen neue Sorten gezüchtet worden. Heute droht diese alte Kulturtechnik auszusterben. Eine Baumschule in Obermillstatt und eine Bauersfamilie in Lieserhofen setzen sich für den Erhalt ein.

Der Apfelbaum ist in allen Phasen der Menschheit allgegenwärtig gegenwärtig gewesen. Angefangen bei Adam und Eva, über Isaac Newtons „Entdeckung“ der Gravitation durch einen vom Baum fallenden Apfel bis hin zum Märchen Schneewittchen und nicht zuletzt zum Markenlogo eines gewissen IT-Konzerns. Wie sich die verschiedenen Sorten durch Veredelung erhalten lassen, ist jedoch ein vom Aussterben bedrohtes Wissen.

„Mein Großvater hat noch aktiv veredelt, mein Vater wusste noch wie es geht, ich weiß noch, dass es gemacht wurde und der Nachwuchs kennt dieses alte Wissen nicht mal mehr von Hören und Sagen“, sagt Baumschulbesitzer Bernhard Huber. Er hat sich deshalb der alten Kunst des Veredelns verschrieben.

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Es gibt noch kleinere Baumschulen in Kärnten, die die Kunst der Veredelung weiter kultivieren, um alte einheimische Sorten vor dem Verschwinden zu retten. Eine davon ist die Baumschule Huber in Obermillstatt.

Industrielle Nachzucht schränkt Artenvielfalt ein

Früher wurden Obstarten gezüchtet, die bestimmten Böden, Witterungsverhältnissen oder geschmacklichen Bedürfnissen angepasst waren. Aus Kreuzungen wurden – gemäß der Mendelschen Vererbungslehre – neue Sorten gezüchtet. „Heute handeln die meisten Baumschulen und Gärtnereien aber mit industriell gezogenen Bäumen, was die Artenvielfalt stark eingeschränkt hat.“

Einer der Gründe dafür ist, dass einem das Veredeln auch viel Geduld und Zeit abverlangt und es deshalb kaum mehr praktiziert wird. Alte, regionale Sorten sind dadurch aber vom Verschwinden bedroht. „Nehmen wir die Sorte Golden Delicious. Dieser ist eine interessante Apfelsorte für Südtirol. Aber nicht für uns. Wir haben sehr gute andere Sorten, wie zum Beispiel den Himbeerapfel oder den Geflammten Kardinal, den Spitzapfel – die in unserer Region sehr gut funktionieren.“

Veredelung
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Bearbeitung eines Reis

Samenzucht brächte nur Wildwuchs hervor

Allein durch Kultivierung des Samens ließe sich eine Sorte nicht vermehren, weil sie sich „aufspaltet“. Das heißt: Es kann ein Holzapfel herauskommen, ein Apfel, der geschmacklos ist oder vielleicht auch ein Zufallstreffer. Das Veredeln hat also den Vorteil, dass man die gewünschten Eigenschaften einer Obstsorte erhält. „Dazu wird in Wildling, ein sogenannter Holzapfel verwendet, um dann dort die Sorte hinauf zu veredeln“, so Bernhard Huber- Der Zeitpunkt spielt hierbei – wie bei so vielen anderen Dingen im Leben – eine große Rolle. Außerdem gibt es unterschiedliche Methoden der Veredelung.

Sommer wie Winters kann veredelt werden

Bernhard Huber: "Wir machen hier in der Baumschule zwei verschiedene Veredelungsarten. Einmal die Okulation, auf das schlafende Auge – das ist eine Sommerveredelung. Der Wildling wird im Frühling ausgepflanzt, wächst dann bis Juli und August. Dann wird etwa 15 Zentimeter oberhalb des Auges ein Edelreis eingesetzt. Dieser treibt erst im folgenden Jahr aus. Die zweite Veredelungsart ist die Kopulation – das ist eine Reisveredelung und wird im Winter gemacht. Speziell bei Kirschen, aber auch bei Kronenveredelung von Sorten, die nicht ideal vom Wachstum her sind. Die entweder zu schwach oder zu stark wachsen. Dabei wird ein Edelreis mit fünf bis sechs Augen genommen und durch einen Kopulationsschnitt in die Krone veredelt.“

Spedling
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Die Spedling-Frucht schmeckt süß und lässt sich – zum richtigen Zeitpunkt gepflückt – gut in Schnaps oder Marmelade verwandeln.

Das Veredeln selbst braucht also verschiedene Kulturschritte, bis nach drei Jahren der fertige Obstbaum entsteht. In der Baumschule wird auf diese Weise versucht, alte Obstsorten zu retten – wie den Spedling oder alte Birnen-, bzw. Apfelsorten.

Einmal Verlorenes ist schwer wiederzugewinnen

Das einmal Verlorene ist sehr schwer wiederzugewinnen, sagt Huber. „Es geht so schnell, dass eine Obstsorte aus der Streuobstwiese oder aus dem Obstgarten verschwindet – sei es durch das Alter, dass der Baum kein Wachstum mehr hat, durch einen Sturm umfällt oder weggeschnitten wird, weil er von der Bearbeitung zu lästig ist.“

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Horst Zwischenberger vor einem Spedling-Baum

Kärntner Streuobstwiesen vom Aussterben bedroht

Auf diese Weise seien in den letzten Jahren viele Streuobstwiesen in Kärnten verschwunden oder extrem reduziert worden, „und das ist unwiederbringlich“, so Huber. „Wenn eine Sorte einmal weg ist, bekommt man sie nicht so schnell wieder. Denn es dauert zehn bis zwanzig Jahre, bis ein Baum anfängt zu tragen und dann auch wieder weiterveredelt werden kann, damit wieder eine Streuobstwiese entsteht.“

Schon die Römer schätzten die Frucht

Der Spedling wurde bereits unter den Römern vor 1.800 Jahren in Österreich kultiviert und geschätzt. Die gelbe längliche süße Frucht mit geringem Saftanteil ist ein wunderbares Genußobst. Der Kern ist unter den Pflaumensorten der Schmälste und läuft beidseitig spitz zu. „Interessant sind auch die Vermehrungsmöglichkeiten, die über Pflanzung des Kerns, Abspänen der weitläufigen Wurzeln oder Veredlung stattfindet. Jedenfalls braucht der Spedlingbaum eine gewisse Kulturpflege. Er ist sehr frosthart und kommt bis in eine Höhenlage von gut 800 Meter vor. Er ist auch eine autochthone Obstsorte, hat viel Potenzial und prägt unsere Kulturlandschaft“, so Huber.

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Ideengeber Horst Zwischenberger

Landwirt kultiviert Spedlingsbäume weiter

Rupert Gritzner vulgo Wiednig, ein Landwirt in Lieserhofen, sieht es ebenfalls als seine Aufgabe an, wertvolle Obstkulturen weiterhin zu erhalten. "Es gab im Dorf einen Mann der nicht mehr körperlich fit war. Er konnte nicht mehr graben, er konnte das Okuliermesser oder den Fuchsschwanz nicht mehr führen – aber er hat mich mitgenommen und alles gezeigt – er sagte zu mir: Schau, da ist ein Apfelwildling, da ist ein Birnwildling. Ich bin ihm heute noch dankbar, und komme davon nicht weg.

Sendungshinweis:

„Radio Kärnten am Wochenende“, 24.10.2020

Etwa 15 Spedlings-Bäume hat Gritzner noch. Schon sein Urgroßvater sei ein „Obstfreak“ gewesen und habe sich mit dem Spedling intensiv auseinandergesetzt. „Früher gab es auf anderen Höfen noch welche.“ Die ganz alten Bäume seien die „treuesten Seelen, sie tragen noch ganz brav und stammen noch von meinem Urgroßvater.“ Beim Ernten und Verkochen der Spedling-Früchte heißt es, früh aufzustehen: Denn mit der Sonne wird der Spedling braun, dann ist es keine schöne Marmelade mehr. Frisch verkocht ist die Marmelade wunderbar gelb.

Zum Projekt

Die Familie Gritzner (Wiednig) in Lieserhofen, Huber Bernhard mit seiner Baumschule und Ideengeber Horst Zwischenberger haben sich gemeinsam das Ziel gesetzt, den Spedling aktiv weiter zu veredeln und die Menschen in der Region für diese traditionelle alte Obstsorte wieder zu begeistern.