Unter dem Titel „Alles koscher in Villach – auf den Spuren jüdischen Lebens in der Stadt“ gibt es wöchentlich eine Stadtführung. Austria Guide Marlies Stadler führt Interessierte an die Lebens- und Wirkungsstätten Draustädter Jüdinnen und Juden. Stadler ist Religionslehrerin und Theologin und unterrichtet in Klagenfurt.
„Das dritte Laterankonzil besagte, dass Juden und Christen keinesfalls miteinander im selben Viertel wohnen dürfen“, so die Führerin. Juden mussten sich durch gelbe Flecken auf ihrer Kleidung und einem Judenhut kenntlich machen. „Die Farbe gelb war die Farbe aller Randgruppen, die – im Laufe der Jahrhundert – mitunter auch stark diskriminiert wurden“, sagte Stadler. Die gelbe Farbe war die Farbe für alle Randgruppen und stammte vom Verrat des Judas.
Assisi-Statue als Ausgangspunkt für Rundgang
Franz von Assisi ist der Gegenentwurf dazu. Er predigte und lebte Toleranz gegenüber Muslimen zu Zeit der Kreuzzüge, aber er habe auch gesagt, die Kirche müsse sich vom Reichtum entfernen. Für Weiss ist die ihm zu Ehren vor der Nikolaikirche errichtete Statue daher der ideale Ausgangspunkt für ihren Rundgang auf den Spuren der Juden in Villach.
Mit dem Bau der Bahnstrecke nach Villach Mitte des 19. Jahrhunderts ließen sich immer mehr jüdische Familien in allen Kärntner Bezirksstädten nieder. Sie kamen vor allem aus den Randgebieten des Reiches, wohin man sie im Jahr 1500 verbannt hatte. Nach dem Gesetz der Niederlassungsfreiheit in der Monarchie kamen wieder viele zurück. „Man geht davon aus, dass bis 1938 in ganz Kärnten an die tausend bis 1.500 jüdische Bürger lebten. In Villach waren es ein- oder zweihundert.“
Jüdische Händler ermöglichten Ratenkauf
Vor allem Händler siedelten sich um 1250 hier an. Sie waren unter der Bevölkerung sehr angesehen. „Es waren Bekleidungs- und Schuh-, aber auch Gemischtwaren- und Lebensmittelhändler. Sie gewährten ihren Kunden einen günstigen Ratenkauf. Man konnte bei ihnen zinslos den Einkauf ‚abstottern‘. Bei der christlichen Mehrheitsbevölkerung waren sie sehr beliebt.“ In der Weißbriachgasse, der Italienerstraße und am Hauptplatz befanden sich zahlreiche jüdische Geschäfte. Außerdem waren sie Geldverleiher, denn Christen durften keine Zinsen verlangen. Diese Nische sicherten den Juden also ein Überleben, so Stadler.
Jüdisches Wohnviertel samt Synagoge in der Gerbergasse
Gleich in der ersten Gasse nach dem Überqueren der Draubrücke befand sich einst die Synagoge, erzählte Stadler: „Sie stand dort vom 13. Jahrhundert bis um 1500 in der Gerbergasse. Dort wird sie namentlich ‚die Judenschul‘ genannt. Die Erziehung und die Unterweisung der Kinder in hebräischer Sprache war ein wichtiger Teil jüdischen Lebens. Sie lernten die Tora zu lesen und zu verstehen. In der Gegend um die Freihaus- und Gerbergasse wohnten auch viele jüdische Familien.“
Auch auf dem Villacher Hauptplatz befand sich das Haus der jüdischen Familie Livian, die um 1900 nach Villach kam und drei Kinder hatte. Sie stammte aus Ungarn und betrieb in Villach eine Gemischtwarenhandlung. „Von den Kindern weiß man zum Beispiel, dass sie einmal pro Woche mit der Bahn nach Klagenfurt fuhren, wo sie im Bethaus den Tora-Unterricht besuchten.“
Koschere Küche in Villach schwer zu finden
Koscheres Essen zu finden, das den Vorschriften der Tora entspricht, war in Villach eher schwierig. In Klagenfurt gab es Fleischhauer, die koscheres Fleisch anboten. Viele Familien holten es extra dort und brachten es nach Villach. Überlebende des Holocaust berichten aber auch, dass sich zwar viele Mütter um eine koschere Küche bemüht hatten. Allerdings wussten sie auch, dass die Kinder manchmal mit Freunden Leberkäsesemmeln aßen. „Das war dann auch nicht so schlimm“, fügt die Expertin hinzu. Auf ihrem Rundgang durch Villach auf den Spuren jüdischer Familien gibt sie auch Einblick in jüdisches Leben und Brauchtum und erzählt etwa, wie der Shabbat gefeiert wird.