Jugendliche am Handy
ORF Vorarlberg
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Soziales

Jugendliche und der Umgang mit dem Handy

Nicht selten sitzen bereits Zwölfjährige 60 Stunden und mehr pro Woche vor Computer oder Smartphone. Eltern sehen sich oft als machtlos, wissen nicht, was Kinder da treiben. Gabriele Hadler vom Haus Herrnhilf der Diakonie in Treffen beschäftigt sich beruflich mit dem Thema Jugendliche und Handy.

Der beste Umgang mit Smartphones, inklusive sozialer Medien, ist der verantwortungsbewusste. Aber dieser Weg ist steinig und mitunter verworren. Was dürfen Kinder und Jugendliche, was sollen sie nicht und welche Aufgabe haben die Eltern? Es ist ein schier endloses Thema. Gabriele Hadler arbeitet schon viele Jahre mit Kindern. Im Haus Herrnhilf der Diakonie in Treffen wohnen Kinder und Jugendliche aus schwierigen Lebenssituationen in Gruppen zusammen. Das Handy ist auch hier ein großes Thema. Dabei gibt es markante Unterschiede zwischen Burschen und Mädchen.

Jugendliche, Handy, Smartphone
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Ein schon alltägliches Bild: Jugendliche nebeneinander, versunken in der Beschäftigung mit dem Handy

Kinder filmen fast schon ganzen Alltag mit

„Ich würde sagen, dass im Moment Mädchen fast gefährdeter sind als Burschen. Sie erleben wir vielfach im Spiel, also diese Onlinespiele. Bei Mädchen geht es viel mehr in diese Gefährdung, Opfer von sexuellen Avancen zu werden, beziehungsweise sind Mädchen sehr viel eher bereit, auch ihren Alltag bis ins Jugendlichen- oder Badezimmer preiszugeben“, so Hadler.

Die Expertin und ihre Kolleginnen versuchen, auf dem neuesten Stand zu bleiben, was in den sozialen Netzwerken passiert. Auch für die Teamleiterin ist das schwierig: „Wir können gar nicht so schnell schauen, wie es wieder eine neue App gibt, wo sich Jugendliche schon wochenlang ’rumtreiben, bis wir draufkommen, dass es etwas Neues gibt. Manchmal ist es was Gutes, manchmal aber leider etwas sehr Gefährliches, wie Plattformen, über die Kinder Videos von sich selbst online stellen. Das ist jetzt bei uns neu aufgetaucht, dass Jugendliche ihren ganzen Alltag mit filmen und online stellen“, so Hadler.

Gabriele Hadler Haus Herrnhilf Diakonie
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Gabriele Hadler von der Diakonie in Treffen

Stabile Kinder geben eher weniger von sich preis

Es sind die Schwächsten in der Gruppe, die über virtuelle Kontakte ihr Ego stärken wollen und dabei in Fallen tappen. „Je verletzter Jugendliche sind, durch Erlebnisse in der Kindheit, desto größer ist die Gefahr, sich sexuell auf eine Art und Weise im Handy aktiv zu betätigen, die wirklich ein großes Gefahrenpotenzial birgt. Es gibt immer wieder Jugendliche, die uns berichten, dass sie aufgefordert wurden, Nacktfotos oder Fotos auf denen sie leicht bekleidet sind, zu versenden.

Jugendliche, die halbwegs stabil sind, machen das eher nicht, sagte Hadler. "Je unsicherer Jugendliche sind, desto eher sind sie bereit, für Freundschaftsangebote solche Dinge zu versenden. Ich bin nicht mehr dein Freund, wenn du mir das nicht schickst, oder wenn du mich wirklich lieben würdest, dann würdest du das für mich machen, so etwas kommt immer wieder“, so die Teamleiterin des Hauses Herrnhilf in Treffen.

Zusammenarbeit mit Polizei

Dort arbeitet man bei Bedarf auch vorbeugend mit der Polizei zusammen. Konkrete Fälle sind im Diakonie-Haus aber selten. „Da war einmal irgendein Freund einer Mutter, der dann auch dem Mädchen anzügliche Fotos von sich geschickt hat und das dann auch vom Mädchen erbeten hat. Wir haben schon immer wieder Fälle, wo es passiert, dass jemand fotografiert wird, der das nicht will und dann ist es plötzlich im Netz."

Dann gebe es auch intensive Gespräche und „manchmal auch Sanktionen mit ein paar Tagen Verzicht auf das Handy, mit dem Auftrag nachzuarbeiten.“ Das gebe es immer wieder, sagte Hadler, „aber Anzeigen hatten wir in letzter Zeit keine“.

5.000 Freunde im Netz, aber kein Kontakt

Freunde im Netz hat man, wenn man es geschickt anstellt, bald hunderte auf sozialen Plattformen. Aber was ist mit den Freunden in der wirklichen Welt? Hadler und ihre Kolleginnen versuchen, die Kinder in den Wohngruppen von Herrnhilf auf den Boden er Realität zu holen. „Man hat 5.000 Freunde im Netz, aber wenn man die Kinder und Jugendlichen fragt, wie oft hast du den schon gesehen, heißt es, ja nie – ich weiß nicht mal wo der wohnt."

Wichtig seien hingegen die zwei oder drei Freunde, die man in der Nähe in der Nachbarschaft oder in der Schule hat „und daran muss man mit den Jugendlichen wirklich arbeiten“.

Erwachsene müssen interessiert und aufmerksam sein

Das sei aber auch ein Stück Arbeit für die Erwachsenen, sagte die Expertin. Es gelte, interessiert zu sein und nachzufragen, welche neuen Apps es gibt und was sie können. Aber man müsse auch wachsam sein, um Veränderungen beim Kind zu erkennen.

„Wenn ich das Gefühl habe, das Kind ist mehr unter Druck, oder wenn der Ton beim Handy kommt und es gleich erschrickt, dann muss man umso mehr mit dem Kind oder dem Jugendlichen sprechen, weil die Gefahr besteht, das bereits Dinge am Laufen sind, die aber noch nicht an der Oberfläche sind. Also nie verbieten oder sagen, das gibt es jetzt nicht, weil das Jugendliche in ein Eck treibt, aus dem sie vielleicht nicht mehr herauskommen“, so Hadler.

Regeln schaffen und Vereinbarungen treffen

Was in abertausenden Haushalten diskutiert wird, ist auch bei der Diakonie de La Tour in Treffen ein Thema, ab wann Kinder ein Handy bekommen sollten. „Grundsätzlich ist es bei uns im Haus so, dass wir überhaupt erst ab einem Alter von zehn Jahren ein Handy erlauben. Bevor Jugendliche nicht in der NMS oder im Gymnasium sind, sagen wir, das ist nicht mit unseren pädagogischen Konzepten vereinbar. Darunter haben die Kinder nicht die Reife, damit umzugehen. Im Alter von zehn bis 13 Jahren würde ich sagen, dass man das täglich auf die Nachmittagszeit reglementiert und dann gilt es in Sachen Eigenverantwortung intensiv mit den Jugendlichen zu arbeiten.“

Regeln schaffen, Vereinbarungen treffen, auch was die Kontrolle betrifft und es gehöre auch zur elterlichen Pflicht, auch einmal nachzuschauen, sagte Hadler. „Das muss natürlich auch mit den Jugendlichen besprochen werden. Wenn das übergriffig passiert, ohne dass Jugendliche vorbereitet sind, ist das nicht in Ordnung."

Diakonie: Vorbereitungskurs für Nutzung des Handys

In dem Moment, in dem Kinder ins Alter kommen, in dem sie Smartphones haben dürfen, gibt es einen Vorbereitungskurs, bei dem das alles besprochen wird, sagte Hadler: "Die Jugendlichen erklären sich dann auch einverstanden, dass wir gewisse Dinge wissen müssen, besonders die, die eigentlich verboten sind. Dann sagen wir, du weißt, wir haben das vereinbart, wir müssen kontrollieren. Es ist jetzt wieder soweit, dass wir da einfach nachschauen müssen, speziell wenn wir einen Verdachtsfall haben“, so die Expertin.