Das Nachdenken, wie die Bilder im Schloss am besten aufgehängt werden können, raubte dem Künstler den Schlaf. Denn ein Schloss sei keine Galerie, so Bockelmann: „Es muss der Charakter des Schlosses erhalten bleiben, wie geht das zusammen. Ich wusste aber, dass ich die Räume mag, weil ich ja selbst in einem Schloss groß geworden bin. Das hat für mich immer etwas mit Kindheit zu tun, wenn ich in ein Schloss komme.“ Darauf habe er sich gefreut, aber gleichzeitig Angst gehabt.
Weniger ist mehr – mehr Platz für die Besucher
Diese Angst erwies sich als unbegründet. Der Bruder von Udo Jürgens entschied sich für das Motto: Weniger ist mehr. Dafür haben die Betrachter mehr Raum zum Atmen und zum Staunen. Im ersten Raum der Ausstellung sind blaue Blätter zu sehen. Bockelmann zeigt Motive, die man kennt, aber in dieser Form nicht wahrnimmt – Blätter in dem Augenblick, wenn sie vom Baum fallen und sterben. „In dem Moment wird es dreidimensional, weil es sich einrollt. Es ist eine Herausforderung, das zu zeichnen. Diesen Tod, dieses Sterben kontrastiere ich mit einer ganz positiven Farbe, das ist die Farbe Blau.“
Blau gibt Baumwurzeln Schönheit
Bäume faszinieren den Künstler schon sein ganzes Leben lang. Immer wieder fotografierte, zeichnete und malte er sie. Bockelmann ist auch dafür bekannt, dass er Unsichtbares zeigt und durch die intensiv blaue Farbe zu etwas Besonderem macht. Erst durch die Farbe werden Baumwurzeln in ihrer ganzen Schönheit wahrnehmbar.
Plötzlich verändert sich der Blick und es wird eine Schönheit sichtbar, die normalerweise völlig unbeachtet bleibt. Eine Schönheit, die zeigt, wie vergänglich alles Leben ist.
Vom Baum zum Menschen
„Für mich ist das Formale des Baumes fast ein Entwurf für den späteren Menschen. Unsere Arme könnten Äste sein, auch der Stamm. Ich habe mich auf Bäume konzentriert, die Menschenkörpern ähneln. Die Rinde, die unsere Haut darstellt, ist unterschiedlich und dramatisch mit wunderschönen Strukturen. Es gibt Bilder, in denen ich mich nur um die Rinde bemühe.“ Der Baum, die Blätter, mit diesen Motiven beschäftigt sich Bockelmann seit vielen Jahren.
Abstrakte Werke treffen auf Pracht im Stucksaal
Der Stucksaal von Schloss Wolfsberg ist ein über und über geschmückter Prachtraum. Hier zeigt Bockelmann drei große abstrakte Bilder: „Letztlich irgendwo Landschaften, die wir aber nicht benennen können, weil nichts darin ist. Da ist keine Straße, kein Zaun, kein Haus, keine Kuh. Es sind große, weite, fast wüstenartige Bilder, das ist die Voraussetzung für Meditation, darin kann man sich verlieren.“
Blaue Farbschichtungen
Verlieren kann man sich zum Beispiel auch in den Blautönen von „Das Blau der Erde“. Die einzelnen Farben erinnern an eine Schichtung aber in einer Welle, erinnern an Wasser und damit den blauen Planeten Erde. Insgesamt ein reizvoller Gegensatz zu den Stuckwänden.
In der abstrakten Malerei fühlt sich Manfred Bockelmann total frei, er könne improvisieren und alle seine Erfahrungen in das Bild einfließen lassen.
Bleiben nur Schlagzeilen?
Zeitungen sind laut dem Künstler das völlige Gegenteil, sie sind nur auf den Augenblick ausgerichtet. Seit Jahren übermalt der Künstler deshalb Zeitungsseiten mit dünner schwarzer Farbe: „Da verschwindet diese Information. Aber wenn das Blatt trocknet, kommen sie schemenhaft wieder durch, in der Regel bleiben die Schlagzeilen. So ähnlich funktioniert unser Gehirn. Jeden Tag schauen wir in die Zeitungen, schauen fern, unvorstellbare Informationsmengen nehmen wir auf, ohne zu wissen, was wir behalten werden. Das meiste wird durch das Vergessen entsorgt.“
Werden nur einzelne Schlagzeilen oder eine Illustration wie ein Fisch sichtbar, verändert sich auch der Blick auf die Zeitungsseiten. Und so schließt sich wieder der Kreis zu den Bäumen und Blättern.
Manfred Bockelmann arbeitet längst wieder am nächsten großen Projekt: „Die kleinsten Teile werde ich ganz groß darstellen. Ich werde den Samen überdimensioniert zeichnen, man muss ihn mikroskopisch fotografieren. Es sind unglaubliche Formen, in denen die ganze Erscheinung und Energie schon programmiert ist.“ Vielleicht sei das „sein letztes Thema“, so Bockelmann.
Auch mit 77 „noch Luft nach oben“
Auch mit 77 Jahren meint der Künstler, dass bei seiner Arbeit „noch Luft nach oben“ sei. Am wichtigsten sei ihm allerdings die Wirkung seiner Bilder auf die Menschen: „Wenn später jemand meine Bilder betrachtet, wird er vielleicht sagen, der Bockelmann zeigt uns Dinge, die wir kennen, aber er zeigt sie so, dass man sagt, Gott sei Dank hat er hingeschaut, weil wir das übersehen haben. Das würde mich freuen, wenn das so ist.“
Manfred Bockelmanns Werke sind auf Schloss Wolfsberg bis 30. August zu sehen.