Die Jurydiskussion
ORF/Johannes Puch
ORF/Johannes Puch
Kultur

Neo-Juror heizte Jurydiskussionen an

Der erste Lesetag der 44. Tage der deutschsprachigen Literatur ist am Donnerstag ohne klaren Favoriten zu Ende gegangen. Die Jury zeigte sich kampflustig und diskutierte – angeheizt von Neo-Juror Philipp Tingler – heftig.

Jörg Piringer wurde von Nora Gomringer eingeladen und spielte per Videobotschaft seine Lesung „kuzushi“ zu – TEXT Jörg Piringer, A. Die Juroren waren sich nicht einig, ob es sich um einen Monolog eines frustrierten Internetentwicklers handelt oder um einen von einer Maschine erstellten Text, in dem es um die Kreativität der künstlichen Intelligenz gehe – mehr dazu in Jurydiskussion Jörg Piringer.

TDDL 2020 Lesung Jörg Piringer
ORF/Johannes Puch
Lesung von Jörg Piringer

Schutti löste Paralleldiskussion aus

Schutti war die erste Autorin aus Österreich, die am ersten Lesetag an den Start geht. Eingeladen von Brigitte Schwens-Harrant hatte sie ihren Text „Nadjeschda“ mit im digitalen Gepäck – mehr dazu in TEXT Carolina Schutti, A.

TDDL 2020 Carolina Schutti
ORF/Johannes Puch
Carolina Schutti

Die Diskussion verließ die Textebene und wechselte auf eine persönliche Ebene, wodurch sich Moderator Christian Ankowitsch zum Eingreifen aufgefordert sah – mehr dazu inDiskussion Carolina Schutti.

Hieronymi missfiel

Als dritter Autor am ersten Lesevormittag stellte Leonhard Hieronymi – auf Einladung von Michael Wiederstein – seinen Text „Über uns, Luzifer“ vor – mehr dazu in TEXT Leonhard Hieronymi, D. Darin begeben sich drei reiche Kinder auf die Spur von Ovid. Der Text wurde kontroversiell diskutiert. Insa Wilke hob die konservative Ästhetik, die Ablehnung der Moderne, das Spüren statt Verstehen positiv hervor.

TDDL 2020: Lesung Leonhard Hieronymi
ORF/Johannes Puch
Leonhard Hieronymi bei der ersten Lesung

Lisa Krusche auf Startplatz zwei

Die 1980 geborene Lisa Krusche aus Deutschland wurde von Klaus Kastberger nach Klagenfurt geholt. Sie präsentierte als zweite Autorin ihren Text „Für bestimmte Welten kämpfen und gegen andere“ – mehr dazu in TEXT Lisa Krusche, D. Sie stellt darin eine dystopische Welt und Bilder eines Computerspiels dar, die Lob, aber auch Kritik erntete. Vor allem Philipp Tingler sprach gegen den Text – mehr dazu in Jurydiskussion Lisa Krusche.

ORF/Johannes Puch
ORF/Johannes Puch
Lisa Kursche während der Lesung

Hitzige Debatten über Eröffnungstext

Jasmin Ramadan (D) eröffnete den Lesereigen. Sie ist 1974 in Hamburg geboren, wo sie auch wohnhaft ist, und wurde von Neo-Juror Philipp Tingler nach Klagenfurt geholt. Sie las ihren Text „Ü“, der Gewalt in Beziehungen thematisierte – mehr dazu in Text Jasmin Ramadan.

  Jasmin Ramadan
ZDF/SRF/ORF/3sat

Bei der ersten Diskussionsrunde, die über das Internet erfolgte, kamen die Juroren einander zeitweise akustisch in die Quere. Inhaltlich sorgte die Diskussion für Zündstoff, vor allem gegen Tingler, der seinen Text verteidigte – mehr dazu in Jurydiskussion Jasmin Ramadan.

TDDL 2020 Das Studio
ORF/Johannes Puch
Die Jurydiskussion

Die Auslosung der Lesereihenfolge am Eröffnungsabend ergab folgende weitere Reihung – mehr dazu in orf.at

Freitag:

10.00 Uhr Helga Schubert (D)
11.00 Uhr Hanna Herbst (D/A)
12.00 Uhr Egon Christian Leitner (A)
13.30 Uhr Matthias Senkel (D)
14.30 Uhr Levin Westermann (D)

Samstag:

10.00 Uhr Lydia Haider (A)
11.00 Uhr Laura Freudenthaler (A)
12.30 Uhr Katja Schönherr (D)
13.30 Uhr Meral Kureyshi (CH)

Als gelungene Novität bei der publikumslosen Abwicklung der Veranstaltung erwiesen sich Doppelconferencen zwischen Moderator Christian Ankowitsch und dem Justitiar Andreas Sourij, der an einem Schreibtisch nicht nur die reibungslose Abwicklung der gestrigen Auslosung überwachte, sondern zwischen den Lesungen auch Social-Media-Kommentare vorliest. Etwa: „Das Wettschwimmen im Wörther See wird virtuell wohl nicht stattfinden können…“

TDDL 2020 Christian Ankowitsch und Justiziar Andreas Sourij
ORF/Johannes Puch
Als neues Gestaltungselement werden Twitter-Kommentare im Studio verlesen und kommentiert bzw. Fragen beantwortet

Zwei neue Gestaltungselemente

Eine weitere Neuerung sind die beiden Kommentatoren Julya Rabinowich und Heinz Sichrovsky, die im verwaisten Garten das Programm in der Mittagspause bestreiten werden.

Sichrovsky ortete in einem ersten Kommentar ein rauer Werden der Umgangsformen im digitalen Diskussionsraum der Jury: „Ich hätte gedacht, dass die Autoren in dieser Form geschützter wären.“

Kommentatoren auf dem Balkon
ORF/Johannes Puch
Julya Rabinowich und Heinz Sichrowsky

Autoren und Juroren nehmen virtuell teil

Das ORF Theater, wie auch der Funkhausgarten, müssen in diesem Jahr leer bleiben. Das Publikum darf coronavirusbedingt ja nicht bei der Sonderausgabe dabei sein.

Die Lesungen der 14 Autorinnen und Autoren wurden bereits vor Tagen aufgenommen und werden zu den festgelegten Zeiten eingespielt. Die Jury-Diskussionen finden daran anschließend jeweils live statt, allerdings nicht im ORF-Theater in Klagenfurt, sondern per Liveschaltung aus Berlin, Zürich, Wien, Graz und Bamberg. 3sat überträgt wie jedes Jahr die Lesungen und Diskussionen sowie die Preisverleihung live. Der Bewerb wird auch im Internet gestreamt.

Klagenfurter Rede zur Literatur

Insgesamt werden aus dem Landstudio Kärnten also trotz der digitalen Sonderausgabe wieder 16 Stunden Literatur live im Fernsehen übertragen. Der Bachmann-Preis, den im Vorjahr die Salzburgerin Birgit Birnbacher gewann, ist mit 25.000 Euro dotiert.