Familientreffen an der Grenze
ORF/Iris Hofmeister
ORF/Iris Hofmeister
Soziales

CoV: Tränen an der Grenze

Nach und nach werden Geschichten und Schicksale aus der Coronavirus-Krise bekannt. Besonders schwierig waren Grenzschließungen bei familiären Notfällen. Eine Kärntnerin, die in Italien lebt, konnte nicht zum Begräbnis ihrer Großmutter nach Kärnten kommen, weil es keine privaten Tests gab.

Ab kommendem Dienstag wird die volle Reisefreiheit nach der Krise wieder hergestellt. Besuche werden dann auch in der Region Friaul Julisch-Venetien wieder ohne Einschränkungen möglich. Es gibt viele Familien, die einander seit Monaten nicht mehr gesehen haben.

Keine Familienbesuche mehr möglich

Die Kärntnerin Micaela Longo ist eine Betroffene. Sie lebt seit ihrer Jugend in Friaul Julisch-Venetien, war aber regelmäßig in Kärnten bei ihrer Familie zu Besuch. Dann kam die Coronavirus-Krise. Als diese Woche bekannt wurde, dass sie ohne Quarantäne und Covid-19-Test wieder ihre Verwandten besuchen kann, fiel ihr ein Stein vom Herzen: „Ich habe sehr lange darauf gewartet, ich habe in dieser Zeit meine Großmutter verloren, es ist mir sehr wichtig, dass ich jetzt wieder nach Hause kann“, sagte sie tränenerstickt gegenüber dem ORF.

Insgesamt vier Wochen Quarantäne

Die strikten Ein- bzw. Ausreisebestimmungen machten es ihr unmöglich, in dieser schweren Zeit bei ihrer Familie zu sein. Die Möglichkeit eines Tests war zwar theoretisch möglich, aber in der Praxis nicht umsetzbar: „Das Problem ist, in Friaul kriegt man diesen Test für Privatpersonen erst seit einer Woche. Die Tests wurden nur für die gemacht, die ihn brauchten. Die zweite Variante wäre gewesen, in Kärnten zwei Wochen in Quarantäne zu gehen. Wenn ich dann zurück nach Italien gekommen wäre, hätte ich noch einmal zwei Wochen in Quarantäne müssen. Mit einem kleinen Kind und der Arbeit wäre das unmöglich gewesen.“

Abschied per Telefon

Statt einer Umarmung blieben ihr nur unzählige Telefonanrufe mit ihren Verwandten und schließlich auch das letzte Telefonat mit ihrer geliebten Oma: „Mich von ihr am Telefon zu verabschieden war das Schwerste, was ich jemals machen musste. Das ist wirklich schrecklich und das muss ich erst verarbeiten.“

Nun ist für sie die Zeit gekommen, Abschied zu nehmen und den Schmerz mit ihrer Familie in Kärnten zu teilen: „Ich habe meine Mama vor einem Monat eine Stunde an der Grenze getroffen. Jetzt fahre ich wieder nach Hause und kann mich von meiner Oma verabschieden und meine Verwandten umarmen.“

Enkelin zwei Monate nicht gesehen

Auch eine andere Familie war massiv von den Grenzschließungen betroffen. Rolando Maggioni und seine Frau Annamaria waren zwei Monate von ihrer Enkelin Gioia getrennt. Tochter Stefania Copetti: „Es ist schlimm – weil wir uns nicht umarmen können. Meine Mama, also die Oma, kann meine Tochter nicht in die Arme nehmen.“

Zwei Monate lang hatten sie nur telefonisch Kontakt. Sobald es wieder möglich war, waren die Treffen an der Grenze zwischen Tarvis und Thörl-Maglern die einzige Möglichkeit, sich zu sehen, so Rolando Maggioni: „Als wir uns dann das erste Mal wieder gesehen haben, hat Gioia uns richtig mit offenem Mund angesehen. Obwohl sie erst zwei Jahre alt ist, hatte sie verstanden, dass da etwas passiert, was nicht normal ist.“