Jenny strahlt im Beiwagen des Motorrades ihres Vaters
ORF
ORF
Chronik

Selbstbestimmtes Leben während der Krise

Inklusion und ein selbstbestimmtes Leben ist für Menschen mit Behinderung in der Coronavirus-Krise noch um einiges schwieriger geworden. Mit viel Engagement kann das Einbeziehen beeinträchtigter Menschen aber auch jetzt funktionieren, zeigt das Beispiel von Jenny Oberlojer und ihrer Familie.

Familie Oberlojer ist in der kleinen Ortschaft Radlach bei Steinfeld zu Hause. Hier ist Jenny aufgewachsen und hier gehört die fröhliche junge Frau auch während der Krise wegen des Coronavirus zum Alltag der Dorfgemeinschaft.

Jenny auf der Terrasse mit Rollstuhl
ORF
Jenny ist sehr mobil mit ihrem Rollstuhl

Nachbarin: Jenny ist der Chef

Trotz ihrer Mehrfachbehinderung ist Jenny sehr mobil und bemüht um Selbständigkeit, zum Beispiel, wenn sie die Nachbarin – mit Sicherheitsabstand – zum Einkaufen einteilt. Nachbarin Kordula Dürnegger schildert mit einem Lachen: „Die Jenny ist der Chef. Und wenn Jenny etwas braucht, dann kommt sie zu mir. Sie will nicht, dass die Mama da involviert ist, deshalb kommt sie zu mir.“

Jenny und ihre Nachbarin
ORF
Jenny mit Nachbarin Kordula Dürnegger

Impfschaden führte zu Lähmung

Seit April hat Jenny ihre erste eigene Wohnung im Elternhaus. Sie ist 37 und seit einem Impfschaden im Babyalter halbseitig gelähmt und geistig beeinträchtigt. Die Küche ist barrierefrei. Nach der durch das Coronavirus bedingten Pause kommt jetzt auch die persönliche Assistentin Christin wieder. So kann Jenny eigenständig bleiben.

Jenny erzählte uns mit ihrem Sprachcomputer, dass es ihr gut geht, dass sie gerne bastelt und näht sowie strickt und kocht. Tatsächlich ist Jenny eine Frohnatur mit sehr starker Persönlichkeit und sie weiß, was sie will. Sie lud das ORF-Team gleich zum Essen ein.

Jenny am Esstisch mit Mama und Papa
ORF
Jenny mit Mama und Papa am Esstisch

Vater: Mit der Zeit wurde es leichter

Natürlich klappt die Selbständigkeit nur, weil Jennys Eltern ihre Tochter kräftig unterstützen, auch finanziell. Zum Beispiel bei der neuen Küche, die Jenny selbst ausgesucht hat.

„Die ersten fünf, sechs Lebensjahre von Jenny war es so, dass wie uns nicht abfinden konnten oder wollten, und irgendwann haben wir gemerkt, dass es für uns leichter wurde, damit um zu gehen, je mehr Zeit wir mit Jenny verbracht haben“, erzählte Vater Roman, er ist Busunternehmer.

Einkaufszettel von Jenny
ORF
Der Einkaufszettel für die Nachbarin

2. Buch: Jenny will anderen Mut machen

Als Corona-Risikopatientin kann Jenny derzeit nicht viel unterwegs sein. Deshalb arbeitet sie mit ihrer Assistentin Christin an ihrem 2. Kinderbuch. Sie erzählt darin ihre eigene Geschichte und will Mut für einen offeneren Umgang mit Menschen mit Behinderung machen.

„Inklusion bedeutet, dass Menschen mit Behinderung die gleichen Rechte und Möglichkeiten und Chancen haben, wie sogenannte nicht behinderte Menschen. Und am Beispiel von Jennifer Oberlojer sieht man ganz gut, wie das Entwickeln, das Vertrauen und das Zutrauen und das Ernstnehmen eines Menschen mit Behinderung auch gut funktionieren kann“, sagte Isabella Scheiflinger, die Kärntner Anwältin für Menschen mit Behinderung.

Jenny mit dem Papa im Motorrad-Beiwagerl
ORF
Jenny im Beiwagen des Motorrades ihres Vaters

Echtes miteinander Wachsen ist in der Familie Oberlojer selbstverständlich geworden. Vater und Tochter teilen die Leidenschaft für die alte Beiwagen-BMW, ein Motorrad Baujahr 1952. Bei den gemeinsamen Ausflügen bleiben Corona und andere Sorgen einfach zu Hause.