Niko Rittenau mit seinen zwei Kochbüchern
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Lifestyle

Kärntner als Veganer-Guru in Berlin

Der 29-jährige Klagenfurter Niko Rittenau hat zwei vegane Kochbücher geschrieben und gilt in seiner Wahlheimat Berlin als ein Star der Veganerszene. Ihm geht es nicht um Dogmen sondern Wissenschaft. Eine vegane Lebensweise hat das Tierwohl im Auge, es gibt aber viele zusätzliche Vorteile.

Seit sieben Jahren lebt Rittenau in Berlin. Er revolutioniert dort mit seiner Energie und Strahlkraft die Ernährungsgewohnheiten mancher Menschen, die vegan leben wollen. Einerseits will er mit dieser Ernährungsform gesünder leben, andererseits geht es ihm aber auch um das Weltklima. Diese Debatte rückte während der Coronavirus-Pandemie ein wenig in den Hintergrund: „Der Klimaschutz ist wichtig, denn wenn wir unsere eigenen Ressourcen plündern und der Klimawandel voranschreitet, verlieren wir vielleicht unsere eigene Lebensgrundlage.“

Auch Greta Thunberg lebe vegan, sie habe auch gesehen, dass eine überwiegend oder rein pflanzliche Ernährung einen kleineren CO2-Fußabdruck bewirke, so Rittenau. Es gebe eine Ersparnis an Wasser, an Grundfläche, man brauche weniger Futtermittel. „Wir stehen oft in Konkurrenz mit den Tieren, was Futtermittel anbetrifft. Denn vieles, was als Kraftfutter gilt, wie Soja, Mais oder Getreide, könne mehr Menschen ernähren.“

Manche sind militant

Oft hört der Kärntner auch den Vorwurf, Veganer seien militant und wollen allen ihre Ernährungsweise aufdrängen: „Das muss ich relativieren. Wenn sich jemand militant für Frauenrechte einsetzt, würde auch keiner sagen, dass es verwerflich ist. Oder wenn man Kriegsgegnern vorwirft, dass sie militant gegen Krieg sind. Veganer sind nur dafür, ethischer mit den Mitwesen umzugehen. Dass man das mit Nachdruck macht, liegt in der Natur der Sache. Aber dass manche Veganer ihre Manieren manchmal vergessen, stimmt, die neue Generation geht das anders an.“

Man wolle bewusst machen, dass es auch um die Frage gehe, was schulde man den Tieren. Für das Überleben sei man nicht mehr auf Tiere angewiesen, man müsse mehr über die tierethische Frage sprechen, so Rittenau.

Niko Rittenau mit seinen zwei Kochbüchern
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Die beiden veganen Kochbücher

Viele neue Lebensmittel entdecken

Doch wie beginn man nun mit veganer Ernährung: „Menschen, die neu anfangen mit der veganen Ernährung, werden sehen, dass man mindestens so viele Lebensmittel neu entdeckt, wie man weglässt. Die Vielfalt an pflanzlichen Lebensmitteln ist riesengroß, man kennt sie nur normalerweise nicht.“ Vor sieben Jahren habe er selbst damit begonnen, vegan zu essen und habe sich die gleiche Frage wie jeder andere gestellt, „Was kann ich denn jetzt noch essen.“ Er sei aber bald draufgekommen, dass es jede Menge war. Das Internet bietet viele Informationen und Rezepte.

Tourismusschule in Villach absolviert

„Ich bin 2013 nach Berlin gezogen, schon mit dem Wunsch, in der veganen Szene aktiv zu werden. Berlin war ist hier der Hotspot Europas. Ich komme ursprünglich aus der Hotellerie und Gastronomie und hatte den Wunsch, auf den Cayman Islands ein Luxushotel zu managen, und mir in der Freizeit die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Nach der Touristikausbildung an der KTS in Villach bin ich zuerst nach Wien gegangen, um Unternehmensführung zu studieren. Mehr und mehr habe ich gemerkt, dass mein Platz woanders ist. Es ist toll, ein Hotel zu managen, aber es gibt so viele wichtigere Themen in der Welt.“

Wissenschaftliche Begleitung

Rittenau begann, sich mit Umwelt- und Tierschutz zu beschäftigen. Das schöne an der veganen Ernährung sei, dass man Umweltschutz, Tierschutz – und wenn man es richtig macht – auch den Schutz der eigenen Gesundheit vereine. Er studiert derzeit Regulationsmedizin und Mikronährstofftherapie und schrieb mehrere Bücher dazu. Es gehe nicht um Meinung oder Dogmen, sondern um Wissenschaft. Er habe durch sein Studium sicher gehen wollen, dass der Veganismus auch gesundheitlich funktioniere. Die Datenlage zeige, dass bei guter Planung und Zusammenstellung vegane Ernährung in jeder Lebensphase funktioniere, so Rittenau.

In sozialen Medien hat er zehntausende Follower, seine Vorträge sind ausgebucht: „Ich sehe mich als Vermittler zwischen der Ernährungswissenschaft und dem Endverbraucher. Ich möchte das so aufbereiten, dass es nicht nur alltagstauglich sondern auch amüsant ist. Dass man es nicht als Verzicht, sondern Bereicherung ansieht.“

Niko Rittenau und Bernd Radler
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Niko Rittenau mit Bernd Radler in Berlin (vor der Coronavirus-Krise)

Keine Mangelernährung durch Veganismus

Eine der Fragen, die man Veganern stellt, sei, wie man ohne Milch genügend Kalzium, ohne rotes Fleisch genügend Eisen, ohne Fisch genügend Omega3 und Jod bekomme. Dies und mehr wird im Buch „Vegan-Klischee-Ade“ erklärt. Es gehe darum, aufzuzeigen, was die Wissenschaft dazu sage: „Eisen ist ein Heimspiel für den Veganismus, denn Studien zeigen, dass Veganer die doppelte Menge an Eisen zuführen wie Menschen mit Mischkost. Denn die eisenreichsten Lebensmittel sind alle pflanzlich, darunter Nüsse, Samen, Vollkorn, Getreide oder Hülsenfrüchte.“

Kalzium und Proteine sind entgegen landläufiger Meinung nicht nur in Milchprodukten enthalten, tierische Produkte haben hier kein Monopol auf diese Inhaltsstoffe: „Wenn wir uns anschauen, wie kommt das Protein in der Nahrungskette in das Tier, zeigt sich, die Quelle sind Pflanzen. Wenn die Kuh Grünzeug frisst und wir die Kuh essen. Man kann die Kuh übergehen und Pflanzen essen, die Protein enthalten.“

Alle Aminosäuren sind in Pflanzen enthalten

Es gebe acht essentielle Aminosäuren, die der Mensch brauche und die finde man alle in pflanzlichen Lebensmitteln. Man wisse seit den 50er Jahren, dass alle Proteine und Nährstoffe durch pflanzliche Nahrung abgedeckt werden können, so Rittenau. Spricht etwas gegen die herkömmliche Ernährungspyramide? Nein, sagt Rittenau. Tierische Lebensmittel seien nicht per se schlecht.

„Aber der Veganismus ist eine ethische Lebensweise, die zugrunde legt, dass für das eigene Handeln keine anderen Lebenswesen zu Schaden kommen sollten.“ Es gehe um das Wohl der Tiere, dass die pflanzliche Ernährungsweise Ressourcen schone, sei toll. Dass man damit im Schnitt mehr Menschen ernähren könne, sei auch toll. „Im Kern ist es aber eine tierethische Ernährung.“

Zukunft: Fleisch aus Zellen

Es gebe natürlich Unterschiede zwischen kleinen Betrieben, die Milch oder Honig produzieren und der industriellen Tierhaltung. Wenn man jetzt sage, man kaufe nur Milch vom Biobauern nebenan, sei das schon eine deutlich bessere ethische Entscheidung. Auf diese Art könnte man aber nicht die ganze Bevölkerung versorgen. Wenn man als Bevölkerung weiter tierische Produkte essen wolle, müsste man laut Rittenau entweder die Produktionsmenge drastisch verringern, oder zellbasierte Landwirtschaft betreiben. Fleisch aus Zellen zu züchten dauert aber noch einige Jahre. Es gehe also darum, Fleisch ethischer zu produzieren oder zu verzichten.

Alltagstaugliche Rezepte

Der zweite Teil des Kochbuchs, das Niko Rittenau mit Sebastian Cepien schrieb, beschäftigt sich mit alltagstauglichen Rezepten. Die Rezepte sollen nicht herkömmliche Speisen kopieren, sondern ganz eigene Geschmäcker schaffen. Kochen habe auch mit Routine und Grundregeln zu tun, dann sei auch vegane Küche nicht aufwendiger als herkömmliche. Menschen hätten sich über lange Zeit immer wieder pflanzlich ernährt, weil man kein Geld für Fleisch hatte. Viele kreative Rezepte seien damals entstanden, manches könne man wieder entdecken. Die neue pflanzliche Küche steht für sich allein und ist kein Ersatz.

Sojawürstl als Transitionfood

Ob man sich im beruflichen Alltag vegan ernähren kann, hänge sehr davon ab, wo man lebe, räumt Rittenau ein. In Berlin, dem veganen Mekka, sei das kein Problem. Ob Imbiss oder Supermarkt, es gebe alles. In Österreich hätten auch viele Supermärkte schon vegane Angebote. Manche Restaurants seien vegan oder hätten vegane Angebote. Doch nicht alle Ersatzprodukte in den Supermärkten seien wertvoll, so Rittenau. Das sei eher Transitionfood, das Leute essen, die sich vom Fleisch umgewöhnen wollen.

Nach Kärnten kommt Niko Rittenau etwa einmal im Jahr, er schätzt die Natur sehr und möchte sie mit seiner Lebensweise auch erhalten.