Älterer Mann lehnt sich an einen Baum und schaut in die Ferne
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Soziales

Singles leiden unter Social Distancing

Menschen brauchen Nähe und Halt, gerade in der Krise. Aber in diesen Tagen ist das für allein lebende Menschen schwierig. Die Kontaktsperre trifft Singles besonders, die momentan auch auf Datings verzichten müssen. Doch die Zeit der Ausgangssperre kann sehr gut positiv genutzt werden.

Für viele Menschen sind die Ausgangsbeschränkungen eine regelrechte Qual, sagte Psychologe Raphael Bonelli. Und wer sich einen Partner wünscht, aber noch keinen gefunden hat, hat ohnehin eine gewisse Hemmung, so Bonelli: „Für diese Personen ist es aber auch besonders schwer, sich im Internet, in der virtuellen Welt, beim Online-Dating zu orientieren. Die leiden besonders.“

Krise nicht schuld an Einsamkeit

Wenn Singles nun der Krise die Schuld geben, dass sie keinen Partner finden, würde wohl zu kurz greifen, sagte Bonelli, das gelte derzeit noch nicht, „aber das wird kommen, daran zweifle ich nicht“. Für manche, die etwa noch nie eine stabile Partnerschaft hatten, sei die Krise durch das Coronavirus vielleicht auch eine Möglichkeit, in Ruhe zu reflektieren, warum das so ist und was man sich eigentlich wünscht. „Man kann sich überlegen, was eigentlich das Problem ist, warum es in den letzten Partnerschaften nicht geklappt hat. Diese Zeit der Reflexion nehmen wir uns oft nicht und dafür ist jetzt aber Zeit.“

Reflektieren und Muster suchen

Bei dieser Reflexion hilft die Suche nach Mustern. Ein solches Muster könne sein, dass sich jemand sehr rasch und intensiv verliebt, aber nach zwei Monaten in heftige Kritik kippt und alles am anderen kritisiert. „Oder, ich wähle mir immer die falschen Menschen aus, etwa Narzissten, selbstverliebt und selbstbewusst, wenn ich auf den Bad-Boy stehe, sollte ich das vielleicht überdenken.“

Wer weiß, was er selbst sucht, kann sich auch im Internet auf den verschiedenen Plattformen besser bewegen und entscheiden, ob er ein Portal für einen Onenightstand oder für eine stabile Partnerschaft sucht. „Dabei kann man sich Zeit lassen. Viele meiner Patienten, die vorsichtig sind, tun wochenlang hin und her, dann kommt es erst zu den ersten Telefonkontakten, dann kann man auch eine Videokonferenz machen.“

Neue Form der Kontaktaufnahme

Natürlich findet der Kontakt nur virtuell statt. Offen bleibt, ob man sich gegenseitig „riechen“ kann, der Eindruck von Gestik und Mimik fehlt, aber ein Kennenlernen, ein erster Austausch sind möglich, sagt der Experte. „Dass man sich da nur emotional näher kommt und nicht körperlich, das finde ich, ist kein schlimmer Nachteil. Es ist nicht das Ende der Menschheit.“

Alleinsein kann auch schön sein

Allein sein kann aber auch ganz schön sein, sagte der Psychologe. Wenn man ein Buch zur Hand nimmt, etwas malt oder schreibt, hat man auch das Gefühl, einen sinnvoll verbrachten Tag hinter sich gebracht zu haben. Alleinsein ist etwas sehr Schönes, aber Einsamsein ist etwas sehr Quälendes, Wer sich einsam fühlt, sollte vielleicht lernen, allein zu sein. Es gibt ja auch Menschen, etwa Aussteiger, die suchen das Alleinsein."

Wer alleine gut zurecht kommt, tut sich eventuell auch bei der Partnersuche leichter. Denn viele glauben, dass alleine der Partner der Glücksbringer ist, sagte Bonelli. „Das ist aber nicht so. In einer Partnerschaft hat man dann eben andere Probleme, als allein. Wenn man vom Partner das unendliche Glück erwartet und dass durch ihn man keine Probleme mehr hat, dann scheitert die Beziehung ohnehin.“

Negative Spirale: Gedankenstopp hilft

Manche Menschen geraten in einen regelrechten Grübelzwang, sagt Bonelli, eine negative Gedankenspirale, etwa „ich bin so hässlich, ich finde nie eienen Partner“. Hier braucht es einen Gedankenstopp: „Man kann sich sagen, diesen Gedanken habe ich schon oft durchdacht, der bringt mir nichts. Das ist Vielen neu, die sagen, die Gedanken kommen einfach. Das stimmt schon, aber man kann sagen, ‚Stopp, ich höre jetzt auf mit diesem Gedanken‘, so etwas kann man.“

Zeit für Versöhnung

Hilfreich kann es auch sein, den Medienkonsum genauer zu steuern. "Sich jeden Tag die Corona-News reinzuziehen, kann depressiv machen. Die Zeit, die man jetzt zur Verfügung hat, könnte auch genutzt werden, um alte Konflikte aufzuarbeiten, etwa einen Streit mit den Eltern oder den Geschwistern. „Jetzt ist Zeit für eine SMS oder einen Anruf, Zeit zur Versöhnung. Das saniert das Leben überraschend.“