Merkstein zum Ötzifund
PietFoto – stock.adobe.com
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Wissenschaft

Datierung ist Schlüssel zur Vergangenheit

Die radiometrische Datierung ist ein Schlüsselwerkzeug in der Wissenschaft, um das Alter von Fundstücken zu bestimmen. Sie bietet Einblicke in die Erdgeschichte, Archäologie und Paläontologie und ist ein Blick in die Vergangenheit. Ein bekanntes Beispiel ist die Datierung der Gletschermumie Ötzi mit Hilfe der C14-Methode.

Die Radiometrische Datierung basiert auf dem Prinzip des radioaktiven Zerfalls. Jedes radioaktive Atom hat eine bestimmte Halbwertszeit, also die Zeit, in der die Hälfte der Atome in einer Probe zerfällt. Durch die Messung der Menge an verbleibendem radioaktivem Material in einer Probe können Wissenschaftler das Alter der Probe bestimmen.

Ernst Hinteregger, Fachgruppenleiter für Physik und Chemie im Naturwissenschaftlichen Verein für Kärnten, sagte dazu: „Bekannt geworden ist es durch den Fund von Ötzi. Mit Hilfe von radiometrischen Methoden, da insbesondere die C14-Methode, hat man ziemlich genau feststellen können, wann der Ötzi gelebt hat und gestorben ist.“

Ötzi Ausgrabung
ORF
Ötzi machte radiometrische Datierung bekannt

Alter wird durch Rechnen bestimmt

Für die C14-Methode benötigt man organisches Material, das Kohlenstoff enthält. Bei Funden aus der Vergangenheit ist das allerdings nicht im Überfluss vorhanden. Kohlenstoff 14 hat eine Halbwertszeit von 5.730 Jahren. „Nach 5.730 Jahren ist die Hälfte vom Ausgangsmaterial zerfallen. Das heißt, wenn man am Anfang den gewissen Prozentsatz hat und dann war es eben halb so viel davon, dann ist der 5.730 Jahre alt“, erklärte Hinteregger.

Sendungshinweis:

Radio Kärnten „Erlebnis Natur“, 29.4.24

Wert kann verfälscht werden

Bei der Einordnung der Ergebnisse müssen aber noch weitere Dinge beachten werden. „Die Konzentration von CO14 hat sich im Laufe der Erdgeschichte auch geändert, das macht das auch noch schwieriger. Auch der Fundort hat Einfluss auf die Berechnung. Wenn er gut abgeschlossen worden ist, ist es leicht, aber wenn ein Fund zum Beispiel im Wasser gelegen ist, finden wieder andere Prozesse statt“, so der Experte.

Fisch-Fossil aus dem Trias
Alexander Lukeneder NHM Wien
Wasser kann das Alter verfälschen

Tief im Wasser gibt es weniger Kohlenstoff 14, wodurch etwa das Alter von Fischfossilen verfälscht werden kann. Deshalb sei es umso wichtiger, dass man als Archäologe nicht nur auf den Zahlenwert schaue, sondern auch andere Funde berücksichtige.

„Radioaktivität ist nichts seltenes“

Bei Radioaktivität denken viele zuerst an den Unfall im Kernkraftwerk Tschernobyl, so Hinteregger: „Radioaktivität ist jetzt nicht wirklich etwas Seltenes. Wir leben in einer Welt mit natürlicher Radioaktivität. Alles um uns herum strahlt, auch wir selbst.“ Die Evolution sei damit groß geworden und der Mensch habe sich daran gewöhnt.

Anwendungsgebiet Erdwissenschaften

Die radiometrische Datierung werde in vielen Fachrichtungen angewendet, so auch in der Erdwissenschaft, sagte Alexander Budsky von der Abteilung Erdwissenschaften im kärnten.museum: „Die radiometrischen Datierungen sind für uns Erdwissenschaftler die eierlegende Wollmilchsau, mehr oder weniger. Wir schauen uns verschiedene Isotopenverhältnisse an und können dann Alter von Mineralien und Gestein bestimmen oder von Knochen. Und das gibt dann Aufschluss über die Erdgeschichte und über das Leben.“

„Wir können bestimmte Mineralien messen und sehen dann bei manchen Mineralien, dass die bei ca. 900 Grad gebildet werden, andere Mineralien werden bei 300 Grad gebildet und so können wir eine Temperaturabfolge abschätzen oder rekonstruieren“, so Budsky. Es gebe unterschiedliche Datierungsmethoden, je nach Alter oder Fragestellung.

Methode auch in Kärnten angewandt

Auch in Kärnten wurde die Radiometrische Datierung des Öfteren angewandt. Budsky nannte die Saualpe als Beispiel. Durch die Analyse der Gesteine konnten die Bildungsbedingungen und die Deckenstruktur ermittelt werden.

Besonders interessant waren die Pegmatite, kleine Intrusionsadern in den Gesteinen mit großen Kristallen von Biotit, Quarz und Felspat. Diese wurden vor etwa 300 Millionen Jahren gebildet, lange vor der Alpenbildung. Durch die radiometrische Datierung konnte festgestellt werden, dass diese pegmatitreichen Gesteine während der alpidischen Orogenese, also vor etwa 100 bis 80 Millionen Jahren, über die umgewandelten Gesteine geschoben wurden. Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, wie die Radiometrische Datierung dazu beitragen kann, die Geschichte der Gesteine und der Erde nachzuvollziehen.

„Vergangenheit besser verstehen“

Die radiometrische Datierung ist ein wichtiges Werkzeug in der Archäologie, das hilft, die Vergangenheit besser zu verstehen. Insbesondere in der Ur- und Frühgeschichte. Diese Epoche, die sich mit Kulturen beschäftigt, die wenig materielle Kultur und keine schriftlichen Aufzeichnungen hinterlassen haben, bietet nur begrenzte Möglichkeiten zur Datierung. Mit der radiometrischen Datierung können jedoch organische Materialien, wie Holz oder Leder, genau datiert werden.

Der Fundort aus der Vogelperspektive zeigt die struktur der Anlage
ORF
Archäologen verwenden die Radiometrische Datierung häufig

„Als Archäologen schicken wir alles ins Labor und warten auf die Ergebnisse. Und dann kriegen wir eine relativ genaue Datierung“, sagte Renate Jernej vom kärnten.museum. So könne man den Zeitraum, wenn alles gut läuft, auf etwa 200 Jahre eingrenzen.

Rekonstruktion vergangener Kulturen

Diese Methode ist mehr als nur ein Werkzeug zur Datierung von Funden. Sie ist ein Schlüssel zur Rekonstruktion vergangener Kulturen und zur Schreibung der Geschichte. Durch die genaue Datierung von Funden können Archäologen ein detaillierteres Bild der Vergangenheit zeichnen und so ein besseres Verständnis für die Lebensumstände und Ernährungsgewohnheiten vergangener Kulturen gewinnen.

Gerade in der Ur- und Frühgeschichte, wo andere Quellen fehlen, ist die Radiometrische Datierung von unschätzbarem Wert, erklärte Jernej: „Alles, was man herausfinden kann, verdichtet unser Bild und wenn man jetzt so etwas hat wie Ernährung, Lebensumstände, dann ist das natürlich schon ein plastischer Faktor.“ Die radiometrische Datierung ermöglicht es, ein Bild von der Vergangenheit zu zeichnen, das ohne sie unvollständig wäre.