Franz Stockinger
Peter Matha
Peter Matha
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Meteorologe: Mitten in der Klimakrise

Franz Stockinger war bis vor zwölf Jahren einer der Wettererklärer der Nation. Auf den Meteorologen bei der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) hörten Landwirte, Bergsteiger und Veranstalter, wenn es ums Wetter ging. Der Klimawandel ist klar menschengemacht, sagt der Experte. Der Begriff Klimakrise sei aber bereits treffender.

„Es ist eines klar, das was da passiert ist menschengemacht. Die Chemie sagt das, die Physik sagt das, es hat keine Zweifel mehr gegeben. Man redet vom Klimawandel schon seit 50 Jahren, nur man hat nicht mit großer Sicherheit sagen können, was in welchem Ausmaß von uns beeinflusst wurde. Und dann hat man sich entschieden und gesagt, Tatsachen sind eindeutig, die Fragen sind klar zu beantworten“, so Stockinger.

„Trend verstärkt sich“

Die sommerlichen Temperaturen der letzten Wochen mit zuletzt mehr als 30 Grad sieht Stockinger so: „Wenn mir einer vor zehn, 15 Jahren gesagt hätte, wir haben jetzt Temperaturen von 31 Grad, dann hätte ich einmal zu grinsen angefangen und gesagt, das wird leider nicht passieren oder Gott sei Dank nicht passieren. Tatsächlich ist es aber soweit und man sieht, der Trend hat sich in den letzten wenigen Jahren deutlich verstärkt. Wir sind jetzt mittendrin, in dem, was man immer mehr Klimawandel nennt. Die Ausdrücke haben sich verändert man spricht jetzt von Klimakrise und hier und da hört man schon Klimakatastrophe.“

"Großräumige Zirkulation stellt sich um

Der frühe Sommer habe ja auch positive Seiten, 25 Grad um diese Zeit seien angenehm, so Stockinger: „Wenn wir natürlich im Sommer dann auf 40 Grad kommen und drüber, dann schaut es schon ein bisschen anders aus.“ Das Wort Klimakrise sei treffender: „Weil wir in Situationen reinkommen, die dann nicht mehr rückgängig gemacht werden können und dann verstärkt sich das ohne, dass man irgendwas machen kann.“

Die Situation derzeit sei außergewöhnlich: „Wenn es mitten im Sommer Hochwasser in der Toskana oder in Sizilien gibt oder sogar in Libyen, das war früher nie der Fall. Wenn ich früher nach Kroatien oder Italien in den Urlaub gefahren bin hat es geheißen, Sonne von Anfang bis Ende. Jetzt auf einmal regnet es. Es stellt sich die großräumige Zirkulation aufgrund dieser Temperaturänderungen um. Es passieren jetzt im Sommer strömungsmäßig Dinge, die es früher nicht gegeben hat.“

 Darstellung des Golfstroms
RedAndr http://www.ngdc.noaa.gov/mgg/image/2minrelief.html
Darstellung des Golfstroms

Temperaturdifferenzen machen Probleme

Am Äquator werde es wärmer, der Pol bleibe kühl. Diese Temperaturdifferenz sei entscheidend dafür, dass die Strömung stärker werde, so Stockinger: „Was aber tatsächlich passiert und was man nicht berücksichtigt hat, dass es auch am Pol wärmer wird. Und zwar noch wärmer als in den mittleren Breiten. Dieser Gradient wird nicht steiler, sondern sogar im Sommer schwächer, wenn es dort sehr warm wird. Das heißt, diese Strömung mäandert straff vom Atlantik her und die Mäander werden immer größer und langsamer in den Sommer hinein.“

Sendungshinweis:

Radio Kärnten Mittagszeit; 19.4.2024

Was jetzt passiere, seien im Sommer vom Norden her Tiefdrucksysteme, die über den Süden reichen: „Kaltluft in der Höhe über dem Süden ist verheerend, sie ist instabil, es regnet. Es bildet sich dann sogar dort unten oft ein Tief und das bleibt dort liegen. Und dann regnet es einmal im Sommer, das was wir jetzt haben und früher nicht gehabt haben. Dieser Trend wird sich voraussichtlich sogar noch verstärken.“

Überschwemmung 2023 Waidmannsdorf
ORF
Überschwemmungen in Klagenfurt

Wasserprobleme auch in Kärnten

Selbst in Kärnten wird es in Zukunft Wasserprobleme geben, schätzt Meteorologe Stockinger, vor allem im Osten. Die Klimaveränderungen hätten auch Auswirkungen im Winter: „Fangen wir mit dem Positiven an. Die höheren Temperaturen, jeder ist froh, minus zehn Grad ist weniger angenehm als null Grad oder einige schwache Plusgrade. Man muss weniger heizen, man braucht weniger Geld. Die andere Gruppe, die das natürlich gar nicht gut wird, ist der Tourismus. Es regnet höher hinauf, weiter hinauf, es regnet länger in größere Höhen. Der künstliche Schnee, den man macht, wird immer wieder einmal beregnet.“ Es werde auch die Zeit kommen, da es ein Problem werden könnte, überhaupt zu beschneien. Der Trend gehe in diese Richtung.

Methanhydrat mit Wabenstruktur
Methanhydrat mit Wabenstruktur

Klima-Zeitbombe Methan

Der Meteorologe, einst Leiter der Wetterdienststelle Klagenfurt, beschäftigt sich mit der Zukunft und den Tiefen der Ozeane. Unter der Arktis und in der Antarktis, wird geschätzt, sind mehrere tausend Milliarden Tonnen Kohlenstoff in Methanhydrat oder brennendem Eis gebunden. Möglicherweise mehr als doppelt so viel wie in allen Erdöl-, Erdgas- und Kohlevorräten der Welt: „Dort unten ist dieses Methan gebunden in gefrorener Form. Und auch der Ozean in der Tiefsee erwärmt sich. Bereits jetzt kommen sukzessive immer mehr Flächen dazu, wo dieses Methan am Erdboden anfängt zu tauen und sozusagen empor blubbert und aus einem riesigen Wasserreservoir aufsteigt. Da kann man keinen Filter davorschalten. Das sind Mengen, die sind so gewaltig, vielleicht vergleichbar mit dem Permafrost.“

Franz Stockinger
Peter Matha
Stockinger liebt das Kajakfahren

Freisetzung nicht aufhaltbar

„Dass das Methan in gasförmiger Form als Treibhausgas, das wir tunlichst vermeiden wollen – nicht nur das CO2, auch das Methan, das wird viel wirksamer – die Temperatur wieder in die Höhe treibt. Das, was wir vermeiden wollen. Und wir wollen das reduzieren mit unserer menschlichen Aktivität. Und auf einmal kommen wir aus Meeresoberflächen solche Mengen rauf, die wir nicht steuern können. Die können wir nicht absondern, nicht filtrieren, die kommen raus.“

Stockinger spricht von der Verschiebung der Probleme auf die nächsten Generationen. Doch auch er sieht gerne die schönen Seiten der Welt, wie sie jetzt ist und fuhr mit dem Kajak auf der Donau bis zum Schwarzen Meer: „Man sieht dort gar nichts mehr. Man sieht keine Menschen, man sieht kein Tier mehr, keine Leitung mehr, keinen Weg mehr, kaum ein Flugzeug. Das drüber fliegt. Man ist dort in einer Umgebung mit einem Fluss ganz alleine. Und alleine dieses Feeling ist schon sehr imposant.“